Unternehmen steigern Ausbildungsangebot in Engpassberufen

Auszüge aus der Studie „Fachkräfteengpässe in Unternehmen“ von Sebastian Bußmann, Dr. Regina Flake und Dr. Susanne Seyda:
“ (…) Zahlreichen Unternehmen fällt es schwer, geeignete Fachkräfte für ihre vakanten Stellen zu finden. Von diesem Problem sind insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) betroffen. (…) Im März 2014 bestanden in 63 von 294 Berufsgattungen, die eine abgeschlossene Berufsausbildung benötigen, Fachkräfteengpässe.
Besonders betroffen waren der MINT-Bereich mit 25 Engpassberufen sowie der Gesundheitsbereich mit elf Engpassberufen. Es wurden nur Berufsgattungen betrachtet, in denen mindestens 100 Arbeitslose vorlagen. Zu den 63 Engpassberufen zählen 49 Berufsgattungen, die im dualen System ausgebildet werden. Zu beachten ist, dass die Engpassberufe nicht deckungsgleich mit den Ausbildungsberufen sind, sondern ein breiteres Tätigkeits- oder Berufsfeld darstellen.

Die Ursachen für Fachkräfteengpässe sind vielfältig. Ein wichtiger Grund ist die gestiegene Nachfrage nach Fachkräften. Eine Möglichkeit, den gestiegenen Bedarf zu decken, besteht darin, mehr junge Menschen in einem Engpassberuf auszubilden.

Unternehmen haben ihr Angebot an Ausbildungsstellen in Engpassberufen des dualen Systems erhöht.
Seit 2008 haben Unternehmen in 38 von 49 Engpassberufen die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen erhöht. In den Engpassberufen ist die Stellenzahl um 16,3 Prozent auf 156.000 Ausbildungsstellen gestiegen. So lässt sich vermuten, dass die Unternehmen die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in der Mehrzahl der Engpassberufe antizipiert und entsprechend gegengesteuert haben. Der größte absolute Zuwachs an Ausbildungsstellen findet sich bei zahnmedizinischen Fachangestellten (+ 3.113 Stellen), Fachkräften für Sanitär, Heizung, Klimatechnik (+2.942 Stellen) und für Kraftfahrzeugtechnik (+2.877 Stellen). In den 14 Engpassberufen, für die keine entsprechenden dualen Ausbildungsberufe existieren, können die Unternehmen hingegen nicht unmittelbar mit einer erhöhten Ausbildungstätigkeit reagieren.

Jugendliche reagieren, wenn auch verhalten, auf strukturelle Veränderungen beim Ausbildungsangebot.
Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um Ausbildungsplätze im dualen System ist seit 2008/2009 um 0,8 Prozent gesunken; in den Engpassberufen war der Rückgang mit 2,6 Prozent etwas stärker. Dieser Rückgang ist zwischen den Engpassberufen jedoch ungleich verteilt. So sind in der Mehrheit der Engpassberufe (in 32 von 49 Engpassberufen) die Bewerberzahlen gestiegen, d.h. dass Jugendliche häufiger eine Ausbildung in diesen Engpassberufen anstrebten. Allerdings fiel der Bewerberrückgang im anderen Drittel der Engpassberufe quantitativ deutlich größer aus, woraus der Bewerberrückgang resultiert. In den Berufsgattungen mit Bewerberrückgang könnte sich der Engpass also weiter verschärfen. Hiervon betroffen sein dürften beispielsweise die Fachkräfte für Metallbau, die einen Bewerberrückgang von 2.435 Personen aufweisen. (…)

Dennoch: In der Mehrheit der Engpassberufe gab es weniger Bewerberinnen und Bewerber als Ausbildungsstellen.
In 37 Engpassberufen (von 49, in denen duale Ausbildungsberufe verortet sind) bestanden Schwierigkeiten, genügend interessierte Jugendliche zu finden – die Bewerberzahlen sind geringer als die Stellenzahlen. Dies tritt in einigen Berufsfeldern gehäuft auf: Dazu zählen die Berufsfelder Metall, Energie, Elektro und Mechatronik, Bau und Gebäudetechnik, Logistik und Sicherheit sowie Verkauf und Tourismus.
In zwölf Engpassberufen war die Bewerberzahl größer als die Stellenzahl. Das heißt, dass in diesen Berufen ein besseres Ausschöpfen des Bewerberüberschusses Potenzial bietet, Engpässe mittelfristig zu verringern. (…)

Zusammenfassung Berufsfelder
Die Berufsfelder sind in unterschiedlichem Maße von Engpässen in Berufsgattungen des dualen Systems betroffen. In einigen Berufsfeldern zeigt sich, dass in (fast) allen Engpassberufen Schwierigkeiten bestanden, genügend Interessenten für die Ausbildungsstellen zu finden, weil die Bewerberzahl geringer war als die Zahl der Ausbildungsstellen. Dazu zählen die Berufsfelder ## Metall
## Energie, Elektro und Mechatronik (mit Ausnahme der Leitungsinstallations-Fachkraft)
## Bau und Gebäudetechnik (mit Ausnahme der Analgen- und Behältertechnik-Fachkraft)
## Logistik und Sicherheit
## Verkauf,
## Naturwissenschaft, Lebensmittel sowie Sprache, Wirtschaft und Gesellschaft (nur je ein Engpassberuf)
In anderen Berufsfeldern ist die Situation differenzierter zu betrachten, da es hier Berufsgattungen gab, in denen zumindest theoretisch und ohne Berücksichtigung möglicher Matching-Probleme – die Möglichkeit bestand, auf den Bewerberüberschuss mit einer Erhöhung des Stellenangebotes zu reagieren. Dazu zählen folgende Berufsgattungen: ## Schweiß- und Verbindungstechnik (Metall)
## Land-, Baumaschinentechnik – Fachkraft (Maschinenbau und Fahrzeugtechnik)
## Kraftfahrzeugtechnik – Fachkraft (Maschinenbau und Fahrzeugtechnik)
## Luft- und Raumfahrttechnik – Fachkraft (Maschinenbau und Fahrzeugtechnik)
## Maschinenbau-,Betriebstechnik (o.S.) – Fachkraft (Maschinenbau und Fahrzeugtechnik)
## Fahrzeuglackierung – Fachkraft (Kunststoff und Holz)
## Leitungsinstallation (Energie, Elektronik und Mechatronik)
## Anlagen- und Behälterbau (Bau und Gebäudetechnik)
## Brandschutz (Logistik und Sicherheit)
## Sozialverwaltung, -versicherung Fachkraft (Unternehmensorganisation)
## Orthopädie- und Rehatechnik (Gesundheit, Soziales und Bildung)
## Zahntechnik (Gesundheit, Soziales und Bildung)
Es ist zu beachten, dass das Ausbildungsgeschehen nur einen Teil der Engpasssituation beeinflusst. Ob ein Beruf
ein Engpassberuf ist, hängt von einer Reihe weiterer Faktoren ab. Selbst in Berufsgattungen, in denen es viele Bewerberinnen und Bewerber sowie Stellen gibt, können Engpässe bestehen, wenn Ausbildungsverträge nicht zustande kommen oder vorzeitig gelöst werden bzw. die Personen später nicht im erlernten Beruf arbeiten.
Handlungsempfehlungen
(…)## Bessere Ausschöpfung des vorhandenen Bewerberpotenzials Unternehmen, die Engpässe in Berufsgattungen verzeichnen, bei denen es auf dem Ausbildungsstellenmarkt einen Bewerberüberhang gibt, können eine Ausweitung ihres Ausbildungsstellenangebots prüfen. So könnte das Bewerberpotenzial besser erschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn die zusätzlichen Bewerberinnen und Bewerber auf den ersten Blick nicht den bisherigen qualifikatorischen Ansprüchen der Unternehmen entsprechen. Die passendsten Bewerberinnen und Bewerber müssen nicht immer die besten im Sinne der schulischen Bildung sein.
## Erschließung neuer potenzieller Bewerberinnen und Bewerber Das Erschließen neuer Zielgruppen ist besonders für jene Unternehmen relevant, die nicht genügend Bewerberinnen und Bewerber für ihre ausgeschriebenen Stellen finden. Beispielsweise können verstärkt Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher von einer Ausbildung überzeugt werden. (…) Genauso wie bei Bewerberinnen und Bewerbern, die nicht den qualifikatorischen Anforderungen der Unternehmen entsprechen, können auch leistungsschwächere Schulabgängerinnen und Schulabgängern für eine Ausbildung gewonnen werden. Unternehmen können beispielsweise ausbildungsbegleitende Hilfen nutzen, um leistungsschwächere Jugendliche als neue Zielgruppe erfolgreich in die Ausbildung zu integrieren. Auch die Kooperation mit externen Ausbildungsträgern ist denkbar, die insbesondere KMU unterstützen. Zudem ist die Berufsvorbereitung ein wichtiger Baustein zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses. (…) Hierzu gehört beispielsweise die Einstiegsqualifizierung (EQ), die ein mindestens halbjähriges Praktikum darstellt, indem Jugendliche ihre Qualitäten unter Beweis stellen können. Zwischen 60 und 80 Prozent der EQ-Teilnehmer gelingt im Anschluss der Übergang in eine berufliche Ausbildung, weshalb dieser Weg für Unternehmen eine attraktive Maßnahme zur Fachkräftesicherung darstellen kann. (…)
## Verbesserte Kommunikation zur Verringerung von Matching-Problemen (…) Jugendliche müssen einen Überblick über die Vielzahl vorhandener Berufsgattungen erhalten. Dabei ist die Einbeziehung von Multiplikatoren (v.a. Eltern, Lehrerinnen und Lehrer), die den Jugendlichen Informationen zur Berufswahl vermitteln, wichtig. Informationen über unterschiedliche Bildungswege sowie Aufstiegschancen und damit verbundene Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten können die Entscheidung zwischen Berufsausbildung und Studium erleichtern. Praktika sind sehr geeignet, um Einblicke in verschiedene Berufe und den
Unternehmensalltag zu erhalten. (…) Schulkooperationen sind ein möglicher Weg, um das Interesse von Schülern zu erlangen. (…)
## Weitere Wege der Fachkräftesicherung Zusätzliche Auszubildende sind nicht das einzige Instrument zur Fachkräftesicherung. So besteht beispielsweise die Möglichkeit bisher ungenutzte Arbeitskräftepotentiale bei Frauen, älteren Personen oder An- und Ungelernten auszuschöpfen. Auch internationale Fachkräfte bieten Potenziale für den deutschen Arbeitsmarkt. Dazu zählen zum einen Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits in Deutschland leben, aber noch nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind. (…) „

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Dokumente: fachkraefteengpaesseinunternehmen.pdf

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