Hilft der Mindeslohn beim Ausstieg aus Hartz IV?

Das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) räumt mit den irreführenden Pressebotschaften auf, die am 21./27. Juni 2015 zur Wirkung des Mindestlohns veröffentlicht wurden:
„„Mindestlohn hilft beim Ausstieg aus Hartz IV“ (SPIEGEL Online), „Mindestlohn hilft beim Ausstieg aus Hartz IV“ (Die Welt), „Hartz IV: Zahl von Empfängern sinkt dank Mindestlohn“ (RP Online). Die Quelle dieser „schönen Schlagzeilen“ vom 21./22. Juni 2015, mit einer weniger eindeutigen Schlagzeile: „Der Mindestlohn wirkt“ (Süddeutsche Zeitung). Natürlich „wirkt der Mindestlohn“ – irgendwie. Aber wie?

Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die ergänzend zum Lohn aus unselbständiger Erwerbstätigkeit auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen sind, ist in den ersten beiden Monaten nach Einführung des Mindestlohnes von 1.157.191 im Dezember 2014 auf 1.114.556 im Februar 2015 gesunken– ein Rückgang um 42.635. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum sank die Zahl der abhängig erwerbstätigen Leistungsberechtigen von 1.186.013 im Dezember 2013 auf 1.168.631 im Februar 2014 – ein Rückgang um lediglich 17.382.

Was in den genannten Pressemeldungen nicht erwähnt wird, ist insbesondere a) die bemerkenswerte Verteilung des Rückgangs der Zahl der abhängig erwerbstätigen Leistungsberechtigten (Arbeitslosengeld II) nach Höhe des Bruttoeinkommens.

Vom Rückgang der abhängig erwerbstätigen Leistungsberechtigten um 42.635 von Dezember 2014 bis Februar 2015 entfielen 28.371 (66,5 Prozent.) auf die Einkommensgruppe bis zu 450 Euro (.), 7.601 auf die Einkommensgruppe 450,01 Euro bis 850 Euro und 6.663 auf die Einkommensgruppe 850,01 Euro und mehr. (jeweils Bruttoeinkommen aus Erwerbstätigkeit) Vom Rückgang um 17.382 ein Jahr zuvor (Dezember 2013 bis Februar 2014) entfielen 6.107 (35,1 Prozent) auf die Einkommensgruppe bis zu 450 Euro, 5.772 auf die Einkommensgruppe 450.01 Euro bis 850 Euro und 5.503 auf die Einkommensgruppe 850,01 Euro und mehr.
Nimmt man die „schönen Schlagzeilen“ ernst, dann hätte der Mindestlohn insbesondere den abhängig erwerbstätigen Leistungsberechtigten mit einen Erwerbseinkommen von bis zu 450 Euro(.) beim „Ausstieg aus Hartz IV geholfen“. Dies kann nicht wirklich ernst genommen werden. Oder sollte es so sein, dass die Einführung des Mindestlohns viele Arbeitgeber veranlasst hat, geringfügig Beschäftigten mit ergänzendem Anspruch auf Arbeitslosengeld II so zu beschäftigen und entlohnen, dass ein ergänzender Bezug von Arbeitslosengeld II entfällt? Wohl kaum.

Die bisher vorliegenden Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (bis Februar 2015) lassen keine ernsthafte Beurteilung des Mindestlohns und seiner u.a. wegen der geringen Höhe und des eingeschränkten persönlichen Anwendungsbereichs (§ 22 MiLoG) begrenzten Wirkung auf die Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II (Hartz IV) zu. Die am 21./22. Juni 2015 weit verbreiteten „schönen Schlagzeilen“ sind (zumindest z.Zt. noch) irreführend.“

Link: www.www.biaj.de.de

Quelle: BIAJ

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