Armut: Paus legt erste konkrete Ideen zur Kindergrundsicherung vor

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) legte in einem Eckpunktepapier ihre Vorstellung einer Kindergrundsicherung vor. Das Magazin „Wirtschaftswoche“ hatte zuerst darüber berichtet. In ersten Reaktionen begrüßten Verbände die Konkretisierung des Vorhabens. Aus dem FDP geführten Finanzministerium wurde verhalten auf das Konzept reagiert: Alle Koalitionsvorhaben müssten in den Bundeshaushalt passen. Außerdem müsse die Wirkung auf den Arbeitsmarkt geprüft werden. Die SPD hingegen stellte sich hinter das Konzept. Es hat zum Ziel, mehr Geld an Bedürftige auszuzahlen und auch sicherzustellen, dass mehr Familien von der Unterstützung profitieren. 

Das Kindergeld soll der Vergangenheit angehören. Stattdessen ist ein einkommensunabhängiger Garantiebetrag in gleicher Höhe für alle jungen Menschen geplant. Für Kinder und Jugendliche in einkommensschwachen Familien soll ein Zusatzbetrag beantragt werden können, der mit steigendem Familieneinkommen abgeschmolzen wird. 

Die Einführung einer Kindergrundsicherung ist eines der zentralen Projekte der Ampel-Regierung in der Armutsbekämpfung. Nach dem Willen der Bundesfamilienministerin soll sie ab 2025 ausgezahlt werden. Paus hatte angekündigt, einen Gesetzentwurf nach der Sommerpause 2023 vorzulegen. Aktuell leben etwa 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland von staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung, davon 1,6 Millionen trotz Erwerbstätigkeit der Eltern. Im Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ dokumentiert die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V., dass im Jahr 2021 in Deutschland 4,18 Millionen junge Menschen unter 25 Jahren armutsgefährdet waren.

Zwei Komponenten für eine Kindergrundsicherung

Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: dem einkommensunabhängigen Garantiebetrag und einem nach Alter der Kinder und Jugendlichen gestaffelten Zusatzbeitrag, der vom Einkommen des Kindes und der Eltern abhängt. Der Garantiebetrag der Kindergrundsicherung soll mindestens der Höhe des dann geltenden Kindergelds entsprechen. Derzeit sind das 250 Euro pro Kind. Für einkommensschwache Familien ist ein Zusatzbetrag vorgesehen, in dem auch bisherige sozialpolitische Leistungen wie der Kinderzuschlag gebündelt werden. Das Ganze soll möglichst einfach erfolgen und Anträge digital gestellt werden können. 

Nach Vorstellung von Paus müsste die Leistung proaktiv und „einfach“ an die Familien gebracht werden. Familien, deren Einkommen eine bestimmte Grenze unterschreite, sollten über die Finanzbehörden gezielt angesprochen werden, kündigte sie an. Über die Höhe der Leistungen jenseits des Garantiebetrags machte Paus noch keine Angaben. Das sei auch wegen der Inflation schwierig. Ein Forschungskonsortium rund um das Institut zur Zukunft der Arbeit habe im Dezember den Zuschlag erhalten, die Berechnungen vorzunehmen. Wann Ergebnisse dazu vorliegen, ist nicht bekannt. 

Kindergrundsicherung nur unter Bedingungen für junge Erwachsene bis 25 Jahre

Die BAG KJS fordert im Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ zur Bekämpfung von Jugendarmut eine teilhabeorientierte Grundsicherung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Sie soll auch dann absichern, wenn junge Menschen sich nicht in Ausbildung befinden oder Ausbildungsgänge durchlaufen. Junge Menschen müssten die Jugendphase als Zeit des sich Entwickelns und Ausprobierens erleben können, ohne dass dieses „der Jugend die Jugend ermöglichen“ vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Das von Paus vorgelegte Konzept nennt jedoch unverändert als Anspruchsvoraussetzungen über das 18. Lebensjahr hinaus das Absolvieren einer Ausbildung. 

Keine Anrechnung des Garantiebetrags geplant

Das vorgelegte Konzept verzichtet darauf, den Garantiebetrag bei Bezug von Bürgergeld auf den Bedarf von Eltern oder anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, auch wenn der existenzsichernde Bedarf des Kindes oder Jugendlichen durch eigenes Einkommen wie z.B. Unterhaltszahlungen oder Renten gedeckt wird. Paus will damit dazu beitragen, die Rechtsposition von Kindern und Jugendlichen zu stärken. 

Viele Fragen bleiben offen und zwischen den Ministerien strittig. 

Quelle: BMFSFJ; Wirtschaftswoche; tagesschau.de; KNA; epd; Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen 

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