Die auf der Tagung geführten Diskussionen und sich daraus ergebenden Froderungen und Handlungsempfehlungen fast Gisela Würfel (BAG EJSA) wie folgt zusammen:
„Angesichts globaler Entwicklungen und Kriege steigt die Anzahl geflüchteter Menschen in Deutschland und damit auch die Anzahl von Kindern und Jugendlichen. Dies stellt die Kinder- und Jugendhilfe insgesamt vor neue Herausforderungen. Es gilt, die Zugänge zu Jugendhilfeangeboten zu verbessern, fachliche Standards zu hinterfragen und das sozialpädagogische Handeln weiterzuentwickeln. Auf die Situation geflüchteter Mädchen und junger Frauen – ob unbegleitet oder in Familien – muss mit spezifischen und niedrigschwelligen Angeboten eingegangen werden, so die einhellige Einschätzung der Expertinnen. Zu diesen Angeboten gehören nicht nur Sprachkurse, sondern auch geschlechtssensible Beratungs- und Freizeitangebote. Geschlechtshomogene Unterbringung ist ein erster Schritt, um einen sicheren Zufluchtsort bereitzustellen. Flächendeckende Weiterqualifizierungen und Fortbildungen für Fachkräfte und Ehrenamtliche bieten eine wichtige Unterstützung für eine gelingende Praxis.
Erstaufnahmestellen und Folgeeinrichtungen sind bisher nur in den seltensten Fällen mit Schutzräumen für Mädchen, Frauen und Familien ausgestattet. Aufgrund des großen Ungleichgewichts zwischen männlichen und weiblichen Flüchtlingen, gerade auch im Bereich der unbegleiteten Minderjährigen, sind weibliche Flüchtlinge in der Regel in der Minderheit. In Deutschland geht man von einem geschätzten Verhältnis von 30 zu 70 Prozent aus. Von daher sind Einrichtungen und Angebote in vielen Fällen männlich dominiert. Mit ihren Familien geflüchtete Mädchen werden oft „unsichtbar“, da sie aufgrund der traumatischen Erfahrungen auf der Flucht, von ihren Angehörigen abgeschirmt und extrem beschützt werden. Der Blick auf mädchenspezifische Bedarfe muss daher standardmäßig ein Qualitätskriterium aller Flüchtlingsarbeit sein, geschützte Räume müssen überall geschaffen werden. Die Veranstalterinnen forderten angelehnt an Nordrhein-Westfalen eine behördliche Handlungsanweisung für die Jugendämter, dass Mädchen nur von weiblichem Personal betreut werden.“
Währen der Tagung wurde nicht nur über die Zielgruppe gesprochen. Geflüchtete Mädchen und junge Frauen selbst berichten im Erzählcafé von ihren Erfahrungen und formulieren ihre Ideen, Wünsche und Bedarfe.
Derzeit wird an einer fachlichen Positionierung mit (An)Forderungen an die gendersensible Arbeit mit jungen weiblichen Flüchtlingen gearbeitet. Einen ersten Aufschlag dazu machte die Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik Bayern.
Auszüge aus dem Positionspapier der LAG Mädchenpolitik Bayern Mädchen und junge Frauen, die geflüchtet sind, haben einen besonderen Schutzbedarf:
„Die Situation von Mädchen und jungen Frauen, die geflüchtet sind, ist äußerst komplex
Krieg, politische/religiöse/ethnische Unterdrückung und Konflikte, Bedrohungen unterschiedlicher Art, Verfolgung aufgrund des Geschlechts bzw. der sexuellen Identität oder wirtschaftliche Not gehören zu den vielfältigen Fluchthintergründen. Jede FLucht ist anders, vielfach ist sie mit Todesgefahr, Angst, sexueller Gewalt, Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnissen verbunden. Neben unbegleiteten Mädchen kommen ebenso Mädchen bzw. junge Frauen in Begleitung und junge Schwangere nach Deutschland. Mütter/Väter sind z. B. aufgrund eigener traumatischer Erfahrungen oder aufgrund der Enge bzw. der Dynamiken in den Unterkünften nicht immer in der Lage, ihre Töchter ausreichend zu schützen. Mädchen stehen häufig in einem Schuld- und Abhängigkeitsverhältnis zu ANgehörigen. Es kommen Mädchen mit Behinderungen bzw. sehr unterschiedlichen psychischen und physischen Krankheitsbildern nach Deutschland. Die Heterogenität der Gruppe geflohener Mädchen und junger Frauen ist bei allen Maßnahmen und Entscheidungen zu beachten. (…)
Besondere Gefahren
Für Mädchen und junge Frauen besteht sowohl im Herkunftsland, auf der Flucht als auch in Deutschland eine große Gefajr, Opfer von sexueller Gewalt, Menschenhandel, Zwangsehen und AUsbeutung jeglicher Art zu werden. Dazu gehört auch die Möglichkeit, aufgrund von Erfahrungen auf der Flucht, Abhängigkeitsverhältnissen, dem Erleben von Druck und scheinbar ausweglosen Situationen in die Prostitution zu rutschen.
Draus leitet die LAG Mädchen- udn Frauenpolitik in Bayern folgende Maßnahmen ab:
##Die flächendeckende Umsetzung eines wirksamen Schutzes vor (sexualisierter) Gewalt. (…)
Das Personal muss sensibilsiert und geschult werden und braucht fachliche Begleitung.
##Unbegleitete Mädchen und junge Frauen müssen bayernweit in geschlechtshomogenen Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden. Für die Gewährung und Verlängerung von Jugendhilfeleistungen darf das Erreichen des 18. Lebensjahres nicht das ausschlaggebende Kriterium sein. Vielmehr muss jede Beendigung sorgfältig geprüft werden. Das Gleiche gilt bei Familiennachzug, wenn das Mädchen die Zusmamenführung mit den Eltern bzw. dem zukünftigen Ehemann nicht möchte.
##Mädchen und junge Frauen, die in Begleitung bzw. mit ihren Familien flüchten, müssen von der Jugendhilfe gezielt in den Blick genommen und für sie neidrigschwellige Zugänge, Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten geschaffen werden.
##Der Betreuungsschlüssel in den Unterkünften soll so aufgestockt werden, dass Mädchen und junge Frauen insgesamt adäquat durch pädagogische Fachkräfte betreut und begleitet werden können. Nur dann sind Mitteilungen von oft schambesetzten und tabuisierten Gewalterfahrungen möglich. (…)
##Ein neidrigschwelliger Zugang und eine fachliche Begleitung zu geschlechtsdifferenzierten (bzw. geschlechtshomogenen) Freizeit-, Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten sind nötig. (…)“
Quelle: BAG EJSA; LAG Mädchen- und Frauenpolitik Bayern
Dokumente: LAG_Bayern_Positionspapier_gefluechtete_Maedchen.pdf