Auszüge aus den IAB-Analysen zu vorzeitig gelösten Ausbildungsverträgen in der dualen Ausbildung in Thüringen von Ingrid Dietrich und Birgit Fritzsche:
“ … In Thüringen wurden im Jahr 2012 weniger Ausbildungsverträge in der dualen Ausbildung neu abgeschlossen als im Vorjahr. Ebenfalls verringerte sich in diesem Zeitraum die Zahl der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge. Dieser Rückgang war zwar in absoluten Zahlen geringer, in Prozenten jedoch stärker als bei der Zahl der Neuabschlüsse. Daraus resultierte ein Sinken der Quote der vorzeitigen Lösungen im Jahr 2012. …
Ausbildungssituation in Thüringen
… Der Rückgang der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge betraf – … – vor allem die ungeförderten bzw. überwiegend betrieblich finanzierten Ausbildungsverhältnisse (-510). Demgegenüber verringerte sich die Zahl der überwiegend öffentlich geförderten Berufsausbildungsverhältnisse um 132, wobei der größte Teil (-72) auf die Ausbildung für Menschen mit Behinderung (Reha) entfiel. Nur 9,7 Prozent (1.065) der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge waren 2012 überwiegend öffentlich geförderte Berufsausbildungsverhältnisse. …
2012 befanden sich in Thüringen 28.770 Jugendliche in einer dualen Berufsausbildung. Ihre Zahl sank gegenüber dem Vorjahr um 2.646 (-8,4 %) und im Vergleich zu 2007 um etwa zwei Fünftel (-39,8 %). Gegenüber 2002 hat sich die Zahl der Auszubildenden nahezu halbiert (-47,6 %).
Die Ausbildung im dualen System erstreckt sich in Thüringen auf sechs Ausbildungsbereiche: Industrie und Handel …, Handwerk, Landwirtschaft, Öffentlicher Dienst, Freie Berufe und Hauswirtschaft. … Bei den Männern sank die Zahl der Neuabschlüsse von 7.257 in 2011 auf 6.903 in 2012 (-354); bei den Frauen wurden in 2012 mit 4.029 Neuabschlüssen 291 weniger registriert als im Vorjahr (4.320). … Nahezu zwei Fünftel (36,9 %) der Ausbildungsverträge des Jahres 2012 wurden von jungen Frauen abgeschlossen. Der Frauenanteil variierte zwischen 24 Prozent in den Ausbildungsbereichen
Handwerk und Landwirtschaft, 37 Prozent in Industrie und Handel, 61 Prozent im Öffentlichen Dienst und rund 90 Prozent in der Hauswirtschaft sowie in den Freien Berufen. …
Zahl der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge unter Vorjahresniveau
Zu den vorzeitig gelösten Ausbildungsverträgen zählen die vor Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag genannten Ausbildungszeit gelösten Ausbildungsverträge im jeweiligen Berichtsjahr. … Verträge können sowohl durch den Ausbildungsbetrieb als auch durch den Auszubildenden gekündigt werden. Eine Vertragslösung führt nicht zwangsläufig zu einem endgültigen Abbruch der Berufsausbildung, sondern geht oftmals mit einem Berufs- und/oder Betriebswechsel einher. Aus dem vorliegenden Datenmaterial geht nicht hervor, von welcher Seite – Auszubildender oder Ausbildungsbetrieb – die Vertragslösung initiiert wurde. Im Bundesdurchschnitt wird der Anteil der Vertragslösungen, die von den Auszubildenden veranlasst werden, auf etwa 60 Prozent beziffert. … Über den Anteil der „echten“ Ausbildungsabbrecher als Teilgruppe der vorzeitigen Lösungen liegen in der amtlichen Berufsbildungsstatistik ebenfalls keine Daten vor, weil der Verbleib der Auszubildenden mit einer vorzeitigen Vertragslösung nicht erfasst wird. …
Die Lösungsquote bringt den Anteil der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge an allen begonnenen Ausbildungsverhältnissen zum Ausdruck. … Im Jahr 2012 sank in Thüringen die Lösungsquote über alle Ausbildungsberufe auf 29,1 Prozent (Vorjahr: 29,6 %). … Es zeigt sich seit Mitte der 2000er-Jahre ein kontinuierliches Ansteigen der Quote bis 2011. Dennoch ist bemerkenswert, dass seit dem Jahr 2005 die Thüringer Lösungsquote – mit Ausnahme des Jahres 2010 – unter dem Durchschnitt der neuen Länder und Berlin lag. …
Geringeres Lösungsrisiko bei Auszubildenden mit höheren Schulabschlüssen
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Maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Vertragslösungsquote übt die schulische Vorbildung der Auszubildenden aus. Auszubildende mit höheren Schulabschlüssen verzeichnen ein weitaus geringeres Lösungsrisiko als die übrigen Schulabschlussgruppen. So betrug im Berichtsjahr 2012 die Lösungsquote bei den Ausbildungsverträgen mit Hochschul-/Fachhochschulreife 14,8 Prozent und mit Realschul- oder gleichwertigem Abschluss 27,6 Prozent. Demgegenüber betrug sie bei den Ausbildungsverträgen mit Hauptschulabschluss 40,4 Prozent und ohne Hauptschulabschluss 42,9 Prozent. …
Weiterhin stellte sich heraus, dass vorzeitige Vertragslösungen in Thüringen im Jahr 2012 häufiger von Auszubildenden im Alter von 21 und 22 Jahren vorgenommen wurden, ihre Lösungsquote betrug 32,9 Prozent und 31,4 Prozent. Bei den älteren Auszubildenden (31,8 %) war das Lösungsrisiko ebenfalls vergleichsweise hoch. …
Gründe für vorzeitige Vertragslösungen
Die Vertragslösungsquote in der dualen Ausbildung in Thüringen bewegt sich seit Jahren auf einem hohen Niveau , obwohl sich mittlerweile die Ausbildungssituation verändert hat. So verbesserte sich die Angebots-Nachfrage-Relation auf dem Thüringer Ausbildungsstellenmarkt von 94,8 im Jahr 2006 auf 107,3 im Jahr 2012. Das bedeutet, dass 2012 rechnerisch deutlich
mehr Ausbildungsplatzangebote auf 100 Ausbildungsplatznachfrager entfielen als 2006. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre auf Bundesebene zeigen, „dass sich die Lösungsquote in Zeiten einer Entspannung am Ausbildungsstellenmarkt erhöht und bei zunehmendem Ausbildungsplatzmangel abnimmt“. Plausibel wäre aber auch, dass sich bei günstigerer Marktlage die Chancen der Jugendlichen verbessern, von vornherein einen Ausbildungsplatz im Wunschberuf oder Wunschbetrieb zu erhalten. Dies könnte die Lösungswahrscheinlichkeit verringern. Auch aus der Sicht der Ausbildungsbetriebe kann die veränderte Marktlage die Ursache sowohl für ein Ansteigen als auch für ein Sinken der Lösungsquote sein. Aufgrund der demografischen Entwicklung nimmt die Zahl der jungen Frauen und Männer ab, die sich für eine duale Ausbildung bewerben, sodass die Betriebe auch eher weniger präferierte Bewerber mit einem unter Umständen höherem Lösungsrisiko einstellen. Die veränderte Marktlage könnte aber auch dazu führen, dass sich im Konfliktfall die Unternehmen mangels Alternativen weniger schnell von diesen Auszubildenden trennen. Daraus lässt sich ableiten, dass denkbare Zusammenhänge zwischen der Ausbildungsstellenmarktlage und der Lösungsquote nicht eindeutig sind. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Gründe für vorzeitige Vertragslösungen vielfältig und mitunter sehr komplex sind.
… Im Juni 2012 wurden Berufsschüler am Ende des ersten Ausbildungsjahres … nach den Gründen für eine vorzeitige Vertragslösung schriftlich befragt. An der Befragung beteiligten sich rund 1.100 Auszubildende, darunter knapp ein Fünftel mit Lösungserfahrung. Die Befragung zielte darauf ab, herauszufinden, welche Gründe in der Vergangenheit zu einer Vertragslösung führten, und was die Jugendlichen in der aktuellen Ausbildung zu einer Vertragslösung veranlassen könnte. Die mit Abstand am häufigsten genannten Gründe waren – sowohl in der abgebrochenen als auch in der aktuellen Lehre – ein schlechtes Betriebsklima und Konflikte zwischen Ausbildern und Auszubildenden. Von Bedeutung waren auch Qualitätsmängel in der Ausbildung, gesundheitliche Gründe, Kosten der Ausbildung und falsche Vorstellungen vom Beruf. …
Vorzeitige Vertragslösungen sind für die Betroffenen – die Auszubildenden und die Betriebe – „mit Unsicherheiten, einem Verlust von Zeit, Energie und anderen Ressourcen verbunden“. Berechnungen des BIBB unterstreichen das Risiko, dem Betriebe durch Vertragslösungen ausgesetzt sind. Die zu erwartenden Kosten einer Vertragslösung pro Auszubildenden werden auf Betriebsebene ermittelt, indem die Nettokosten bis zur Vertragslösung mit der durchschnittlichen Vertragslösungsquote des jeweiligen Ausbildungsberufs multipliziert werden. Im Gesamtdurchschnitt liegt dieser Wert bei 1.219 Euro pro eingestelltem Auszubildenden. … „
Die regional-Ausgabe des IAB in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.
Quelle: IAB Regional 2/2014
Dokumente: regional_sat_0214.pdf