Fast ein Fünftel aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland sind Geringverdiener*innen

Vollzeit arbeiten und trotzdem nur einen Lohn im „unteren Entgeltbereich“ erhalten – für 18,7 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland ist das die Realität. Dies geht aus einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor, die sich auf Entgelt-Daten der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2020 stützt. Insbesondere müssen Frauen, junge Vollzeitbeschäftigte, Beschäftigte mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Personen ohne Berufsabschluss mit einem schmalen Gehalt auskommen. Außerdem befinden sich in den östlichen Bundesländern immer noch deutlich mehr Menschen im Niedriglohnbereich als in den westlichen Bundesländern.

Niedriglohn – Wer ist betroffen?

Wenn von Geringverdiener*innen die Rede ist, geht es um ein Bruttoarbeitsentgelt unter 2284 Euro im Monat. Auch wenn 2011 noch 21,1 Prozent aller Vollzeitbeschäftigen zu den Geringverdiener*innen zählten und es 2020 nur noch 18,7 Prozent waren, sind immer noch zu viele Menschen davon betroffen. 

Die Ausbildung spielt bei der Lohnhöhe ebenfalls eine große Rolle: Der Anteil der Geringverdienenden lag bei Vollzeitbeschäftigten ohne Berufsabschluss bei 40,8 Prozent, bei Beschäftigten mit beruflichem Abschluss bei 17,8 Prozent und bei Personen mit Hochschulzertifikat bei 4,9 Prozent. 

Einkommensunterschiede nach Regionen und Branchen

Niedrige Quoten sind zumeist in Städten bzw. Ballungsräumen zu finden, in denen große Unternehmen im industriellen, im Finanzsektor, im Wissensbereich und die Verwaltung eine wichtige Rolle spielen. In der Statistik mit den höchsten Quoten von Geringverdiener*innen sind derweil ausschließlich Städte und Landkreise in den östlichen Bundesländern zu finden: In Görlitz, dem Saale-Orla-Kreis und dem Erzgebirgskreis arbeiteten 2020 mehr als 40 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltbereich. Im niedersächsischen Wolfsburg waren es dagegen gerade einmal 6,4 Prozent, im bayerischen Erlangen 8,3 Prozent. 

Die meisten Beschäftigen im „unteren Entgeltbereich“ weist das Gastgewerbe aus (68,9 Prozent). Darauf folgt die Leiharbeit (67,9) und die Land- und Forstwirtschaft (52,7). In der Metall- und Elektroindustrie waren es dagegen nur 7,6 Prozent, in der Finanz- und Versicherungsbranche 4,2 Prozent und im öffentlichen Dienst sogar nur 2,5 Prozent der Vollzeitbeschäftigten, die weniger als 2284 Euro brutto verdienten. Das Sozial- (19,5 %) und das Gesundheitswesen (17,8 %) liegen knapp über bzw. knapp unter dem allgemeinen Mittel. 

Welche Daten wurden ausgewertet?

Für die Studie werteten die WSI-Forscher Dr. Eric Seils und Dr. Helge Emmler die aktuellsten verfügbaren Entgelt-Daten der Bundesagentur für Arbeit aus. Auszubildende wurden nicht erfasst. Die Daten stammen aus Meldungen von Arbeitgeber*innen zur Sozialversicherung. 

Quelle: WSI – Hans-Böckler-Stiftung; KNA 

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