Auszüge aus dem IAB Kurzbericht „Der Abbau von Hemmnissen
macht‘s möglich“ von Jonas Beste und Mark Trappmann:
“ (…) Während höheres Alter ein Merkmal darstellt, das sich nicht per se verändern lässt, sind die übrigen Hemmnisse im Zeitverlauf nicht konstant. Sie lassen sich teilweise oder ganz abbauen, etwa durch Erwerb von besseren Deutschkenntnissen, durch eine Verbesserung des Gesundheitszustands oder durch das Überschreiten einer Altersschwelle bei Kindern. (…) Nicht untersuchen lässt sich der Effekt des Abbaus von fehlenden Ausbildungsabschlüssen. (…)
Es zeigt sich, dass in allen Fällen – (…) – der Abbau des Hemmnisses einen positiven Effekt hat, der den negativen Effekt des Hemmnisses ausgleicht. (…) Mit anderen Worten: Personen mit abgebauten Hemmnissen haben im Jahr des Abbaus keine schlechteren Übergangschancen als Personen, die das Hemmnis nie hatten.
Dies bedarf nun einer vorsichtigen Einordnung. Einerseits kann es sein, dass es ein vorübergehender Effekt ist. In dem Jahr, in dem das jüngste Kind drei Jahre alt wird, können viele Mütter wieder integriert werden – wohl auch, weil die institutionelle Ausgestaltung entsprechende Anreize setzt. So finden zu diesem Zeitpunkt besonders viele Übergänge von Müttern statt. (…) Ähnlich mag es bei der Gesundheit aussehen: Leistungsberechtigte, die zuvor krank waren, haben in dem Moment, in dem sich die Gesundheit bessert, gute Jobaussichten. (…)
Häufigkeit von Hemmnissen
(…) Der Langzeitbezug von SGB-II-Leistungen ist das mit Abstand häufigste Hemmnis unter den ALG-II-Empfängern, die maximal geringfügig beschäftigt sind: Mehr als zwei Drittel (71 %) waren in den letzten 24 Monaten mindestens 21 Monate auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Ein schlechter Gesundheitszustand ist mit knapp 45 Prozent das zweithäufigste Hemmnis für die Aufnahme einer bedarfsdeckenden Erwerbstätigkeit. Ebenfalls häufig tritt ein fehlender Berufsabschluss auf (40 %). Rund 30 Prozent der Grundsicherungsempfänger sind Mütter mit Kindern unter 18 Jahren und 27 Prozent sind 51 bis 64 Jahre alt. Ein fehlender Schulabschluss tritt bei knapp 17 Prozent auf. Die am seltensten vorkommenden Hemmnisse sind sprachliche Defizite (6 %) und Pflegetätigkeiten (4 %).
Bei vielen Grundsicherungsempfängern kommen mehrere Hemmnisse in Kombination miteinander vor: Bei 34 Prozent geht Langzeitbezug mit schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen einher, bei 29 Prozent mit einem fehlenden beruflichen Abschluss. Dabei handelt es sich um die häufigsten Kombinationen aus mehreren Hemmnissen. Gemeinsam treten diese drei Hemmnisse bei 11 Prozent der Grundsicherungsempfänger auf. (…)
Kumulation von Hemmnissen
(…) Betrachtet man (…) die Übergangswahrscheinlichkeiten in eine bedarfsdeckende Erwerbstätigkeit in Abhängigkeit von der Anzahl der vorliegenden Hemmnisse einer Person, ergibt sich folgendes (…): Mit steigender Zahl der Hemmnisse kommt es zu einer erheblichen Verschlechterung der Abgangsraten. Die Abgangswahrscheinlichkeit halbiert sich beinahe exakt mit jedem weiteren Hemmnis.
Für einen maximal geringfügig beschäftigten Grundsicherungsempfänger ohne Hemmnis liegt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres den Leistungsbezug durch Aufnahme einer bedarfsdeckenden Erwerbstätigkeit zu verlassen, bei 32 Prozent bei einem Hemmnis sinkt sie auf 18 Prozent und bei zwei Hemmnissen auf unter 8 Prozent. (…)
Schlussfolgerungen
(…) Es zeigt sich, dass Grundsicherungsempfänger mit abgebauten Hemmnissen im Jahr des Abbaus keine schlechteren Arbeitsmarktchancen haben als diejenigen, bei denen diese Hemmnisse von Beginn an nicht vorlagen.
Das belegt, dass es sinnvoll ist, im Rahmen einer Integrationsstrategie am Abbau der Hemmnisse zu arbeiten. Dies kann von den Jobcentern etwa durch Angebote der Gesundheitsprävention, die Förderung des Erwerbs von Sprachkenntnissen und Ausbildungsabschlüssen
oder die Bereitstellung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten unterstützt werden. (…)
Dass Migrationserfahrung nur dann relevant ist, wenn geringe Deutschkenntnisse vorliegen, ist ebenfalls erfreulich und zeigt, dass unter Grundsicherungsempfängern Migranten mit sonst ähnlichen Merkmalen die gleichen Arbeitsmarktchancen haben wie Einheimische. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die große Herausforderung der Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt eine gute Nachricht.
Vieles spricht dafür, dass mit in der letzten Zeit geschaffenen Maßnahmen ein richtiger Weg beschritten wurde: Der Ausbau der Kinderbetreuung hat die Rahmenbedingungen für die Erwerbstätigkeit von Müttern erheblich verbessert. Eine geschlechtsneutrale Aktivierung kann die Integrationsaussichten von Müttern weiter steigern. Das Konzept des Fallmanagements setzt ohnehin schon seit vielen Jahren daran an, arbeitsmarktferne Grundsicherungsempfänger stufenweise durch den Abbau von Hemmnissen zu integrieren. (…)
Die Bundesagentur für Arbeit erprobt derzeit in einem Modellprojekt die Verzahnung von Gesundheits- und Arbeitsförderung durch Kooperation mit der Gesetzlichen Krankenversicherung. Zunächst werden Integrationsfachkräfte darin geschult, Leistungsempfänger gesundheitsorientiert zu beraten. Diese sollen dann zur freiwilligen Teilnahme an Präventionsangeboten motiviert werden, um durch die Teilnahme ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten bzw. zu verbessern. Dies kann ein Weg zum Abbau gesundheitlicher Hemmnisse sein.
Wichtig erscheint weiterhin – gerade angesichts der erheblich gestiegenen Zuwanderung – dass ein ausreichendes Angebot zur Sprachförderung verfügbar ist und dass auch in weitere qualifizierende Maßnahmen investiert wird. Denn ein Großteil der Flüchtlinge hat zusätzliche Hemmnisse wie das Fehlen von hier anerkannten schulischen oder beruflichen Abschlüssen. (…)“
Link: http://www.iab.de/194/section.aspx/Publikation/k160930301
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