Jugendarmut ist weit mehr als ein finanzielles Problem

Kurzfrstige Projektförderung ist kontraproduktiv
Mit ihrer Initiative Jugend(ar)mut macht die BAG KJS sich dafür stark, die Lebensbedingungen junger Menschen zu verbessern. Auch von Armut betroffene Jugendliche wollen ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben gehen. Dazu bedürfen sie gerechterer Chancen für eine gesellschaftliche Teilhabe. Kurzfristige Projektförderungen sind bei der Unterstützung dieser Personengruppe kontraproduktiv. Der Vorsitzende der BAG KJS, Simon Rapp, warnte die Politik davor, Jugendarmut in erster Linie als finanzielles Problem zu begreifen. Zu Armutserfahrungen bei jungen Menschen zählen vor allem emotionale und soziale Armut. Junge von Armut betroffene Menschen benötigen eine langfristige und zuverlässige Unterstützung. So können verlässliche Beziehungen entwickelt werden und es gelingt realistische Ziele für das eigene Leben zu entwickeln und zu erreichen.

Es braucht den gesellschaftlichen Willen zur Veränderung
Die Jugendarmutskonferenz 2013 reflektierte, was die unterschiedlichen Akteure im Kampf gegen Jugendarmut bewirken können. Im Gesamtergebnis wird deutlich, es braucht in erster Linie den gesamtgesellschaftlichen Willen, allen jungen Menschen Mut zum selbstständigen Gestalten ihrer Zukunft zu machen. Und die Bereitschaft, Jugendliche in ihren vielfältigen Lebenslagen wahrzunehmen und anzuerkennen.

Carola Schmidt von der „Nationalen Armutskonferenz“ empfahl, den Sanktionsdruck bei öffentlichen Hilfen wie Hartz IV zu verringern, um den Kontakt zu betroffenen Jugendlichen nicht zu verlieren. Der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy mahnte zu einer stärkeren Vernetzung der Jugendhilfe, damit Problemfälle nicht so leicht wie bisher aus dem Blick gerieten.

Der BAG KJS Vorsitzende Rapp kritisierte den steigenden Leistungsdruck in der Schule und appellierte an die kirchliche Jugendarbeit verstärkt Freiräume zu eröffnen, in denen Jugendliche sich frei entfalten könnten.

Rapps Amtsvorgänger, Salesianerpater Franz-Ulrich Otto, bezeichnete die Suche nach Wertschätzung als wesentliches Merkmal von Armut betroffener junger Menschen. Der Jesuitenpater und Sozialethiker Friedhelm Hengsbach warnte die Jugendsozialarbeit vor dem Druck aus der Politik, vorrangig die Integration ihrer Klienten in den Arbeitsmarkt anzustreben.

In dem Kommuniqué „Gemeinsam Ausgrenzung verhindern.“ formuliert die Jugendarmutskonferenz notwendige Bedingungen und Handlungsansätze um wirksam Jugendarmut bekämpfen zu können.

Auszüge aus dem Kommuniqué „Gemeinsam Ausgrenzung verhindern.“:
Lebenslage Jugendarmut
Junge Menschen wollen und müssen ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben finden. Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt jedoch, dass vor allem junge Menschen überdurchschnittlich stark von Armut betroffen und von Teilhabe ausgeschlossen sind. Neben den finanziellen Aspekten, die Armut beschreibbar machen, erfahren junge Menschen heute auch soziale und emotionale Belastungen, die gesellschaftliche Teilhabe erheblich erschweren. Diese Dimensionen von Armut werden oft nicht erkannt. Durch wiederkehrende Erfahrungen, nicht gebraucht zu werden, ausgegrenzt zu sein, oder keine Wertschätzung zu erfahren, ist das Leben dieser jungen Menschen häufig von Motivationslosigkeit und einer mangelnden Perspektive geprägt. Ziel muss es jedoch sein, allen jungen Menschen Orientierung zu geben und sie zu befähigen, ihr Leben aktiv zu gestalten.

Initiative Jugend(ar)mut
Mit ihrer Initiative Jugend(ar)mut lenkt die BAG KJS die gesellschaftspolitische Wahrnehmung auf die von Armut bedrohten oder betroffenen Jugendlichen. Sie gibt ihnen und ihren Bedürfnissen Gesicht und Stimme. Denn wo Sinnleere und Wertearmut vorherrschen, bietet Jugendsozialarbeit in katholischer Trägerschaft Orientierung und unterstützt bei der Entwicklung sinnstiftender Lebensentwürfe.

In der Praxis der Jugendsozialarbeit begegnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer häufiger jungen Menschen mit emotionalen und materiellen Armutserfahrungen. Insbesondere bei Arbeitslosigkeit, Überschuldung oder Wohnungslosigkeit ist Unterstützung notwendig. Basierend auf der Expertise der Teilnehmenden der Jugendarmutskonferenz 2013 sowie der fachlichen Impulse wurden folgende gesellschaftspolitische Anforderungen formuliert:

Arbeitslosigkeit
Die Jugendsozialarbeit steht arbeitslosen Jugendlichen anwaltschaftlich beiseite und hilft ihnen mit einer ganzheitlichen Beratung eine persönliche Lebensperspektive aufzubauen. In einer Gesellschaft, in der Erwerbsarbeit ein wichtiges Kriterium für soziale Integration darstellt, erleben junge Menschen ohne Ausbildung oder qualifizierte Arbeit ihr Leben häufig als sinnentleert. Es fehlt ihnen an Wertschätzung, Anerkennung und der Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Jugendsozialarbeit begleitet die Jugendlichen dabei, die eigene Persönlichkeit nachhaltig zu stärken und die vorhandenen Talente zu fördern. Dies benötigt verlässliche und langfristige Angebote sowie Förderstrukturen.

Überschuldung
Die finanzielle Ausgangslage darf die Entwicklung und Zukunftsperspektiven junger Menschen nicht beeinträchtigen. Die Jugendsozialarbeit öffnet betroffenen jungen Menschen deshalb nicht nur Wege zur Entschuldung, sondern bietet auch qualitative Beratung und Betreuung an, um vor Überschuldung zu bewahren. Die individuelle Förderung der Finanzkompetenz von Jugendlichen muss gezielt weiterentwickelt werden. Es ist Aufgabe von Gesellschaft und Staat, einer frühen Verschuldung junger Menschen vorzubeugen.

Wohnungslosigkeit
Wohnungslosigkeit junger Menschen ist häufig bedingt durch Flucht vor Gewalt, Nichtbeachtung und fehlender Zuwendung. Wohnungslose junge Menschen erleben innerlich und äußerlich Ausgrenzung und Verstoßung in einer Lebensphase, in der sie höchster Gefährdung ausgesetzt sind. Um gesellschaftliche Teilhabe und eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen, brauchen wohnungslose Jugendliche verlässliche Angebote, die sie als Persönlichkeit annehmen und sie Wertschätzung und Heimat erfahren lassen.
Eine verbindliche Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure über Rechtskreiszugehörigkeit hinweg unter Einbezug der öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe ist erforderlich. Die Jugendsozialarbeit bringt sich in Netzwerke vorhandener Hilfeangebote ein oder initiiert solche, damit Wohnungslosigkeit nicht zu verstetigter Heimatlosigkeit wird.

Jugendmut – eine gesellschaftliche Aufgabe
Ziele für das eigene Leben zu entwickeln und gleichzeitig genügend Motivation aufzubringen, diese zu verwirklichen, ist für junge Menschen mit Armutserfahrungen eine enorme Herausforderung. Für Viele ist dieser Prozess mit der Volljährigkeit noch nicht abgeschlossen. Um diese Menschen adäquat unterstützen zu können, bedarf es einer langfristigen und nachhaltigen Finanzierung von Angeboten. Kurzfristige Projektförderungen sind bei der Unterstützung dieser Personengruppe kontraproduktiv und verhindern den Aufbau verlässlicher Beziehungen, die für eine erfolgreiche Arbeit unerlässlich sind.

Vor allem aber braucht es das Bewusstsein für die Lebenslage betroffener junger Menschen und den gesamtgesellschaftlichen Willen, von Jugendarmut betroffenen Menschen, Mut zum selbstständigen Gestalten ihrer Zukunft zu machen.“

www.jugendarmut.info
www.facebook.com/bagkjs

Quelle: BAG KJS; KNA

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