Erkenntnisse aus dem Workshop im Rahmen des Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages (DJHT) 2025 in Leipzig
Zu den Handlungsmöglichkeiten der Jugendsozialarbeit in Bezug auf Schulabsentismus organisierten IN VIA Deutschland im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) einen Workshop . Die Veranstaltung im Rahmen des Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages (DJHT) besuchten rund 200 Teilnehmer*innen, größtenteils aus der Praxis der Jugend- und Schulsozialarbeit.
Zu Beginn der Veranstaltung bot Stephanie Warkentin, Projektleitung des bundesweiten Projektes „Schule – ohne mich!? Neue Entwicklungen und Handlungsanforderungen bei Schulabsentismus“ von IN VIA Deutschland/BAG KJS Einblicke ins das Phänomen „Schulabsentismus“. Ihr Fachvortrag beleuchtete zentrale Forschungserkenntnisse und skizzierte aktuelle Entwicklungen in der Jugendsozialarbeit zum Umgang damit. Deutlich wurde:
- Ursachen und Ausprägungen von Schulabsentismus sind vielfältig: Sie reichen vom aversionsbedingten Schulschwänzen, bei dem die Schüler*innen die Schule als unangenehm oder belastend erleben, über die angstbedingte Schulvermeidung, bei der Prüfungsangst, Mobbingerfahrungen oder etwa Trennungsangst im Vordergrund stehen können, bis hin zum elternbedingten Zurückhalten vom Schulbesuch. Hier wird die Schulpflicht durch die Erziehungsberechtigten entweder bewusst oder unbewusst infrage gestellt.
- Ein Anstieg von Schulabsentismus ist aus Forschungsergebnissen und Praxiserfahrungen abzulesen. Dabei zeigt sich, dass die Corona-Pandemie und die zeitweisen Schulschließungen zu diesem Anstieg beigetragen haben. Dennoch ist bereits seit über 10 Jahren ein Anstieg des Absentismusverhaltens junger Menschen zu verzeichnen.
- Indizien für Schulabsentismus bieten auch beispielsweise der Anstieg an Schulabgängen ohne mindestens ersten Schulabschluss sowie die steigende Zahl junger Menschen mit psychischen Schwierigkeiten und mangelndem Wohlbefinden an Schulen.
- Bundesweit gibt es jedoch eine unzureichende Datenlage zum Phänomen Schulabsentismus aufgrund unterschiedlicher Erfassung in den Bundesländern und von einzelnen Schulen.
- Frühes Handeln von Schulen im multiprofessionellen Kontext sind im Umgang mit schulabsentem Verhalten entscheidend.
- Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit handeln präventiv und intervenieren mit verschiedenen Ansätzen, teils in und mit Schulen, teils außerhalb von Schulen in eigenständigen Angeboten.
Im Anschluss an den Vortrag präsentierten zwei Praxisbeispiele konkrete Handlungsansätze zur Prävention und Intervention von Schulabsentismus:
- Schulsozialarbeit, die in enger Kooperation mit Schule gemeinsam präventiv und früh intervenierend arbeitet (Claudia Al-Nahawi, Sozialkritischer Arbeitskreis Darmstadt e. V.)
- Ein außerschulischer Lernort, der neuen Zugang zum Lernen ermöglicht und mit den jungen Menschen Perspektiven entwickelt (Anja Sens, Zukunftswerkstatt e.V. Leipzig, Jugendwerkstatt TAKE OFF)
Danach diskutierten die Teilnehmenden übergreifende Handlungsoptionen. Wie in den Praxisbeispielen deutlich wurde, sind folgende Faktoren entscheidend, um Schulabsentismus erfolgreich begegnen zu können:
- präventives Handeln und frühzeitige Intervention aller Fachkräfte an Schulen
- multiprofessionell abgestimmte gemeinsame Haltung und Ziele (u. a. durch Förderung von Gremienarbeit)
- Kultur der Offenheit im Lern- und Lebensort Schule fördern
- verlässliche Dokumentation von Fehlzeiten auf Basis abgestimmter Kriterien (flächendeckend)
- gelingende Beziehungsarbeit und stabilisierende Begleitung u. a. durch aktives Nachfragen und Zuhören (z. B. Ressourcenorientierung statt Sanktionen)
- niedrigschwellige Anlaufstellen etablieren z. B. über die Schulsozialarbeit
- Stärkung der Selbstwirksamkeit junger Menschen und Partizipation
- Elternarbeit
In der Kritik stehen unzureichende Ressourcen für die Facharbeit – personell, finanziell und zeitlich. Gleichzeitig ist der Bedarf an Begleitung bei Schulabsentismus sowie an alternativen schulischen Angeboten kontinuierlich hoch. Im Plenum stand wiederholt die Frage nach Anpassungen des Schulsystems im Mittelpunkt. Hierfür sind jugend- und bildungspolitisch Verantwortliche gleichermaßen gefragt.
Im Projekt „Schule – ohne mich!? Neue Entwicklungen und Handlungsanforderungen bei Schulabsentismus“ von IN VIA Deutschland/BAG KJS wird an diese Erkenntnisse angeknüpft. Geplant sind verschiede Formate zur Erarbeitung von übertragbaren Leitfäden für die Praxis sowie von politischen Handlungsanforderungen, um Schulabsentismus perspektivisch vermeiden zu können.
Die Beiträge der Veranstaltung sind als Dokumentation auf den Webseiten von IN VIA Deutschland und der BAG EJSA zu finden.
Autorinnen: Julia Schad-Heim und Stephanie Warkentin, Fachreferentinnen bei IN VIA Deutschland e.V. im Netzwerk der BAG KJS