Mit Unterstützung den Weg in die Ausbildung schaffen

Mit welcher Unterstützung gestalten Jugendliche den Übergang? Bestehen in den Bewältigungsstrategien der Jugendlichen mit oder ohne Migrationshintergrund Unterschiede? Wie nehmen Jugendliche die verfügbaren sozialen Ressourcen wahr, und worauf basiert ihre Auswahl potenzieller Unterstützer? Diesen Fragen ist Tabea Schlimbach (DJI-Forschungsschwerpunkt Übergänge im Jugendalter) nachgegangen.

Das Wichtigste aus Schlimbachs Beitrag „Den Übergang schaffen: aber nicht allein“ im Rahmen des DJI Top Themas im Juni Migrationsspezifika beim Übergang:
„(…) Vertrauen, Verfügbarkeit und Kompetenz: Auswahlkriterien für begleitende Akteure
Die qualitativen Analysen zeigen, dass bei der Annäherung Jugendlicher an begleitende Akteure vor allem drei Attribute zum Tragen kommen:

##Vertrauen: Jugendliche wenden sich Akteuren zu, denen sie zutrauen, in ihrem Interesse zu agieren und sie wohlwollend auf ihren Wegen zu begleiten. Entsprechend bevorzugen sie Personen, die sie kennen und zu denen sie in einer positiven emotionalen Beziehung stehen.
##Verfügbarkeit: Jugendliche wenden sich an Akteure, die niedrigschwellig erreichbar sind. Entsprechend sind zunächst Personen aus ihrem sozialen Nahraum für sie interessant. Diese beiden Kriterien sind eng gekoppelt mit Motiven der Reduktion von Unsicherheit, Stress, Aufwand und Zurückweisung, die in den Narrationen der Jugendlichen sehr präsent sind (…)
##Kompetenz: Jugendliche suchen nach Unterstützern, deren Wissen und Erfahrung für ihre eigenen Wege relevant sind. Berufserfahrenen Erwachsenen mit einschlägigem Wissen und guten Kontakten trauen sie am ehesten zu, sie kompetent zu begleiten. Je nach anstehender Übergangsaufgabe, seien es Berufsorientierung, Bewerbungen oder die Suche nach potenziellen Arbeitgebern, werden unterschiedliche Personen mit je spezifischen Kompetenzen relevant.
Grundsätzlich werden bei der Bewertung der Akteure die bisherigen Übergangserfahrungen und Kenntnisse der Jugendlichen wirksam und führen zu verschiedenen Annäherungsweisen und Priorisierungen. Migranten der ersten Generation beispielsweise fällt es schwerer, die übergangsbezogenen Kompetenzen anderer Menschen einzuschätzen. (…) im privaten Bereich sind die Eltern und auf institutioneller Seite die eigenen Lehrkräfte sowie aufsuchende Berufsberater der Arbeitsagentur für Jugendliche die vorrangigen Ansprechpartner bei Übergangsfragen.

Wie werden diese verschiedenen Akteure von Jugendlichen wahrgenommen und eingebunden?

„Backup“ Familie
In den Erzählungen fast aller befragten Jugendlichen wird deutlich, dass sie Eltern und andere Familienmitglieder als wertvolle, unverzichtbare Ressource für die Bewältigung des Berufseinstiegs wahrnehmen. (…) Es zeigen sich unterschiedliche Akzentsetzungen: Einheimische Jugendliche reflektieren häufiger konkrete elterliche Bildungsaspirationen. (…) Migrantische Jugendliche bringen den elterlichen Berufsbiografien eine (…) große Wertschätzung entgegen. Allerdings nehmen sie diese (…) vergleichsweise als weniger anschlussfähig für den eigenen Berufseinstieg wahr. Sie beschreiben elterliche Vorstellungen als eher vage (z.B. wenn Eltern sich „sichere“, „saubere“, „anständige“ Berufe für ihre Kinder wünschen).

Die Eltern dieser Jugendlichen zeigen teilweise eine unspezifische Unterstützungsbereitschaft aller von den Jugendlichen eingeschlagenen Wege. Während die Jugendlichen diese großen Handlungsspielräume zwar schätzen, äußern sie gleichzeitig auch den Wunsch nach „starken“ Vorschlägen, die die eigene Berufsorientierung klarer in eine Richtung lenken. Hierfür sind sie stärker auf externe Unterstützung bei der beruflichen Orientierung angewiesen. (…)

Der emotionale Rückhalt in der Familie ist ein großes Thema für Jugendliche, die sich ungeachtet ihrer Herkunft mit gestiegenen Anforderungen und Unsicherheiten auseinandersetzen müssen, die mit heutigen Übergängen einhergehen (…). Sie schreiben dem Familiennetz elementare Bedeutung bei der Bewältigung von Übergangsschwierigkeiten zu. Die migrantischen Jugendlichen unseres Samples betonen den Familienzusammenhalt besonders stark. Sie signalisieren eine hohe Dankbarkeit, verbunden mit dem Wunsch, die empfangene Hilfe zu vergelten. (…)

Junge Migrantinnen und Migranten, beispielweise aus der Türkei, aus Marokko und aus Osteuropa, fühlen sich elterlichen Wünschen vor dem Hintergrund ausgeprägter intergenerationeller Respekts- und Dankbarkeitsbezeugungen stärker verpflichtet. Sie geben elterlichen Vorstellungen eher nach und sind mehr um Konsens bemüht. In ihrem Motivationsgefüge ist der eigene berufliche Erfolg oft auch mit dem Gedanken verknüpft, die Wanderungsnachteile der Eltern nachträglich auszugleichen. (…)

Rollenerwartungen an Institutionen
Auf institutioneller Seite sind es vor allem die eigenen Sekundarschullehrkräfte und aufsuchende Akteure der Berufsberatung, die (…) am häufigsten eingebunden werden.
Jugendliche zeigen dabei unterschiedliche Rollenerwartungen an institutionelle Akteure, die stark mit der wahrgenommenen Selbstverantwortlichkeit und Handlungsmächtigkeit korrespondieren. Drei Formen von korrespondierenden Funktionszuschreibungen konnten identifiziert werden: ## So sehen sich einige Jugendliche als Designer ihrer Wege und formulieren konkrete, ergänzende Unterstützungsbedarfe. Entsprechend binden sie Institutionen anlassbezogen ein und greifen komplementär auf andere Ressourcen zurück.
##Eine weitere Gruppe sieht auf der Basis oft unabgeschlossener, diffuser Berufsorientierungsprozesse Institutionen als wissensmächtige Wegweiser für die eigenen beruflichen Wege und erwartet überdies wirksame Einmündungshilfen bei Schwierigkeiten des beruflichen Einstiegs. Sich selbst schreiben diese Jugendlichen eher eine Empfänger- und Umsetzerrolle zu. (…)
##Daneben gibt es auch Jugendliche, die Institutionen kaum in Anspruch nehmen. In diese dritte, sehr heterogene Gruppe fallen Jugendliche, die keine Hilfe benötigen oder die Unterstützung durch private Akteure als ausreichend bewerten. (…)
Migrantische Jugendliche, vor allem solche mit eigener Zuwanderungsgeschichte, nutzen institutionelle Hilfe intensiver als ihre einheimischen Peers. Sie wenden sich dabei vor allem an Lehrkräfte, denen sie qua Profession ein hohes Maß an Kompetenz zusprechen. Junge Migrantinnen und Migranten binden Institutionen vor allem bei Aufgaben ein, bei denen sie das familiale Unterstützungspotenzial angesichts des migrationsbedingt begrenzten Systemwissens als eingeschränkt wahrnehmen (Berufsorientierung, Ausbildungsstellensuche, Bewerbung). (…)

Herausforderungen für Politik und Praxis
Der wissenschaftliche und politische Fokus auf die Ressourcenausstattung hat einen defizitorientierten Blick auf die migrantische Familie am Übergang Schule-Beruf geprägt. Die interviewten Jugendlichen zeichnen ein anderes Bild. Sie beschreiben Eltern und andere Familienmitglieder – ähnlich ihren einheimischen Peers – als unverzichtbare, wertvolle Ressourcen, ohne Defizite zu negieren, und verweisen auf ein hohes innerfamiliales Kompensationspotenzial. Dementsprechend binden sie familiale Akteure intensiv als Unterstützer in ihre Übergangsprozesse ein. Daraus lässt sich die Forderung ableiten, Eltern als wirkungsmächtige Akteure im Übergang stärker zu beachten.

Institutionelle Unterstützung muss komplementär zu familialen Hilfen und in ressourcenorientierter, anerkennender Kooperation mit Eltern erfolgen. Dazu gehört auch, Eltern in ihrer Beratungskompetenz zu stärken, ohne von ihnen abzufordern, zu Übergangsexperten zu werden. (…)

Jugendliche brauchen niedrigschwellige, lebensraumnahe Zugänge zu institutioneller Hilfe, die auch in nachgelagerten Orientierungsphasen (z.B. nach Abbrüchen) noch greift. Hierfür benötigen sie zeitlich entgrenzte, abrufbereite Unterstützung, beispielsweise durch kontinuierliche persönliche Ansprechpartner wie Ausbildungspaten und Mentoren. (…)“

Den Beitrag von Tabea Schmlimbach in vollem Umfang lesen Sie über aufgeführten Link.

Link: DJI Top Thema Migrationsspezifika beim Überbergang

Quelle: DJI

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