Auszüge aus Forderungspapier JugendARMUT- NEIN DANKE.:
“ … Jugendarmut ist kein privates Defizit oder persönliches Verschulden. Jugendarmut entsteht nicht von selbst, sondern ist das Produkt komplexer sozialer, politischer und ökonomischer Prozesse unserer Gesellschaft.
Jugendarmut ist kein vorübergehendes Phänomen, welches sich ohne entsprechende Weichenstellung nach einer bestimmten Zeit auflöst. Die Lage verbessert sich auch nicht mit zunehmendem Alter der Betroffenen.
Jugendarmut ist nicht nur ein Mangel an finanziellen Ressourcen. Sie ist mehrdimensional und führt zu vielfacher Diskriminierung. Armut im Jugendalter bedeutet eine Beeinträchtigung der Bildungs- und Entwicklungschancen – mit negativen Folgen für die einzelne Person aber auch die Gesellschaft insgesamt.
Nicht beachtete Jugendarmut wird mit allen negativen Folgen für die Gesellschaft und den Einzelnen an die nächste Generation vererbt.
Deshalb muss ein effizientes System von Leistungen bereitgestellt werden, das Armut und Armutsrisiken für Mädchen und Jungen, junge Frauen und junge Männer in prekären Lebenslagen minimiert. Ein zentraler Baustein ist dabei die Jugendsozialarbeit. Sie ist gekennzeichnet durch Ganzheitlichkeit im Hilfeansatz, die deutlich über eine reine berufliche Qualifizierung hinausgeht, durch Niederschwelligkeit des Zugangs, durch Ressourcenaktivierung und das Ermöglichen von Erfolgserlebnissen. Sie ist getragen von Respekt vor den Jugendlichen und muss im Sinne von ernst gemeinter Partizipation die Jugendlichen an ihrem Integrationsprozess beteiligen.
JUNGE MENSCHEN BRAUCHEN …
1. … gesicherte materielle Rahmenbedingungen und Grundlagen für ein gesundes Aufwachsen.
Junge Menschen brauchen eine gesicherte materielle Grundausstattung und ein förderndes und wertschätzendes Umfeld, um frei von Existenzangst aufwachsen und lernen zu können. Derzeit ist der Regelsatz junger Menschen nicht an deren Bedarfen orientiert. Jugendliche sind im SGB II besonders oft von Sanktionierung betroffen. Häufig haben junge Menschen in Bedarfsgemeinschaften vor allem in kinderreichen Familien nicht genügend Wohnraum für eine altersgerechte Entwicklung. Sie brauchen einen eigenen Platz zum Lernen in der elterlichen Wohnung, um ihre Lernziele erreichen zu können. Derzeit sind junge Menschen in der Wahl ihres Wohnortes eingeschränkt. Gerade für die Zielgruppe der Jugendsozialarbeit bewirkt das meist konfliktträchtige soziale Umfeld eine Problemverschärfung, die blockierend auf mögliche Entwicklungsschritte wirkt. …
WIR FORDERN:
Materielle Absicherung
## Aufhebung der scharfen Sanktionierung von Jugendlichen im Rahmen des SGB II und Schaffung von Möglichkeiten, durch die Jugendliche Finanzkompetenz erlernen können (Umgang mit Geld und Zugang zu materiellen Ressourcen) …
## Die Umsetzung des Art. 11 des Sozialpaktes, der jedem Menschen das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard zusichert
## Kostenfreies und gesundes Essen in Schulen und Ausbildungseinrichtungen
## Ausbau von gesundheitlicher Bildung und niedrigschwelligen
Gesundheitsangeboten im Sinne von Prävention
## Preisgünstiger Wohnraum, der nicht in sozialen Brennpunkten konzentriert ist
## …
2. … Bildung und Ausbildung
… In Deutschland haben überdurchschnittlich viele Menschen keine abgeschlossene Berufsausbildung und kein Abitur. Beides wird als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Erwerbsbiografie angesehen. Junge MigrantInnen haben besonders hohe Quoten von Schulabbrüchen und geringe Übergänge in Ausbildung. Bildung wird als „der Schlüssel“ für den Weg aus Armut betrachtet. Bildung gelingt jedoch nicht voraussetzungslos und Bildung ist mehr als das, was Schule bietet und bieten kann. Fehlt es an einer wertschätzenden Erziehung und Möglichkeiten, soziale Kompetenzen, Wissen und eine Qualifikation zu erwerben, so entsteht Bildungsarmut, die mit einem Mangel an Lebenskultur, Selbstbestimmung und Selbstachtung einher geht. …
WIR FORDERN:
Die Umsetzung des Rechts auf Bildung
## Die Verknüpfung von non-formaler und formaler Bildung für ganzheitliche Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten Lernen mit Kopf, Herz und Hand ist ein konzeptioneller Ansatz der geeignet ist, Chancen auf ein gelingendes Leben zu eröffnen. Hilfreich ist dafür gemeinschaftliches, ganztägiges Lernen in und außerhalb der Schule.
## Die Reform des Schulsystems Ziel ist eine inklusive Schule, die alle jungen Menschen befähigt – mit ihren individuellen Fähigkeiten – selbständig ihr Leben zu gestalten, die Schüler und Schülerinnen mit ihren eigenständigen Anliegen und als MitgestalterInnen des Systems
ernst nimmt.
## …
## Frühzeitiges Kennenlernen der Berufs- und Arbeitswelt: Erweiterung der Lehrpläne an ALLEN Schulen um berufs- und lebenspraktische Themenfelder
## Berufsorientierung in allen Schulen ab Klasse 7
## Eine wechselseitige Verpflichtung von Schulen, Handwerk und Wirtschaft zur Kooperation
## die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen und Arbeitsplätzen, die Mädchen und Jungen erlauben, ihre Neigungen und Fähigkeiten einzubringen
3. …soziale Teilhabe
Junge Menschen brauchen Freiheit und individuelle Entwicklungschancen, brauchen das Erlebnis „dazuzugehören“. Notwendig dazu sind Freiräume, Autonomie und Erlebnismöglichkeiten, damit sich ihre Persönlichkeit entwickeln und entfalten kann. Dies ist in unserer Gesellschaft häufig an materielle Ressourcen gebunden. Junge Menschen in Armut erleben immer wieder, ausgeschlossen zu sein oder zu werden. …
WIR FORDERN:
## Ausgleich von Ungleichheiten und die offensive Förderung von Mädchen und Jungen aus sozialen Brennpunkten
## Verbesserungen der Rechte von Flüchtlingen
4.… verlässliche Beziehungen und kompetente Bezugspersonen
Junge Menschen brauchen Eltern oder andere verlässliche Bezugspersonen, die ihnen die notwendige Begleitung und Unterstützung für die Persönlichkeitsentwicklung, für das Lernen und für den Entstieg in Ausbildung und Beruf bieten können. In ihren Familien erleben benachteiligte Jugendliche in vielen Fällen Erwachsene, die … oft so sehr von der Lösung ihrer eigenen Probleme in Anspruch genommen, dass sie ihren Kindern nicht in jeder Situation verlässliche BegleiterInnen sein können, sind. …
WIR FORDERN:
Unterstützung und Begleitung von Familien und jungen Menschen durch
## Aufsuchende Erziehungsberatung und Familientherapie
## …
## Ausbau von (begleiteten und langfristigen) „PatInnen-Projekten“ zur ergänzenden Unterstützung der jungen Menschen im Übergang
## Gut ausgebildetes Fachpersonal, das fest angestellt ist
## Die Angebote der Jugendsozialarbeit gem. § 13 SGB VIII für junge Menschen sind so zu stärken, dass die jungen Menschen verlässlich in ihrem Prozess der beruflichen und gesellschaftlichen Integration begleitet werden können /ihrer drohenden gesellschaftlichen und beruflichen Ausgrenzung verlässlich entgegengewirkt werden kann
5. … bedarfsgerechte Hilfen, unbürokratische Unterstützung und verlässliche Förderperspektiven
Junge Menschen brauchen Konzepte abgestimmten Handelns, die in einem angemessenen Zeitrahmen für sie nachvollziehbare Ziele verfolgen.
Derzeit durchlaufen viele von Armut betroffene junge Menschen die verschiedensten Maßnahmen, die oft nicht aufeinander aufbauen und wenig miteinander zu tun haben. Im bestehenden Maßnahmedschungel gehen die Anliegen und Perspektiven der Jugendlichen verloren. Frustration und Verweigerung sind vielfach die Folge. …
Wir fordern:
eine bessere Abstimmung der Angebote aufeinander und eine nachhaltige zielgruppenspezifische Ausrichtung
## Schwerpunkte, die eindeutig im Bereich des Förderns gesetzt werden und das Fordern in den Dienst des Förderns stellen
## Beteiligung von Jugendlichen bei der Ausgestaltung von Hilfen und bei der Entwicklung jugendspezifischer Angebote
## …
## Eine kommunale Jugendhilfeplanung, die eine bedarfsgerechte fördernde Begleitung der jungen Menschen sichergestellt
## …
6. … individuelle Förderung, die die Vielfältigkeit der Lebenslagen berücksichtigt
…
Jungen zeigen derzeit Aufholbedarf im schulischen Lernen. Mädchen werden weiterhin strukturell benachteiligt. Mädchen und Jungen brauchen gezielte Unterstützung für die Berufs- und Lebensplanung. Junge Flüchtlinge stehen strukturellen Hemmnissen gegenüber, die ihnen Bildung und Ausbildung erschweren (bzw. unmöglich machen). Die Nichtanerkennung von ausländischen Abschlüssen schafft sozialen Abstieg und Misserfolgserlebnisse von zugewanderten jungen Menschen. Diskriminierungen in Schule und Wirtschaft sind nicht überwunden. …
Wir fordern
…
## Anerkennung ausländischer Zeugnisse und Abschlüsse
## …
## Ein Bleiberecht für jugendliche Flüchtlinge
## Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und adäquate Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie
## Vollumfängliche Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und entsprechende gesetzliche Änderungen in Bezug auf die Rechte und die Förderung der Entwicklung junger Flüchtlinge …“
www.bagejsa.de
Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit