Trotz steigender Bildungsinvestitionen bleibt der Übergang in den Beruf dennoch schwierig

Auszüge aus dem Beitrag „Hürdenlauf zum Job“ zum Übergang junger Menschen in Arbeit von Dr. Birgit Reißig:
“ Gesellschaftliche Teilhabe ist in Deutschland sehr eng mit Erwerbstätigkeit verknüpft. Im Idealfall sichert ein möglichst guter und hoher Schulabschluss den Zugang zur (dualen) Berufsausbildung, deren Abschluss eine Grundbedingung dafür ist, eine Arbeitsstelle zu finden. Bis in die 1980er-Jahre hinein führte die Qualifizierung in Schule und Ausbildung für eine Mehrheit der Jugendlichen relativ geradlinig in die Erwerbstätigkeit. Danach veränderte sich das Bild: Die Übergänge in Arbeit wurden heterogener und fragmentierter.

Längere Bildungsphasen, späterer Berufsstart
… In den letzten Jahrzehnten haben sich die Anteile der Jugendlichen, die sich in Bildung, Ausbildung oder Arbeitsleben befinden, grundlegend verschoben: Im Jahr 1962 gingen fast 40 Prozent der 16- bis 18-Jährigen einer Erwerbstätigkeit nach, rund 40 Prozent befanden sich in einer Berufsausbildung. Heute arbeiten nur noch rund fünf Prozent dieser Altersgruppe. Mit etwa 70 Prozent befindet sich heute die große Mehrheit der Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren in einer Bildungsinstitution, ein Viertel von ihnen macht eine Ausbildung. Sie investieren viel mehr in Bildung als früher – aber lohnt sich das auch? …

Jugendliche gehören auch in Deutschland zu den Krisenverlierern
Wie erleben junge Menschen in Deutschland den Berufseinstieg? Im internationalen Vergleich funktioniert der Übergang von der (dualen) Ausbildung zur Erwerbstätigkeit in Deutschland gut. Die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen ist Mitte 2012 in Deutschland mit knapp 8 Prozent deutlich niedriger als in den meisten EU-Staaten: In Spanien und Griechenland etwa findet mehr als die Hälfte der Jugendlichen keine Stelle. Betrachtet man die Chancen junger Frauen und Männer im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen auf dem Arbeitsmarkt, relativiert sich dieses Bild. Nach der Ausbildung ist ein großer Teil der Absolventinnen und Absolventen erst einmal arbeitslos, wie die beiden letzten Bildungsberichte zeigen. Dies betrifft rund 20 Prozent der jungen Menschen. Jugendliche gehören zu den Verlierern der Finanzkrise. Ihr Anteil an den Arbeitslosen ist seit 2008 »dreimal so stark gestiegen wie in allen anderen Altersgruppen, die Jugendarbeitslosigkeit liegt deutlich über der Arbeitslosenquote insgesamt«. Zudem jobben sie überproportional häufig in Leiharbeitsverhältnissen. Obwohl die unter 30-Jährigen die kleinste Gruppe an allen Beschäftigten stellt (ihr Anteil liegt bei rund 22 Prozent), arbeiten sie zu knapp 40 Prozent in Leiharbeit. Zum Vergleich: Arbeitnehmer über 50 Jahre machen ein Viertel aller Beschäftigten aus, arbeiten aber nur zu 14 Prozent in Leiharbeit (ebd.). Besonders häufig betrifft das Jugendliche mit geringen bildungsspezifischen Ressourcen, also zum Beispiel junge Menschen mit fehlenden oder schlechten Bildungsabschlüssen oder ausbildungsarmen Familien. …

Höheres Armutsrisiko bei Jugendlichen

Dass vor allem junge Frauen und Männer die Risiken des Arbeitsmarktes tragen, bleibt nicht folgenlos für ihren ökonomischen Status. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnete 2006, dass das Risiko für Jugendliche, in Armut zu leben, bei knapp 30 Prozent liegt im Vergleich zu rund 16 Prozent bei Erwachsenen und 12 Prozent bei Rentnerinnen und Rentnern. Dies ist zwar über die gesamte Lebensspanne gesehen nur eine Momentaufnahme, doch zwischen den Jahren 2000 und 2006 hat sich für Jugendliche die Armutsrisikoquote von 16 auf 28 Prozent erhöht – deutlich stärker als in den anderen
Altersgruppen.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der eigenen Wahrnehmung der Jugendlichen wider: In der Shell Jugendstudie 2006 gaben rund 70 Prozent der jungen Frauen und Männer an, am häufigsten Angst vor einer schlechten Wirtschaftslage und vor Armut zu haben. Ebenso sorgten sie sich darum, ihren Arbeitsplatz zu verlieren beziehungsweise keinen Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz zu bekommen. Über einen längeren Zeitverlauf gesehen, nahm die Angst vor Arbeitslosigkeit von 2002 bis 2006 bei Jugendlichen aller sozialen Schichten zu. Am stärksten ausgeprägt ist sie mit etwa 80 Prozent bei Jugendlichen aus der Unterschicht. Wie die aktuelle Shell-Studie zeigt, glauben nur vier von zehn Jugendlichen aus der unteren Schicht daran, dass sich ihre beruflichen Wünsche erfüllen werden – bei allen befragten Jugendlichen sind es hingegen 70 Prozent. Die entscheidende Hürde auf dem Weg ins Erwachsenenalter ist aus Sicht der Jugendlichen, den Übergang von der Schule in den Beruf zu bewältigen. Damit wird auch deutlich, welch zentralen Stellenwert die Arbeit in Deutschland (und den westlichen Ländern) für die Teilhabe an der Gesellschaft einnimmt.

Der Knackpunkt für ein Abdriften in die «Zone der Gefährdung sozialer Exklusion» ist der dauerhafte Ausschluss vom Arbeitsmarkt beziehungsweise der häufige Wechsel zwischen Phasen prekärer Beschäftigung und Arbeitslosigkeit. Jugendliche mit niedrigem Schulabschluss sind davon besonders betroffen. Untersuchungen des Übergangspanels des Deutschen Jugendinstituts zeigen, dass jede achte Hauptschulabsolventin beziehungsweise jeder achte Hauptschulabsolvent auch sechs Jahre nach ihrem Abschluss noch keine Stelle gefunden haben. Ein Viertel aller Befragten hat bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht die erste Schwelle gemeistert und ist ohne Berufsausbildung. …

Trotz der Entspannung durch die demografische Entwicklung bleibt die gesellschaftliche Herausforderung bestehen, allen jungen Frauen und Männern die Chancen auf die Integration in Ausbildung und Arbeit als Grundvoraussetzung individueller und gesellschaftlicher Integration und Teilhabe zu sichern. …“

Den Aufsatz in vollem Umfang entnehmen Sie bitte dem DJI-Impuls-Heft, dem Bulletin des DJI, Nr. 99, 3/2012.

Die Autorin Dr. Birgit Reißig ist Leiterin des Forschungsschwerpunktes „Übergänge im Jugendalter“ und der Außenstelle des Deutschen Jugendinstituts in Halle.

www.dji.de/impulse
www.dji.de/bulletin/d_bull_d/bull99_d/DJIB_99.pdf

Quelle: DJI Impusle Nr. 99/3/2012

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