Änderungen in der Sanktionspraxis angestrebt

Das Konzept will das Sanktionenrecht weiter entwickeln. Über eine bessere Verknüpfung von Eingliederungsvereinbarung und Sanktionen soll die Balance zwischen Fördern und Fordern verbessert werden. Durch ein vereinfachtes und vereinheitlichtes Regelungsgefüge sollen die in der Verwaltung vorhandenen sowie in der Rechtsprechung deutlich werdenden Akzeptanzprobleme gelöst werden.

Auszüge aus dem Konzept zur Weiterentwicklung des Sanktionsrechts: ## Beratung und Information stärken
Informationen über und Erläuterungen zum Leistungssystem der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie des Grundsatzes von Fördern und Fordern kommen in der heutigen Praxis aus vielerlei Gründen zu kurz. Um das Verständnis und die Akzeptanz für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zukünftig zu verbessern, müssen leistungsberechtigte Personen besser über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden.
Die Beratung soll dabei nicht nur die Informationen über die Leistungen, sondern auch Erläuterungen zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie zu den Inhalten und Zielen der Leistungen zur Aktivierung und Eingliederung und deren Auswahl im Rahmen des Eingliederungsprozesses umfassen. Die Beratung soll den Leistungsberechtigten die Möglichkeiten und Chancen einer Integration in Ausbildung und Arbeit vermitteln und Perspektiven eröffnen.
Insoweit dient die Verbesserung des Beratungsangebots nicht nur der Legitimation des Sanktionsmechanismus, sondern könnte auch ein Baustein für das Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit werden. Das bedeutet für einen Teil der jungen Menschen auch, im Zuge der Aktivierung die von ihnen erwartete Eigenverantwortung erst herzustellen. Der Beratungsansatz soll durch gesetzliche Regelungen in den Grundsätzen des Förderns (z.B. in § 1 oder § 14 SGB II) verankert werden, damit er in allen Jobcentern gleichermaßen Umsetzung findet. (…)
## Eingliederungsvereinbarung und Potentialanalyse besser nutzen
(…) Mit der Eingliederungsvereinbarung werden nicht nur die jeweils vorzunehmenden Handlungen festgelegt, sondern zugleich festgestellt, dass diese Handlungen der erwerbsfähigen Person zumutbar sind. Es werden die Leistungen vereinbart, die das Jobcenter im Hinblick auf eine Eingliederung in Ausbildung und Arbeit erbringt. Dabei sollen in einer idealen Vorstellung die Kompetenzen und Fähigkeiten, aber auch die Neigungen und Interessen der Leistungsberechtigten der zentrale Ausgangspunkt bei der Auswahl und Festlegung der geeigneten Instrumente und Angebote sein. In diese Richtung soll das Instrument der Eingliederungsvereinbarung in Zukunft stärker genutzt werden. (…)
Ausgangspunkt des gesamten Eingliederungsprozesses müssen also stärker als bisher die individuell festgestellten Kompetenzen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sein. In Anlehnung an das aus dem Arbeitsförderungsrecht bekannte Instrument der Potentialanalyse wird hierzu ein Assessment notwendig sein, das die Grundlage für Vermittlungsvorschläge und den Einsatz von Eingliederungsleistungen bildet. (…)
Der Bezug zu den festgestellten Potentialen der leistungsberechtigten Person kann verdeutlicht werden, indem in der Eingliederungsvereinbarung die Vermittlungsbereiche (Branchen, Tätigkeitsfelder) benannt werden, in denen die Eingliederung vorrangig erfolgen soll. (…)
## Tatbestände der Pflichtverletzungen straffen

Die in § 31 SGB II genannten Pflichtverletzungen sollen im Hinblick auf die Stärkung der Eingliederungsvereinbarung gestrafft werden. Wie bisher ist die Ablehnung einer Ausbildung oder Arbeit auch außerhalb der Eingliederungsvereinbarung sanktionsbewehrt. Ansonsten sollen nur solche Pflichten nachgehalten werden und sanktioniert werden können, die als solche im Eingliederungsprozess besprochen und als zumutbar festgelegt worden sind. In der Eingliederungsvereinbarung soll die Festlegung erfolgen, welche Maßnahme oder Zuweisung sowie welche Eigenbemühungen jeweils zumutbar sind. (…)
Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung sind im Hinblick auf die Stärkung der Eingliederungsvereinbarung als einvernehmlich gestaltete Vereinbarung regelmäßig bereits im Aushandlungsprozess der Eingliederungsvereinbarung zu vermitteln. Die Eingliederungsvereinbarung legt die Rechte und Pflichten verbindlich fest. Eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung macht diese für den Leistungsberechtigten nochmals transparent und nachvollziehbar. (…)
## Rechtsfolgen der Pflichtverletzungen vereinheitlichen und vereinfachen
Ziel ist die Erhöhung der Transparenz der Rechtsfolgen der einzelnen Pflichtverletzung. Jede Pflichtverletzung soll für sich betrachtet eine Minderung des Arbeitslosengeldes II auslösen. Dies würde auch zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung führen, da notwendig werdende Teil-Aufhebungsbescheide auf die jeweilige Pflichtverletzung bezogen werden könnten. Die verwaltungsaufwändige und fehleranfällige Berechnung der Minderungsbeträge nach einer prozentualen Ableitung des jeweils maßgeblichen Regelbedarfs soll durch eine pauschale Minderung (100 Euro bzw. 50 Euro bei Meldepflichtverletzungen) ersetzt werden. Jede Pflichtverletzung löst für sich einen pauschalen Minderungsbetrag aus. Die Minderung differenziert damit nicht mehr nach den Lebensumständen bzw. dem maßgeblichen Regelbedarf und dem Lebensalter der leistungsberechtigten Person und stellt klar, dass die Rechte und Pflichten für alle Leistungsberechtigten in gleicher Weise gelten. Die Rechtsfolgen für eine Pflichtverletzung werden damit für alle erwerbsfähigen Leistungsberechtigten vereinheitlicht. Damit entfallen künftig auch die Sonderregelungen für unter 25-jährigen Personen. Unverhältnismäßige Wirkungen im Einzelfall sollen im Rahmen einer Härtefallregelung gelöst werden.
Beim Zusammentreffen mehrerer Sanktionen kann sich eine unverhältnismäßige Minderung des Regelbedarfs ergeben. In diesem Fall sind zukünftig zur Sicherung des Existenzminimums Sachleistungen zu erbringen, deren Höhe angemessen sein muss, soweit der oder die Leistungsberechtigte dies beantragt.
## Die Gefährdung des Wohnens durch Sanktionen aufheben
Als Konsequenz einer pauschalen gesetzlichen Minderung und der Vereinheitlichung der Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen werden mit der Neuordnung des Sanktionenrechts die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht mehr von den Sanktionen erfasst. Damit wird auch die Gefahr von Wohnungsverlusten und Obdachlosigkeit aufgrund von Sanktionen vermieden.
Auch ist die Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes damit in noch höherem Maße sichergestellt. Im Prinzip ist auch schon nach geltender Rechtslage der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz auch bei sogenannten 100 %-Sanktionen sichergestellt, weil auf Antrag unter Ermessensausübung Sachleistungen bewilligt werden können. Diese gelten als die Versicherungspflicht auslösender Bezug. Da sich zukünftig die Minderungen durch Sanktionen nicht mehr auf die Kosten der Unterkunft und Heizung erstrecken, wird der Krankenversicherungsschutz stets beibehalten. (…)
Leistungsberechtigte, die lediglich Kosten der Unterkunft und Heizung erhalten (im Wesentlichen sind dies die sog. Erwerbsaufstocker), sind von Sanktionen nicht mehr betroffen. Nach Pflichtverletzungen sollten in diesen Fällen aber die Kosten der Unterkunft direkt an den Vermieter erbracht werden.“

Quelle: Süddeutsche; Harald Thomé; BMAS

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