Politische Konsequenzen aus der Armuts- und Reichtumsberichterstattung ziehen

Auszüge aus dem Antrag der SPD-Fraktion “ Die notwendigen politischen Konsequenzen aus der Armuts- und Reichtumsberichterstattung ziehen„:

Der Bundestag soll feststellen:
“ … Der Bericht ignoriert die Ursachen der gesellschaftlichen Spaltung
Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht legt weder eine klare Analyse noch eine nachvollziehbare Diagnose und nur ganz vereinzelt überprüfbare Handlungsoptionen vor.
Der Bericht ist vom eigenen Anspruch weit entfernt, „gezielten politischen Handlungsbedarf formulieren zu können“ … .

Die zentrale Ursache für die Polarisierung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist die Aufkündigung des sozialstaatlichen Kompromisses des �rheinischen Kapitalismus‘, der die alte Bundesrepublik geprägt hat. Die Deregulierung von Arbeits-, Güter- und Finanzmärkten hat sich in einer neuen Verteilungsordnung niedergeschlagen, die deutlich weniger egalitär ausgerichtet ist. Im Ergebnis werden so nicht nur die sozialstaatlichen Strukturen geschwächt, sondern auch die meritokratischen Leistungs- und Gerechtigkeitsnormen in der Gesellschaft unterminiert. Der Bericht blendet aber gerade diese tiefergehenden Fragen (…).

Mit der Ausrichtung des Berichts auf ein diffuses Hauptmotto („Chancen schaffen, soziale Mobilität ermöglichen“) und seiner Orientierung an einem Lebensphasenmodell nimmt die Bundesregierung gegenüber den ersten drei Berichten einen Perspektivenwechsel vor, der dazu führt, dass strukturelle Benachteiligungen verdeckt und damit nicht als Ursache erkannt werden sollen. Die Orientierung auf �Chancengerechtigkeit‘ als nahezu einziger Definition von �sozialer Gerechtigkeit‘ sorgt nicht nur dafür, dass andere Dimensionen, wie insbesondere Verteilungsgerechtigkeit, ausgeblendet werden, sondern besitzt auch die Funktion, soziale Risiken zu individualisieren. …

Schlussfolgerung
Mehr Verteilungsgerechtigkeit ist nur möglich, wenn über die Progression in der Einkommensteuer hinaus der immense private Reichtum für die nachhaltige Finanzierung herangezogen wird. Die Bundesregierung will jedoch nur prüfen, wie „freiwilliges Engagement Vermögender in Deutschland für das Gemeinwohl eingeworben werden kann“. Mit Spenden ist jedoch kein Staat zu machen. Der Staat finanziert sich über Steuern. Der Verzicht auf eine gerechte Steuerpolitik ist eine politische Bankrotterklärung. Damit wird der private Reichtum weiterhin privilegiert.

Mehr Verteilungsgerechtigkeit und die Verbesserung der sozialen Lage ist nur unter Berücksichtigung der Genderfrage und bei realem Ausgleich der Geschlechterverhältnisse im Sinne von Geschlechtergerechtigkeit möglich.

Die Bundesregierung hat mit dem 4. Armuts- und Reichtumsbericht die grundlegenden Weichenstellungen für mehr Verteilungsgerechtigkeit, für eine gerechtere Gesellschaft weder benannt noch will sie diese ändern.

Unbeantwortet bleiben Fragen wie die ## nach den grundlegenden materiellen Voraussetzungen für Wohlstand und Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger,
## nach den Aufstiegsvorteilen durch privilegierte Zugänge zu Bildung, beruflichen Spitzenpositionen, Macht und Einfluss und der Beseitigung der Barrieren zugunsten von Chancen-, Bildungs- und Leistungsgerechtigkeit und Teilhabe von allen Bürgerinnen und Bürgern
## nach den Auswirkungen staatlichen Handelns auf die Armuts- und Reichtumsentwicklung …
## nach Verwirklichung von Inklusion und umfassender Teilhabe.
Politik muss in diesen Kernbereichen gesellschaftlichen und staatlichen Handelns die entscheidenden Rahmenbedingungen und Grundstrukturen setzen, die verantwortlich für die Armuts- und Reichtumsentwicklung und den sozialen Ausgleich sind. „

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern,
“ Für die künftige Berichterstattung sicherzustellen, dass folgende Forderungen in der Armuts- und Reichtumsberichterstellung umgesetzt werden: ## Bessere Einbindung eines Beraterkreises …
## Verbesserung der Indikatoren …
## Stärkere Nutzung und Einbeziehung des vorhandenen Datenmaterials z.B. zur Genderfrage und zum Reichtum
## Vernetzung der Ergebnisse anderer Berichterstattungen wie z.B. Gleichstellungsbericht, Berichte zu Familie, Kindern und Jugendlichen, Senioren, Bildung, Migration, Renten, Städtebau und Nutzung ihrer Kernaussagen
## Vernetzung mit den Sozialberichten der Länder und Kommunen
## Ausweitung der Berichterstattung um die Fragen wie Wen nützen gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen? Wer nutzt bestehende Teilhabechancen nicht und warum? Was bedeuten Leistungseinschränkungen und Privatisierung für die Lebenslagen verschiedner Gruppen? Wie müssen gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen gestaltet werden, um die Lebenslagen der schwächeren sozialen Gruppen zu verbessern und den in diesem Bereich beschäftigten Menschen gute Arbeit ermöglichen? Wie müssen dafür institutionelle Innovationen angelegt sein und Veränderungen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite dimensioniert werden um der Nachhaltigkeit und dem Gemeinwohl gegenüber privaten Profitinteressen Geltung zu verschaffen? …
Als Antwort auf den 4. Armuts- und Reichtumsbericht und die Kommentierung durch den Beraterkreis sowie die Ergebnisse seiner öffentlichen Diskussion geeignete politischer Instrumente zur Vermeidung und Beseitigung von Armut, zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit sowie zur Verminderung von Polarisierungen zwischen Arm und Reich vorzulegen. … ## die Einführung eines flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns,
## Bekämpfung prekärer Beschäftigung …
## Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit z.B. auch durch Ausbau und Weiterentwicklung öffentlich geförderte Beschäftigung,
## Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt besser zu unterstützen, indem ausländische Berufsabschlüsse anerkannt und das arbeitsmarktpolitische
Instrumentarium und die Beratung und das Fallmanagement an ihren Bedürfnissen ausgerichtet werden,
## Gesetzliche Regelung der Entgeltgleichheit, …
## Angebot von zusätzlichen Qualifizierungsmaßnahmen …
## eine Vernetzung der Sozialberichterstattungen der Länder und anderer Berichte wie Gleichstellungsbericht / Altenbericht / Jugendbericht / usw., …
## flächendeckendes Angebot von Ganztagesbetreuungsangeboten und Ganztagsschulen in guter Qualität und Abschaffung des Betreuungsgeldes,
## Förderung inklusiver Bildung,
## längeres gemeinsames Lernen, …
## Individueller Rechtsanspruch auf berufliche Qualifikation und Weiterbildung bei finanzieller Beteiligung der Betriebe, …
## die Aufhebung des Kooperationsverbots und
## eine Reform des Bildungs- und Teilhabepakets, die dafür sorgt, dass der verfassungsrechtlich garantierte Teilhabeanspruch auch tatsächlich umgesetzt wird. „

Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages

Dokumente: Antrag_Konsequenten_aus_dem_Armuts__und_Reichtumsbericht_ziehen_1713102.pdf

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