Ein „mangelhaft“ für Deutschland in der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Auszüge aus den Bewertungen des UN-Ausschusses über die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention – basierend auf dem von Deutschland eingereichten Staatenbericht:
„(…) Hauptproblembereiche und Empfehlungen
Allgemeine Grundsätze und Verpflichtungen
(…)## Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass Menschen mit Behinderungen die sinnstiftende und wirksame Partizipation an ihr Leben berührenden Entscheidungen nicht garantiert wird und dass es Defizite bei der barrierefreien Kommunikation gibt. Er ist außerdem besorgt über die mangelnde Klarheit bezüglich der jeweiligen Rollen und Funktionen bei Umsetzung des Übereinkommens.
## Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat die Entwicklung von Rahmen für die inklusive, umfassende und transparente Partizipation von Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten (Selbstvertretungsorganisationen), einschließlich derjenigen, die intersektioneller Diskriminierung ausgesetzt sind, bei der Verabschiedung von Rechtsvorschriften, Konzepten und Programmen zur Umsetzung und Überwachung des Übereinkommens. Außerdem empfiehlt er dem Vertragsstaat, Mittel bereitzustellen, um die Beteiligung der Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten, insbesondere von kleineren Selbstvertretungsorganisationen, zu erleichtern. (…)
Spezifische Rechte – Frauen mit Behinderungen ## Der Ausschuss ist besorgt über die ungenügenden Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung einer Mehrfachdiskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, insbesondere von Migrantinnen und weiblichen Flüchtlingen, und über die unzureichende Sammlung einschlägiger Daten.
## Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat, (a) Programme für Frauen und Mädchen mit Behinderungen, insbesondere Migrantinnen und weibliche Flüchtlinge, durchzuführen, einschließlich Fördermaß-nahmen zur Beseitigung von Diskriminierung in allen Lebensbereichen; (b)systematisch Daten und Statistiken über die Situation von Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu erheben, mit Indikatoren zur Bemessung intersektioneller Diskriminierung, und in seinen nächsten periodischen Bericht analytische Angaben hierzu aufzunehmen.
Spezifische Rechte – Kinder mit Behinderungen ## Der Ausschuss ist besorgt a) darüber, dass Kinder mit Behinderungen nicht systematisch in Entscheidungen, die ihr Leben berühren, einbezogen werden; b) darüber, dass die Eltern von Kindern mit Behinderungen nicht frei über die Art der Bildung und Dienstleistungen für ihre Kinder entscheiden können; c) über den ungleichen Zugang zu Behandlung und Chancen für Kinder mit Behinderungen von Eltern mit Migrations- oder Flüchtlingsgeschichte.
## Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat, (a) Garantien zu verabschieden, um das Recht von Kindern mit Behinderungen zu schützen, zu allen ihr Leben berührenden Angelegenheiten befragt zu werden, unter Bereitstellung behinderungsgerechter und altersgemäßer Assistenz; (b)sicherzustellen, dass alle Kinder mit Behinderungen in Rechtsvorschriften, Konzepten und Maßnahmen nach dem Prinzip der Chancengleichheit und der Inklusion in die Gemeinschaft Berücksichtigung finden, mit besonderem Augenmerk auf Kinder mit Behinderungen von Eltern mit Migrations- oder Flüchtlingsgeschichte.
Spezifische Rechte – Bewusstseinsbildung ## Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass die von dem Vertragsstaat getroffenen Maßnahmen zum Abbau der Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen, insbesondere von Menschen mit psychosozialen und/oder geistigen Behinderungen, wirkungslos geblieben sind.
## Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat, in Abstimmung mit den Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten , (a) eine Strategie zur Bewusstseinsbildung und zur Beseitigung der Diskriminierung zu entwickeln und dabei sicherzustellen, dass ihre Erarbeitung und Umsetzung auf wissenschaftlich fundierter Grundlage erfolgt, dass ihre Wirkung messbar ist und dass die öffentlichen und privaten Medien beteiligt werden; (b)sicherzustellen, dass bewusstseinsbildende und menschenrechtsbasierte Schulungsprogramme für alle an der Förderung, dem Schutz und/oder der Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen beteiligten öffentlichen Bediensteten bereitgestellt werden. (…)
Spezifische Rechte – Bildung ## Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass der Großteil der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in dem Bildungssystem des Vertragsstaats segregierte Förderschulen besucht.
## Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat, (a) umgehend eine Strategie, einen Aktionsplan, einen Zeitplan und Zielvorgaben zu entwickeln, um in allen Bundesländern den Zugang zu einem qualitativ hochwertigen, inklusiven Bildungssystem herzustellen, einschließlich der notwendigen Finanzmittel und des erforderlichen Personals auf allen Ebenen; (b)im Interesse der Inklusion das segregierte Schulwesen zurückzubauen, und empfiehlt, dass Regelschulen mit sofortiger Wirkung Kinder mit Behinderungen aufnehmen, sofern dies deren Willensentscheidung ist; (c)dafür Sorge zu tragen, dass auf allen Bildungsebenen angemessene Vorkehrungen bereitgestellt werden und vor Gericht rechtlich durchsetzbar und einklagbar sind; (d) die Schulung aller Lehrkräfte auf dem Gebiet der inklusiven Bildung sowie die erhöhte Barrierefreiheit des schulischen Umfelds, der Schulmaterialien und der Lehrpläne und die Bereitstellung von Gebärdensprache in den regulären Bildungseinrichtungen, einschließlich für Postdoktoranden, sicherzustellen.
Spezifische Rechte – Arbeit und Beschäftigung ## Der Ausschuss ist besorgt über (…) den Umstand, dass segregierte Behindertenwerkstätten weder auf den Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten noch diesen Übergang fördern.
## Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat, durch entsprechende Vorschriften wirksam einen inklusiven, mit dem Übereinkommen in Einklang stehenden Arbeitsmarkt zu schaffen, durch (…) (b) die schrittweise Abschaffung der Behindertenwerkstätten durch sofort durchsetzbare Ausstiegsstrategien und Zeitpläne sowie durch Anreize für die Beschäftigung bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern im allgemeinen Arbeitsmarkt; (c) die Sicherstellung, dass Menschen mit Behinderungen keine Minderung ihrer Sozial- und Altersversicherung erfahren, die gegenwärtig an die Behindertenwerkstätten gebunden ist; (…)“

Quelle: DCV; Deutsches Institut für Menschenrechte

Dokumente: CRPD_Abschliessende_Bemerkungen_ueber_den_ersten_Staatenbericht_Deutschlands_ENTWURF.pdf

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