Der Modellversuch „Ausbildung in Vielfalt“ – Für das Jugendwohnen eine gute Bilanz nach einem Jahr

Im Laufe der dreijährigen Modellversuchslaufzeit sollen möglichst viele Jugendwohnheime untereinander vernetzt werden, um das Angebot Jugendwohnen moderner, vielfältiger und attraktiver zu machen. Gleichzeitig sollen mit einer zielgerichteten Öffentlichkeitsarbeit insbesondere kleine und mittlere Betrieben (KMU) verstärkt auf die Chancen, welche das Jugendwohnen für die Fachkräftesicherung bietet, aufmerksam gemacht werden.

Im ersten Jahr wurden mit den an dem Modellversuch beteiligten Jugendwohnheimen und deren Leitern in Erfurt, Geradstetten, Koblenz, Köln, Landshut, Oldenburg, Schweinfurt und Würzburg zunächst die lokalen und regionalen Netzwerkstrukturen vor Ort analysiert sowie wenn nötig Verbesserungsvorschläge unterbreitet.

Desweiteren, ausgehend von den bisherigen Gesprächen in den Partnereinrichtungen und jenen vonseiten der Einrichtungsleitung geäußerten Bedarfen (Berufswahlprozess, Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationsmöglichkeiten, Konzepttransfer), sind Ideen zur Unterstützung für diese entwickelt, mögliche Kooperationspartner und Anbieter bestimmter Service-Leistungen recherchiert sowie in ständiger Rückkopplung mit den Jugendwohnheimen auch erste Konzepte entwickelt und modellhaft erprobt worden.

Darüber hinaus wurden überregionale Kontakte zu Kammern, Innungen, Maßnahmeträgern der Bildungsketten, Wissenschaftler/-innen aus den Bereichen Berufsbildung, Mobilitätsforschung und Jugendsozialarbeit, dem Zentrum für Türkeistudien und Integration sowie den Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agenturen für Arbeit aufgenommen.

Jugendwohnen ist trotz seiner langen Tradition noch immer eine innovative Antwort auf die familien- und arbeitspolitischen Fragen dieser Zeit. Insbesondere dann, wenn Ausbildungsplätze am Heimatort rar sind, war und ist Jugendwohnen im wahrsten Sinne des Wortes wegweisend.

Um auch interkulturelle Personengruppen zum Jugendwohnen und hier zunächst explizit türkischstämmige MigrantInnen zu erschließen, ist auch mit der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) Kontakt aufgenommen und der Modellversuch vorgestellt worden. Prioritär sind im Falle der Ansprache stets türkische Multiplikatoren (türkische Lehrer, türkische Schul-/Sozialarbeiter etc.), denn auch die Heterogenität der türkischstämmigen Migranten ist gegenwärtig sehr ausgeprägt. Infolgedessen ist eine Pressemitteilung an das ZfTI gesendet worden, welche in die türkische Sprache übersetzt und schließlich herausgegeben wurde. Im Januar 2012 erschien infolgedessen in den türkischen Tageszeitungen Hürriyet und Türkiye ein Bericht über den Modellversuch sowie zum Jugendwohnen.
Alle sechs, der in 2011 an dem Modellversuch beteiligten Einrichtungen waren in Bezug auf ihre Bedarfe, Belegsstruktur und inhaltlichen Angebote befragt worden; es sind zudem sowohl Berufsberatungen mit Jugendlichen in Jugendwohnheimen als auch Befragungen in einzelnen Ausbildungsbetrieben aufgrund der im Modellversuch entwickelten Fragebögen bundesweit erfolgt.
Um zu möglichst validen, stichhaltigen und vergleichbaren Ergebnissen zu gelangen, ist den BewohnerInnen in den Jugendwohnheimen zunächst ein 20-seitiger Fragebogen zur Schul-, Bildungs- und Familienbiographie sowie zu Lerntypus, Verhaltensmustern, Wertvorstellungen und schließlich allgemeinen wie beruflichen Interessen unterbreitet worden. Die dabei festgestellten Bedarfe der Jugendlichen, wurden dann in den biographisch-narrativen Interviews einzeln besprochen und vor dem Hintergrund der beruflichen Interessen einer kritischen Bewertung unterzogen.
So konnten nicht nur bei nahezu allen TeilnehmerInnen Bedarfe in Bezug auf Zeitmanagement, Informations-, Planungs- und Organisationskompetenz, sondern auch Zukunftsängste in Bezug auf die künftige Lebensgestaltung festgestellt werden.
Umgekehrt konnte aufgrund einer Befragung des Fachpersonals in den Jugendwohnheimen ermittelt werden, dass der Förderbedarf von jungen Menschen im Wesentlichen in den Bereichen der (schulischen) Bildung, Freizeitgestaltung, sozialen Kompetenzen und allgemeinen Motivation gesehen wird. Im Rahmen des Modellversuchs können infolgedessen nun auch hier gezielt Angebote zu diesen Themenbereichen gesammelt und entwickelt werden.
Umgekehrt wird für Ausbildungsbetriebe die Gefahr eines Ausbildungsabbruchs infolge beruflicher Klarheit reduziert, denn auf die Frage, welche Informationen sich Unternehmen in Bezug auf den Ausbildungsmarkt wünschen, gaben branchenunabhängig 50% „eine Stärkung des Berufswahlprozesses“ an. Eine Berufswahl wiederum, welche objektiv und damit abgestimmt auf den entsprechenden Beruf erfolgt, erhöht folgerichtig die „Sicherstellung des Fachkräftenachwuchses“, den mit 50% exakt dieselbe Anzahl jener an der KMU-Umfrage teilnehmenden Betriebe nannten.

Sämtliche zum Schluss der KMU-Befragung erhobenen Items, wie z.B. „Maßnahmen zum Ausbildungserfolg junger Menschen“, Pädagogische Begleitung während der Ausbildung“, Stärkung des Berufswahlprozesses“ oder „Jugendmobilität“, sind zentrale Bestandteile des Jugendwohnens, was aber -und dies herauszustellen war auch ein Zweck dieser Befragung- den Betrieben nicht bekannt ist.

Dies bestätigte ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Jugendwohnen ist 79% der befragten KMU kein Begriff.

Umso wichtiger ist es daher, Jugendwohnen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt durch entsprechende Netzwerke und Multiplikatoren weiter zu verorten sowie diesem Informationsmangel zusätzlich durch gezielte Medienarbeit entgegen zu wirken, denn das Hauptziel dieses Projekts ist, dass möglichst viele Ausbildungsbetriebe und junge Menschen über den Abschluss des Modellversuchs hinaus bundesweit profitieren. “

www.kolpinghaeuser.de

Quelle: Verband der Kolpinghäuser

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