Regelungen für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge weiterentwickeln

Elf Jahre nach seiner Einführung steht das SGB II im Kontext von steigender Komplexität, Migration, Internationalisierung und Digitalisierung vor wachsenden Herausforderungen. Der Entwurf eines 9. SGB-II-Änderungsgesetzes greift eine Reihe von Vorschlägen zur Rechtsvereinfachung auf, ist aber im Hinblick auf die Vereinfachung der Verfahren und Abläufe in den Jobcentern noch nicht ausreichend. Gerade der in den kommenden Jahren zu erwartende stark steigende Zugang von Asylberechtigten und Flüchtlingen in das SGB II erhöht den Bedarf für eine Überarbeitung und Weiterentwicklung der bestehenden Regelungen.

Vereinfachung und ganzheitlicher Beratungs- und Integrationsprozess

Die Regelungen nach dem SGB II müssen dringend weiter entwickelt und an aktuelle Aufgaben und Problemstellungen angepasst werden. Dazu haben die Bundesagentur für Arbeit, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städtetag als Träger der Jobcenter ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht. Es enthält Vorschläge, wie der notwendigen besseren Förderung von Langzeitarbeitslosen sowie der stark wachsenden Anzahl von Flüchtlingen und Asylberechtigten innerhalb des SGB II entsprochen werden kann. Außerdem benennt es Möglichkeiten zur Entlastung der Jobcenter sowie zur Vereinfachung der Verfahren im SGB II und gibt Anregungen für eine effizientere Bearbeitung. Um Menschen in den Jobcentern intensiver betreuen zu können, sollte das SGB II über die aktuell bereits vom Bundesarbeitsministerium angekündigten Reformen hinaus weiter vereinfacht werden. Viele Regelungen im SGB II sorgen für einen zu hohen Verwaltungsaufwand. Mit Blick auf die möglichst schnelle Integration der Vielzahl anerkannter Flüchtlinge und Asylbewerber enthält das Positionspapier den Vorschlag, die Sprachkurse zur berufsbezogenen Sprachförderung künftig vom Bundesamt für Migration auf die Jobcenter zu übertragen. Favorisiert wird zudem ein ganzheitlicher Beratungs- und Integrationsprozess, angefangen von der Qualifikationsfeststellung und der Hilfe bei der Anerkennung von berufsqualifizierenden Abschlüssen über die Sprachförderung bis hin zum Aufbau weiterer beruflicher Qualifikationen und der Heranführung an den hiesigen Arbeitsmarkt, z. B. durch Praktikumsplätze und Beschäftigungsmaßnahmen.

Die Bundesagentur für Arbeit, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städtetag schlagen weitere SGB-II-Änderungen vor. Auszüge aus dem Positionpapier „Weiterentwicklung des SGB II“:

„(…) Sozialer Arbeitsmarkt

  • Ein Sozialer Arbeitsmarkt mit öffentlich geförderter Beschäftigung ist in Anbetracht des
    hohen Anteils von Leistungsberechtigten im SGB II, die keine unmittelbare Aussicht auf
    reguläre ungeförderte Beschäftigung haben und häufig lange Zeit im Leistungsbezug sind,
    unerlässlich. Der Soziale Arbeitsmarkt muss weiter ausgebaut werden, um arbeitsmarktpolitische Handlungsmöglichkeiten für die Jobcenter zu eröffnen, die an Beschäftigung heranführen, Qualifizierungselemente enthalten und nicht in marktfernen Bereichen verbleiben.
  • Der Gesetzgeber muss den Jobcentern SGB II-spezifische Instrumente an die Hand geben,
    um sinnvolle und flexible Handlungsmöglichkeiten für die betroffenen Leistungsberechtigten
    zu eröffnen. Hierzu gehören einfache Instrumente ohne zu enge oder zu starre
    Voraussetzungen. (…)

Finanzausstattung

  • Die Jobcenter benötigen für ihre anspruchsvolle und herausfordernde Tätigkeit im Interesse der Leistungsberechtigten eine auskömmliche Finanzausstattung. Dies betrifft sowohl
    die Eingliederungsmittel als auch die Verwaltungskosten. Der Umfang der vom Bund zur Verfügung gestellten Eingliederungsmittel bestimmt die Möglichkeiten der Leistungsberechtigten, sich in Maßnahmen zu qualifizieren und sich letztlich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Gleiches gilt für die Verwaltungsmittel, von deren Auskömmlichkeit es abhängt, in welcher Intensität sich die Mitarbeiter des Jobcenters mit den individuellen Problemlagen des Einzelnen befassen und Lösungen entwickeln können. Die intensive Beratung bis hin zum persönlichen Coaching stellt zwar Verwaltungshandeln dar, ist aber eine zielgruppenspezifische und passgenaue Unterstützung für viele arbeitsmarktferne Arbeitslose, die komplexe individuelle Problemlagen haben. (…)
  • Um den Jobcentern eine vernünftige Planung zu ermöglichen, dürfen die Mittel nicht nur für ein Jahr feststehen, sondern müssen längerfristig planbar sein. Unbeschadet des nicht hinterfragten Jährlichkeitsprinzips des Haushalts ist es erforderlich, den Jobcentern für das Folgejahr eine belastbare Zusicherung der zur Verfügung stehenden Mittel zu geben. Dies schließt die Einräumung von zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungen über das Jahr hinaus ein. (…)

Flüchtlinge

  • (…) Bei dem großen Personenkreis der nun dazukommenden Asylberechtigten und Flüchtlinge zeigt sich die Besonderheit, dass die Kenntnis der deutschen Sprache wenn überhaupt, dann bestenfalls rudimentär vorhanden ist und vielfach auch die Kenntnis der lateinischen Schrift fehlt. Eine berufsbezogene Sprachförderung kommt oftmals einer allgemeinen Sprachförderung gleich. Derzeit melden die Jobcenter aufwendig die Teilnehmer für die ESF-BAMF-Sprachkurse an die Sprachkursträger, die vom BAMF beauftragt wurden. Dadurch ergeben sich Verzögerungen und Schwierigkeiten bei der Kursinitiierung und Probleme mit der teilnehmerspezifischen Ausrichtung der Kurse. Es wird vorgeschlagen, die Bewirtschaftung der Sprachkurse zur berufsbezogenen Sprachförderung auf die Jobcenter zu übertragen. (…)
  • (…) Neben einer breit angelegten, verpflichtenden und qualitativ hochwertigen Sprachförderung benötigt diese Personengruppe auch Unterstützung bei der Qualifikationsfeststellung und der Anerkennung von berufsqualifizierenden Abschlüssen. Der Aufbau weiterer beruflicher Qualifikationen und die Heranführung an den hiesigen Arbeitsmarkt, z. B. durch Praktikumsplätze, Bewerbungscoaching und Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen, muss als ganzheitlicher Ansatz für die Gruppe der anerkannten Flüchtlinge und Asylberechtigten entwickelt werden. Bei mangelnder Mitwirkung kommen die Sanktionsvorschriften des SGB II zum Tragen. Flüchtlinge sind verpflichtet, die ihnen unterbreiteten Angebote der Jobcenter anzunehmen. Hinweise auf Chancen und Pflichten müssen Gegenstand des Beratungs- und Integrationsprozesses sein. (…)
  • Bei der wachsenden Gruppe von Asylberechtigten und Flüchtlingen ist unter Umständen eine höhere Mobilität zu erwarten, die zu vermehrten Umzügen der Leistungsberechtigten führen kann. Dies birgt die Gefahr von doppelten Leistungen und Beitragszahlungen und führt zu aufwendigeren Bearbeitungsverfahren. Erforderlich ist der Austausch der personenbezogenen Leistungsdaten unmittelbar zwischen den betroffenen Jobcentern. Hierzu bedarf es einer gesetzlichen Regelung im SGB II. (…)“

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

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