Zuwanderung löst nicht das Problem des Fachkräftemangels

Auszüge aus den Erkenntnissen der vierten Qualifikations- und Berufsfeldprojektion (QuBe), die im BIBB-Report 3/2016 veröffentlicht wurden:
“ (…) Wegen der Zuwanderung von Migranten, insbesondere Geflüchteter und der damit einhergehenden Verjüngung der Gesellschaft wird die Bevölkerung Deutschlands langfristig nicht in dem Maße zurückgehen, wie es in früheren Projektionen erwartet wurde. Zahl und Struktur der Erwerbspersonen und Erwerbstätigen werden sich verändern.
Aufgrund der Bedeutung der Zuwanderung – sowohl in der Höhe als auch in der Struktur – wurde eine eigene QuBe-Bevölkerungsprojektion erstellt. Dabei wird angenommen, dass mit 1,1 Mio. ein Großteil der Zuzüge von Geflüchteten nach Deutschland bereits im Jahr 2015 erfolgt ist und dass diejenigen Personen, die als Asylsuchende oder schutzbedürftig anerkannt werden, auch langfristig in Deutschland bleiben werden. Diese Projektion wird als Basisprojektion der vierten Projektionswelle bezeichnet.

Bei der Interpretation dieser Basisprojektion ist jedoch zu beachten, dass nur bislang nachweisbare Verhaltensweisen in die Zukunft projiziert werden. In der Vergangenheit nicht feststellbare Verhaltensänderungen sind somit nicht Teil der Basisprojektion. (…)

Obwohl zu erwarten ist, dass mit der Zuwanderung der Geflüchteten die Anzahl an Personen, die das Bildungssystem ohne beruflichen Abschluss verlassen werden, in naher Zukunft ansteigt, werden langfristig durch das Bevölkerungswachstum auch mehr Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, als dies ohne die hohe Zuwanderung der Fall wäre. Dennoch werden größere Anstrengungen notwendig sein, um Geflüchteten zu einem Berufsabschluss und damit zu größeren Beschäftigungschancen zu verhelfen. Da langfristig vor allem Arbeitskräfte für fachlich ausgerichtete Tätigkeiten fehlen, bietet die Qualifizierung Geflüchteter Potenziale für Engpassberufe. (…)

Engpässe werden um das Jahr 2035 in „Bauberufen, Holz-, Kunststoffbe- und -verarbeitung“, „Technischen Berufen“ und in den „Gesundheitsberufen“ ersichtlich. Im Gegensatz zu früheren Projektionen reichen die von den Erwerbspersonen angebotenen Arbeitsstunden (Arbeitsvolumenpotenzial) nicht aus, um die Arbeitsnachfrage zu stillen. Dies liegt vor allem daran, dass sich sowohl die durchschnittlichen Arbeitsstunden wie auch die gewünschten Arbeitsstunden seit 2005 nahezu kontinuierlich reduziert haben. Es bleibt offen, inwieweit zusätzliche, über das vergangene Maß hinausgehende Investitionen in eine Digitalisierung der Wertschöpfungskette den in dieser Basisprojektion errechneten Bedarf an Erwerbstätigen und benötigten Arbeitsstunden aufgrund von zusätzlichen Produktivitätssteigerungen obsolet erscheinen lassen. (…)

Vorausgesetzt, dass sich die Qualifikationsstruktur innerhalb eines Anforderungsniveaus ab 2013 nicht ändert („konstantes Einstellungsverhalten“), würde das Arbeitsangebot an Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung in der mittleren Frist noch den Bedarf übersteigen. Ab dem Jahr 2026 würde das Angebot aber unter den „Bedarf“ in dieser Qualifikationsstufe fallen. (…) Bei „niveauadäquater“ Erwerbstätigkeit sollten Personen ohne beruflichen Abschluss in Helfertätigkeiten, Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung in fachlich ausgerichteten Tätigkeiten, Personen mit Meister-/Techniker-/Fortbildungsabschluss in komplexen Spezialistentätigkeiten und Akademiker/-innen in hochkomplexen Tätigkeiten erwerbstätig sein. Sowohl Personen in Bildung, ohne abgeschlossene Berufsausbildung als auch mit Meister- / Techniker- / Fortbildungsabschluss waren 2013 jedoch am häufigsten in fachlich ausgerichteten Tätigkeiten erwerbstätig. Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung sind zu jeweils knapp über 10 Prozent sowohl in Helfertätigkeiten als auch komplexen Spezialistentätigkeiten zu finden. (…)

Das Angebot an Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung sinkt hingegen stärker als der Bedarf an fachlich ausgerichteten Tätigkeiten, und der Bedarf an Helfertätigkeiten geht weniger stark zurück als das Angebot an Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Dennoch waren die Erwerbschancen dieser Personengruppe am geringsten, da die Helfertätigkeiten zu über 60 Prozent von Personen ausgeübt werden, die entweder mindestens eine Berufsausbildung haben oder sich noch in Ausbildung befinden. (…)

Inwieweit sich das Einstellungsverhalten der Unternehmen vor dem Hintergrund eines zunehmenden Angebotes an Akademikern ändern wird, kann derzeit nicht beurteilt werden. (…)

Geht man jedoch davon aus, dass Unternehmen verstärkt auf Personen mit höheren Abschlüssen zurückgreifen, wenn diese dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, dann würde sich in allen Qualifikationsstufen der Arbeitskräftebedarf dem Angebot annähern (…) und Akademiker/-innen würden weiterhin ein geringeres Erwerbslosigkeitsrisiko eingehen. (…)“

Link: www.bibb.de/bibbreport

Link: www.qube-projekt.de

Quelle: Bundesinsitut für Berufsbildung (BIBB)

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