Nationale Strategie zur Verringerung von Armut und Ausgrenzung entwickeln

Deutschland soll eine nationale Strategie zur Verringerung von Armut und Ausgrenzung vorlegen. Diese soll sowohl jährliche als auch mehrjährige qualitative Ziele und Maßnahmen enthalten. Damit sollen Armut und soziale Ausgrenzung bis zum Jahr 2020 so verringert werden, wie es dem fünften Ziel der Strategie „Europa 2020“ entspricht. Das fordert die SPD in einem Antrag, den sie mit dem Ziel einer Verbesserung des Nationalen Reformprogramms 2013 und des Nationalen Sozialberichts 2013 in den Bundestag eingebracht hat. Die SPD drängt darauf, das Ziel der Armutsbekämpfung in den jährlichen nationalen Reformprogrammen zu berücksichtigen. Außerdem wollen die Sozialdemokraten die Kürzung von Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose zurücknehmen und eine Verringerung der Schulabbrecherquote anstreben. Sie fordern in dem Antrag zudem die Abschaffung des Betreuungsgeldes und Maßnahmen gegen den wachsenden Niedriglohnsektor, beklagen aber auch Mängel in der Berichterstattung über soziale Daten aus Deutschland. Auszüge aus dem Antrag „Nationales Reformprogramm 2013 und Nationaler Sozialbericht 2013“ der SPD-Bundestagsfraktion:

„(…) Stand der sozialen Ziele der Strategie „Europa 2020“ in Deutschland

(…) Als nationales Ziel zur Bekämpfung der Armut und sozialen Ausgrenzung in Deutschland beschränkt sich die Bundesregierung auf die Verringerung der Langzeitarbeitslosen (Arbeitslosigkeit von mehr als einem Jahr) um 20 Prozent bis zum Jahr 2020. Seit dem ersten Nationalen Reformprogramm des Jahres 2011 hält die Bundesregierung an diesem nationalen Ziel fest und beschränkt ihre Berichterstattung größtenteils auf den Indikator der Langzeitarbeitslosigkeit. (…) Die von der Bundesregierung bei der Formulierung der Strategie „Europa 2020“ eingeforderte Berichterstattung über qualitative Maßnahmen zur Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung erfolgt nicht umfassend und nicht systematisch, obwohl eine solche qualitative Ergänzung der quantitativen Indikatoren zur Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung tatsächlich sinnvoll wäre. Insbesondere die Zunahme von Teilzeitjobs und geringfügiger Beschäftigung erfordert einen Blick auf die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse. Insgesamt ist festzustellen, dass die Berichterstattung der Bundesregierung über ihre Anstrengungen zur Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung in Deutschland je nach Bericht (Nationales Reformprogramm 2013, Nationaler Sozialbericht 2013 und 4. Armuts- und Reichtumsbericht) stark variiert und nicht aufeinander abgestimmt erfolgt.“

Erwerbstätigkeit gestiegen – aber: Mehr befristete Beschäftigte, mehr Teilzeitbeschäftigte, mehr geringfügig Beschäftigte, mehr in Zeitarbeit Beschäftigte

„Armut und soziale Ausgrenzung sind vielschichtige Phänomene, die nur schwer statistisch gemessen werden können. Deshalb wäre eine Kombination quantitativer und qualitativer Indikatoren zu Messung der Fortschritte auf dem Weg zur Verringerung der in Deutschland von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen bis zum Jahr 2020 sinnvoll. (…) Der Blick auf die Erwerbstätigenquote reicht jedenfalls nicht aus, um qualitative Fortschritte feststellen zu können. Das verdeutlichen folgende Zahlen: Während die Bundesregierung angibt, die Erwerbstätigkeit sei seit einem halben Jahrzehnt kontinuierlich gestiegen (Entwurf des Nationalen Reformprogramms 2013 vom 5. Februar 2013, Seite 25), verschweigt sie, dass die Anzahl der atypisch Beschäftigten seit 1996 zugenommen hat. Die Anzahl der befristet Beschäftigten hat von 1996 bis 2011 um mehr als eine Millionen Menschen zugenommen; die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten stieg von 1996 bis 2011 um fast zwei Millionen; und die Anzahl der geringfügig Beschäftigten nahm um rund 1,6 Millionen Menschen zu; im Zeitraum von 2006 bis 2011 stieg die Anzahl der in Zeitarbeit Beschäftigten um rund 100.000 an. Gleichzeitig nahm die Anzahl der Normalarbeitnehmerinnen und Normalarbeitnehmer im Zeitraum 1996 bis 2011 um rund eine Millionen ab (…).

Der von der Bundesregierung gewählte Indikator der Langzeitarbeitslosigkeit muss deshalb mit Vorsicht betrachtet werden. (…)“

Situation „vergleichsweise gut“ – aber womit verglichen?

„Trotz der deutlich positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich das Armutsrisiko in Deutschland erhöht, das erkennt auch die Bundesregierung an: im Jahr 2010 waren ca. 12,65 Millionen (15,6 Prozent) der Menschen von Armut bedroht, im Jahr 2011 waren es rund 160.000 Menschen mehr (12,81 Millionen, mithin 15,8 Prozent; Bundesregierung, Entwurf des Nationalen Sozialberichts 2012, S. 30; Social Protection Committee of the European Union, Annual Report 2012, S. 180). Die Anzahl der Personen in Haushalten mit geringer Erwerbsbeteiligung lag im Jahr 2011 in Deutschland bei rund 6,6 Millionen Menschen; und die Anzahl der Menschen in Deutschland, die unter starker materieller Deprivation litten, lag 2011 bei rund 4,3 Millionen Menschen (…). Unzweifelhaft sind die Probleme in den europäischen Krisenstaaten wie Griechenland und Spanien größer als in Deutschland. Das sollte die Bundesregierung aber nicht dazu veranlassen, sich zurückzulehnen und darauf zu verweisen, dass die Situation in Deutschland vergleichsweise gut sei. Vergleichsweise gut ist daran zu messen, dass es den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union dramatisch schlecht geht. (…)“

Auch die Europäische Kommission mahnt zur Anhebung des Bildungsniveaus benachteiligter Bevölkerungsgruppen

„Die Bundesregierung ist der Auffassung, sie habe „erhebliche Anstrengungen zum Ausbau des Bildungssystems unternommen und bereits Erfolge erzielt“ (…). Richtig ist, dass die Quote der Schulabbrecher von 11,1 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Jahr 2009 auf 11,9 Prozent im Jahr 2010 gestiegen war; erst im Jahr 2011 konnte die Schulabbrecherquote leicht auf 11,5 Prozent gesenkt werden (…). Die erheblichen Anstrengungen der Bundesregierungen haben somit leider nicht zu einer erheblichen Verringerung der Schulabbrecherquote geführt. Die Europäische Kommission mahnt in ihren Länderspezifischen Empfehlungen 2012 für Deutschland an, dass das Bildungsniveau benachteiligter Bevölkerungsgruppen angehoben werden muss (…). Schulabbrecher seien „die am stärksten gefährdete Untergruppe innerhalb der Gruppe der jungen Arbeitskräfte in Europa“, stellt die Europäische Kommission in ihrem Beschäftigungsbericht fest. (…) Die Schulabbrecher von heute führt zur Erwerbstätigenarmut und langfristig zur Altersarmut. Deshalb sollte die Bundesregierung sich in Zusammenarbeit mit den Bundesländern darum bemühen, die Anzahl der Schulabbrecher in Deutschland mittelfristig zumindest zu halbieren.“

Die wichtigsten Forderungen des Antrages

Um die soziale Situation in Deutschland zu verbessern will die SPD, dass die Bundesregierung

  • „eine nationale Strategie zur Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung erstellt, die sowohl jährliche als auch mehrjährige quantitative und qualitative Ziele und Maßnahmen enthält, mithilfe derer Armut und soziale Ausgrenzung in Deutschland (…) verringert werden sollen;
  • das Ziel der Armutsbekämpfung der Strategie „Europa 2020“ weiterhin in den jährlichen Nationalen Reformprogrammen berücksichtigt und konkrete Maßnahmen darstellt, mit denen Armut und soziale Ausgrenzung in Deutschland verringert werden können; (…)
  • die Kürzung der Maßnahmen und Fördermöglichkeiten zur aktiven Eingliederung von Arbeitslosen, insbesondere von Langzeitarbeitslosen zurücknimmt und die aktive Arbeitsmarktpolitik auszubaut; (…)
  • eine sozial- und arbeitsrechtliche Neuordnung im Bereich der Minijobs vornimmt mit der Einführung von Stundenbegrenzung und Mindestlohn, (…).“

Quelle: Pressedienst des Deuschen Bundestages

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