… Gründe für den Arbeitslosengeld-II-Bezug aus Sicht der Betroffenen
… Es wurden im Jahr 2010 im Rahmen der 4. Welle von PASS – Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ – befragt. Die verwendete Stichprobe enthält ausschließlich Bedarfsgemeinschaften, die im Juli 2009 im SGB-II-Leistungsbezug waren, diesen zwischen August 2008 und Juli 2009 aufgenommen haben, und im Juli 2006, 2007 und 2008 keine entsprechenden Leistungen erhalten hatten. …
Am häufigsten treten erwerbsbezogene Ereignisse auf: Knapp 61 Prozent nennen Arbeitslosigkeit bzw. die Verringerung des Arbeitsentgelts als einen Grund für den Arbeitslosengeld-II-Bezug. Dass das Arbeitslosengeld I ausgelaufen bzw. zu gering war, bezeichnen knapp 37 Prozent als relevant. Nimmt man beides zusammen, so war Arbeitslosigkeit für eine Mehrheit von 73 Prozent der Bedarfsgemeinschaften mittelbar oder unmittelbar ein Grund für die Aufnahme des Arbeitslosengeld-II-Bezugs. …
Ereignisse im Haushaltskontext sind für den Zugang ebenfalls von Bedeutung: Der Auszug einer Person mit eigenem Einkommen, spielt in knapp 9 Prozent der Bedarfsgemeinschaften eine Rolle. Für rund 10 Prozent war ein Anstieg der Zahl der Haushaltsmitglieder, z. B. durch die Geburt eines Kindes, ein ausschlaggebender Grund. Neben dem Arbeitslosengeld sind auch andere staatliche oder private Zahlungen für das Haushaltseinkommen relevant: Der Wegfall solcher Zahlungen, wie etwa Krankengeld oder Unterhaltsleistungen für Kinder, war für knapp 13 Prozent der Bedarfsgemeinschaften ein auslösendes Ereignis. …
Persönliche Ressourcen und Hemmnisse
… In Bezug auf die schulische Bildung zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den neu zugegangenen Leistungsempfängern und den Personen in der Vergleichsgruppe. Diese bestehen vor allem bei niedrigen sowie bei hohen Schulabschlüssen: Unter den Zugängern haben 11 Prozent keinen Schulabschluss, während es in der Vergleichsgruppe nur gut 2 Prozent sind. Dafür ist die allgemeine Hochschulreife bei Letzteren mit 24 Prozent weiter verbreitet, jedoch haben diesen Abschluss immerhin auch knapp 13 Prozent der neu zugegangenen Leistungsbezieher. Bei den mittleren Schulabschlüssen sind die Unterschiede dagegen gering.
Für die berufliche Bildung zeigt sich ein ähnlich polarisiertes Bild: Im unteren Bereich sind besonders viele Leistungsbezieher anzutreffen, dabei haben gut 35 Prozent gar keinen Berufsabschluss. In der Vergleichsgruppe sind es nur knapp 14 Prozent. Umgekehrt sind Hochschulabschlüsse in der Vergleichsgruppe mehr als doppelt so häufig anzutreffen. …
Auch mit Blick auf die Hemmnisse sind die Leistungsbezieher im Nachteil. Nach eigener Aussage sind sie oft von gesundheitlichen Problemen betroffen: Mehr als 27 Prozent berichten von dauerhaften Beeinträchtigungen wie einer Behinderung, chronischen Krankheiten oder Ähnlichem. …
Des Weiteren spielt der Zuwanderungsstatus eine wichtige Rolle: Personen, die in den Leistungsbezug. zugegangen sind, haben mit rund 38 Prozent mehr als doppelt so häufig einen Migrationshintergrund wie die Vergleichsgruppe. Insbesondere Sprachbarrieren scheinen als Hemmnis relevant zu sein. …
Fazit
In der Gesamtschau zeigt sich einerseits die dominierende Rolle der Arbeitslosigkeit beim Zugang in die Grundsicherung. Für die Mehrheit der Bedarfsgemeinschaften war sie ein Grund für den Bezug von
SGB-II-Leistungen. Andererseits sind der Wegfall staatlicher bzw. privater Zahlungen oder Veränderungen in der Haushaltszusammensetzung häufig auftretende Gründe, die auch ohne Arbeitslosigkeit in den Grundsicherungsbezug führen können. Anders als oft vermutet ist Langzeitarbeitslosigkeit – im Sinne einer gemeldeten Arbeitslosigkeit von mehr als 12 Monaten – meistens nicht entscheidend für die Aufnahme des Leistungsbezugs: Über zwei Drittel der neu zugegangenen Arbeitslosengeld-II-Empfänger waren im Juli vor dem Zugangszeitraum noch nicht arbeitslos gemeldet.
… Der Weg in die Grundsicherung führt nicht primär über einen Arbeitsplatzverlust, den einjährigen Arbeitslosengeld-I-Bezug und anschließenden SGB-II-Leistungsbezug. Für eine Mehrheit der Betroffenen trifft dies jedenfalls nicht zu. Vielmehr wird der Weg oft verlängert und der Leistungsbezug hinausgezögert, wie der hohe Anteil von Bedarfsgemeinschaften mit Vermögensverbrauch belegt. Durch Ereignisse im Haushaltskontext oder zu geringen bzw. nicht vorhandenen Arbeitslosengeld-I-Anspruch wird der Weg aber auch oft verkürzt.
Neben Bemühungen, Personen beim Ausstieg aus dem Grundsicherungsbezug zu unterstützen und so Bezugsdauern zu verkürzen, sollte der Fokus auf der Vorbeugung von Bedürftigkeit liegen. …
Der Kinderzuschlag ist ein Beispiel dafür, dass es bereits Instrumente gibt, die bei kritischen Lebensereignissen ein Abrutschen von gefährdeten Personen in den SGB-II-Bezug verhindern sollen. … Die bestehenden Leistungen wie Kindergeld, Elterngeld, Kinderzuschlag und institutionelle Angebote sollten gezielter darauf ausgerichtet werden, dass sie in ihrem Zusammenspiel eine
(vorher nicht vorhandene) Bedürftigkeit nach der Geburt auch tatsächlich verhindern. So könnte sichergestellt werden, dass von den kritischen Lebensereignissen zumindest Elternschaft keinen Grund mehr für Bedürftigkeit darstellt.“
doku.iab.de/kurzber/2012/kb2512.pdf
Quelle: IAB