Jugendarmut nachhaltig verhindern.
Positionspapier der BAG KJS

Zentrale Forderungen gegen Jugendarmut ## Die Würde von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Mittelpunkt des Handelns stellen

Junge, von Armut betroffene oder bedrohte Menschen dürfen nicht auf Leistungsempfänger/-innen reduziert werden, die im schlechtesten Fall in kein „Angebot passen“, „aussanktioniert“ und von allen aufgegeben im Niemandsland unseres Sozialstaates landen. Die Würde eines jeden jungen Menschen, nicht primär seine über diverse Assessments festgestellten vorhandenen oder nicht vorhandenen Kompetenzen, steht im Mittelpunkt.
##Mehr ganzheitliches Fördern statt einseitiges Fordern

Jugendliche und junge Erwachsene stehen zahlreichen (Heraus-)Forderungen gegenüber, die sie auf dem Weg ins Erwachsensein zu meistern haben. Nicht alle jungen Menschen haben in ihrer Kindheit von familiärer und gesellschaftlicher Seite die notwendigen Voraussetzungen erhalten, um den (Heraus-)Forderungen des Lebens selbstbewusst begegnen zu können. Statt einem noch Mehr an Forderungen benötigen diese jungen Menschen adäquate, individuelle Förderung. Die Jugendhilfe muss im Zusammenspiel der Sozialgesetzbücher II, III, und VIII eine eindeutige Koordinierungsfunktion erhalten. Dies bedeutet, die bestehenden Gesetze dahingehend zu entwickeln und zu profilieren, dass ihre Leistungen kombinierbar werden. So können junge Menschen in ihren spezifischen Lebens- und Problemlagen, bei ihrer persönlichen, schulischen und beruflichen Entwicklung unterstützt werden.
##Jugendarmut durch gezielte und sinnvolle staatliche Transferleistungen wirksam bekämpfen

Der Regelbedarf im Sinne eines altersspezifischen soziokulturellen Existenzminimums von Jugendlichen muss ermittelt werden und der monatliche ALG II-Regelsatz entsprechend nach oben korrigiert werden. Zudem müssen die Regelsätze den Preissteigerungen für Güter in für Jugendliche relevanten Lebensbereichen angepasst werden.
Aufmerksam muss in den nächsten Monaten beobachtet werden, in wie weit hier eine verfassungsgemäße Umsetzung des BVG-Urteils vom 9. Februar 2010 erfolgt und unterstützende Sachleistungen gerade zur Förderung im Bereich Bildung sinnvoll umgesetzt werden. Wie und wo kann Jugendarmut wirksam bekämpft werden?
Bekämpfung von Jugendarmut ist nicht nur Aufgabe des Staates, sondern gemeinsame Aufgabe der einzelnen Bürgerinnen und Bürger sowie aller gesellschaftlich relevanten Gruppen. Kirche und ihre Institutionen sind gefordert, jungen Menschen Perspektiven zu ermöglichen und Unterstützung zu leisten. In strukturschwachen Räumen ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass gerade Angebote für junge Menschen zur Verfügung stehen.

Was ist zu tun? ## Tatsächliche Lehr- und Lernmittelfreiheit für alle Kinder und Jugendlichen.
Eine allgemeine Lehr- und Lernmittelfreiheit kommt allen Kindern und Jugendlichen direkt zu Gute und verhindert die unnötige Stigmatisierung einkommensschwacher Familien.
##Bildungsungleichheit muss abgebaut und die Lernbedingungen für alle Schülerinnen und Schüler müssen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft verbessert werden.
Längeres gemeinsames Lernen, Abbau der Selektivität, hin zu einem Schulsystem, mit multiprofessionellen Teams an Schulen, an denen individuelle Förderung und Hilfe zum Standard gehören, sind deshalb von Nöten. …
##Soziale Teilhabe junger Menschen muss nicht nur im schulischen Kontext sichergestellt werden, sondern auch in außerschulischen Bezügen, wie Vereinsleben, kulturellen und anderen Aktivitäten. Sie gewährleistet musische, sportliche und andere non-formale und informelle Bildungsmöglichkeiten.
##Auslandsaufenthalte dürfen nicht von der Finanzierung der Eltern abhängig sein. Wenn Jugendliche aus einer so genannten Bedarfsgemeinschaft überhaupt schon die notwendigen Ressourcen für einen Auslandsaufenthalt aufbringen können, wird der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum des Aufenthalts der Regelsatz für diesen jungen Menschen gestrichen. Dies verhindert jegliche verbliebene Chance dieser Jugendlichen auf einen Auslandsaufenthalt. …
##Kostenfreies Mittagessen für alle Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen. Eine allgemein kostenfreie Mittagsverpflegung kommt allen Schülerinnen und Schülern direkt zu Gute und verhindert die unnötige Stigmatisierung einkommensschwacher Familien durch z.B. den Nachweis der „Bedürftigkeit“.
##Die Gesundheitsprävention für junge Menschen muss ausgebaut werden. Gesundheitsangebote müssen niedrigschwellig und nach sozialräumlichen Überlegungen gestaltet werden. Derzeit sind junge Menschen, die in Armut leben, häufiger von Krankheiten betroffen. Es besteht wenig Kenntnis über spezifische Gesundheitsthemen….
##Das so genannte Auszugsverbot nach § 22 Abs. 2a SGB II muss gelockert werden. Bei jungen Erwachsenen, für deren weitere Entwicklung der Verbleib in der Bedarfsgemeinschaft nicht förderlich ist, muss das selbstständige Wohnen aktiv unterstützt werden.
In der Übergangsphase kann das sozialpädagogisch begleitete Jugendwohnen nach § 13 Abs.3 SGB VIII genutzt werden, um junge Menschen das Verlassen der familiären Bedarfsgemeinschaft zu ermöglichen.
##Individuellen Entwicklungschancen müssen insbesondere bei jungen Menschen mit besonderen Problemlagen durch Angebote der offenen, bedingungslosen und aktivierenden Jugendsozialarbeit individuell aus Sicht der Jugendhilfe, § 13 SGB VIII, gefördert werden. Derzeit gilt das Prinzip des „Förderns und Forderns“, das oftmals auf Seiten der Forderung unerfüllbar hohe Ansprüche an junge Menschen in besonderen Problemlagen formuliert. Häufig wird eine Förderung und damit eine individuell notwendige Hilfeleistung kausal mit Forderungen verknüpft, was zu einem Ausschluss der jungen Menschen aus den Hilfesystemen führen kann. Hier müssen vielmehr wertschätzende pädagogische Maßnahmen im Vordergrund stehen und nicht ausschließlich Sanktionen. …
##Die im Vergleich zu Erwachsenen schärfere Sanktionierung von Jugendlichen im Rahmen des SGB II muss beendet werden. Die BAG KJS schließt sich der Forderung nach Abschaffung des § 31 Absatz 5 SGB II an. Damit könnten Jugendliche nicht mehr in ihrem Leistungsbezug sofort um 100 % gekürzt werden. Es ist erforderlich, betroffene Jugendliche so weit wie möglich mit jugendhilfegemäßen Maßnahmen zu fördern und sie keinesfalls aufzugeben.
##Finanzkompetenz von Jugendlichen muss durch entsprechende Förderprogramme gezielt weiterentwickelt werden, mit denen Bildungsangebote zum Umgang mit Geld und Verhinderung von Verschuldung finanziert werden. Beratungsangebote liegen vor allem im nachsorgenden Bereich. Wenn Jugendliche Beratung in Anspruch nehmen, sind sie meist schon hoch verschuldet. Präventive Bildungs- und Beratungsangebote können Ver- und Überschuldung verhindern.

Das Positionspapier „Jugendarmut nachhaltig verhindern.“ in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

www.jugendarmut.info

Quelle: BAG KJS

Dokumente: Positionspapier_Jugendarmut_nachhaltig_verhindern.pdf

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