Wohnverhältnisse in Deutschland die wichtigsten Erkenntnisse der Mikrozensus-Auswertung im Auftrag der Hans-Böckle-Stiftung:
“ (…) Steigende Mieten und Verdrängungsprozesse, Leerstand und Vernachlässigung, Wohnungsmangel und Neubauboom – die Wohnungsfrage polarisiert die politischen Debatten in vielen Städten. Doch die Problemlagen unterscheiden sich nicht nur zwischen wachsenden Metropolregionen und schrumpfenden Städten mit Arbeitsplatz- und Bevölkerungsverlusten, zwischen Schwarmstädten und entspannten Wohnungsmarktregionen, sondern auch zwischen verschiedenen sozialen Gruppen.
Eine moderne Ausstattung und ein hoher Flächenkonsum gelten als Wohlstandsmerkmale und eine gute Adresse kann zum Statussysmbol werden. Prekäre Wohnverhältnisse, Überbelegung und oft auch das Wohnen in bestimmten Stadtlagen gelten als Zeichen des Scheiterns, der Benachteiligung und der Ausgrenzung. Wohnen ist ein zentraler Indikator der sozialen Lage und ein Gradmesser der Ungleichheit. (…)
Die Ungleichheit der Wohnverhältnisse entspricht in etwa den Einkommensunterschieden. Die sozialpolitische Dimension der Wohnversorgungssysteme, Einkommensunterschiede zu mildern und einen Beitrag zur sozialen Kohäsion zu leisten, haben sich weitgehend aufgelöst. Die Wohnverhältnisse reproduzieren die Einkommensunterschiede in den meisten Dimensionen. In Bezug auf die Mietbelastungsquote kann sogar eine Verschärfung der Ungleichheit durch die Wohnverhältnisse festgestellt werden. Die Wohnbedingungen sind damit nicht nur ein Spiegel bestehender Ungleichheit, sondern tragen auch selbst durch die hohe Mietkostenbelastungen zu einer wachsenden Ungleichheit bei.
Die gravierende Polarisierung der Mietbelastungsquoten zeigt, wie stark Wohnverhältnisse und Einkommen im Verhältnis stehen. Insbesondere bei Haushalten mit geringen Einkommen wirken sich hohe Mieten und eine hohe Mietbelastungsquote gravierend auf die gesamte Lebensführung aus, da die Resteinkommen nach Mietzahlung sehr gering sind. Etwa 1,3 Million Haushalte verfügen nach der Mietzahlung über Resteinkommen unterhalb des Niveaus der Regelsätze der sozialen Transferleistungen. (…)
Die Auswertung der Mikrozensusdaten für die 77 Großstädte zeigt dabei nicht nur eine deutliche Polarisierung der Wohnbedingungen innerhalb einzelner Merkmale und zwischen den verschiedenen Einkommensgruppen, sondern auch erhebliche regionale Unterschiede. Insbesondere die Miethöhen und die Mietkostenbelastung werden auch von den lokalen Besonderheiten der jeweiligen Wohnungsmärkte bestimmt. (…)
Die Qualität der Wohnungsversorgung und auch Leistbarkeit des Wohnens unterscheiden sich zwischen den Städten. Doch trotz aller regionalen Unterschiede ist das Einkommen der entscheidende Faktor der Wohnverhältnisse. Haushalte mit geringen Einkommen leben in schlechterer Qualität, auf kleinerer Fläche und haben eine deutlich höhere Mietbelastung zu tragen. Einkommensungleichheiten werden so in den Wohnverhältnissen nicht nur reproduziert, sondern sogar noch verstärkt. (…)“
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung; epd