Die Studie wurde erstellt im Netz von Eurydice, der Informationsstelle der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur. Als wichtigste Quelle wurden offizielle Daten der zentralen Bildungsbehörden (national wie europäisch) herangezogen. Anhand spezifischer Beispiele veranschaulicht die Studie, inwieweit die europäischen Staaten konkrete politische Maßnahmen zum Thema Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in der Bildung ergriffen und umgesetzt haben.
Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse der Studie Geschlechterunterschiede bei Bildungsresultaten:
„Die Forschung zu Gender und Bildung weist auf die Bedeutung von Geschlechterstereotypisierungen hin
##Die geschlechtsdifferenzierten Ergebnisse der länderübergreifenden Untersuchungen zu den Bildungsleistungen können zwar Indikatoren dafür liefern, wie sich eine nationale Bildungspolitik im Vergleich zu einer anderen auf Aspekte der Gleichstellung auswirkt, sie eignen sich in der Regel jedoch nicht für die gezielte Analyse einzelner Kausalfaktoren, noch können sie etwas darüber aussagen, was getan werden sollte oder könnte, um ein geschlechtergerechteres System zu schaffen.
##Die Vorstellungen der Lehrpersonen von Männlichkeit und Weiblichkeit sind ausschlaggebend für deren Beziehungen mit den Schülerinnen und Schülern und können einen wichtigen Faktor in der Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit in der Schule darstellen. Geschlechterstereotype können außerdem durch die in der Schule bereitgestellten Lehrbücher und Lesematerialien verstärkt oder abgebaut werden.
Gender ist nur einer von mehreren Faktoren, die sich auf die Bildungsleistungen auswirken
##In den meisten Staaten erzielen Schüler und Schülerinnen in der vierten und achten Jahrgangsstufe vergleichbare Ergebnisse in Mathematik. Erst in den höheren Jahrgangsstufen wurde ein Leistungsvorsprung der Jungen insbesondere innerhalb einzelner Bildungsgänge und Jahrgangsgruppen festgestellt.
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##In der Gruppe der Schüler mit den schwächsten Lesekompetenzen sind Jungen insgesamt relativ stark vertreten. In den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften wurden in den meistenStaaten keine Geschlechterunterschiede in der Gruppe der leistungsschwachen Schüler festgestellt. In rund einem Drittel der europäischen Bildungssysteme wurden verhältnismäßig viele Mädchen als Schüler mit relativ schwachen Leistungen in Mathematik eingestuft.
##Das Geschlecht ist nur einer von mehreren Faktoren, die sich auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Fachbereichen auswirken. Ein ausschlaggebender Faktor ist auch der sozioökonomische Status der Lernenden, daher ist es wichtig, bei der Förderung von leistungsschwachen Kindern neben dem Genderaspekt auch deren familiären Hintergrund zu berücksichtigen.
Geschlechtergerechtigkeit ist in vielen Staaten ein Thema, oft fehlt jedoch eine allgemeine Gleichstellungspolitik
##Das übergeordnete Ziel der Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter im Bildungswesen besteht üblicherweise darin, die traditionellen Geschlechterrollen und -stereotype in Frage zu stellen. In Zusammenhang mit diesem allgemeinen Ziel werden je nach Staat unterschiedliche Einzelaspekte in den Vordergrund gestellt, insbesondere die Bekämpfung von geschlechterbezogener Belästigung und Gewalt, die Verbesserung der Repräsentation von Frauen in Entscheidungsorganen oder die Veränderung von geschlechtsbezogenen Leistungsmustern. Die Bandbreite der politischen Rahmenvorgaben reicht dabei von keinen politischen Maßnahmen bis hin zur Definition eines breiten Spektrums von Problembereichen.
##Die europäischen Staaten haben zwar eine Vielzahl an politischen Einzelmaßnahmen umgesetzt, häufig fehlt es jedoch an einer übergeordneten Gesamtstrategie. Genauer gesagt: obwohl fast alle Staaten die Absicht erklärt haben, Frauen und Männern gleiche Chancen zu bieten, haben nur wenige Staaten explizit das Ziel formuliert, die Chancengleichheit in Bezug auf die Bildungsresultate zu verwirklichen, und nur wenige Staaten haben die Gender-Mainstreaming-Strategie im Bildungsbereich erfolgreich umgesetzt. …
Geschlechterstereotypisierungen entgegenwirken: Veränderungen auf der Ebene der Lehrpläne, der Bildungs- und Berufsorientierung und des Schulklimas
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##In vielen europäischen Staaten gibt es interessante Einzelinitiativen und Projekte zur Beseitigung von Geschlechterstereotypen in der Berufswahl und zur Unterstützung von jungen Menschen in der Schule durch systematische geschlechtersensible Bildungs- und Berufsorientierungsmaßnahmen. Nur selten jedoch sind diese Maßnahmen in eine allgemeine nationale Strategie eingebunden. Ferner besteht offenbar ein Mangel an Initiativen, die sich speziell an Jungen richten.
##Sofern überhaupt Maßnahmen eingerichtet wurden, die sich mit den „heimlichen Lehrplänen“ und dem Schulklima auseinandersetzen, haben diese in der Regel die Bekämpfung der geschlechterbezogenen Gewalt und Belästigung in der Schule zum Gegenstand. Allerdings haben nur wenige Staaten dieses Ziel zu einer übergreifenden Priorität erklärt, in den meisten Staaten beschränkt sich die Auseinandersetzung mit diesem Thema auf eher sporadische oder spezifische Initiativen.
Maßnahmen zur Beseitigung von geschlechtsspezifischen Leistungsunterschieden konzentrieren sich meistens auf das Underachievement von Jungen
##Jungen sind häufiger vom Schulabbruch betroffen als Mädchen, wohingegen mehr Mädchen den Sekundarbereich II erfolgreich abschließen. Mädchen erzielen in den Schulabschlussprüfungen zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung in der Regel höhere Noten und Erfolgsquoten, was ihnen wiederum den Zugang zu den gewünschten Hochschulstudiengängen erleichtert. Allerdings gibt es sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen besonders benachteiligte Gruppen von leistungsschwachen Schülern.
##Die meisten Staaten erwähnen die Problematik dieser bildungsbenachteiligten Gruppen, wobei vor allem auf die Leistungsdifferenzen zwischen Schülern mit unterschiedlichem sozioökonomischem Status, ethnischen Hintergrund und aus unterschiedlichen Wohngebieten (ländlichen/städtisch) hingewiesen wird. Innerhalb dieser Gruppen wird dem Genderaspekt im Sinne einer besonderen Beachtung von Mädchen oder Jungen in der Regel kaum Aufmerksamkeit geschenkt, obgleich auch hier geschlechtsspezifische Muster zu erkennen sind.
##Das Gros der politischen Maßnahmen zur Beseitigung von geschlechtsspezifischen Leistungsunterschieden bezieht sich auf den Problemkomplex „Underachievement von Jungen“ (die im Vergleich zu den Mädchen schwachen Leistungen der Jungen). Nur in einigen Staaten wurden spezielle Programme entwickelt, um die Lesekompetenzen der Jungen und die Leistungen der Mädchen in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften zu verbessern.
Auf den unteren Bildungsebenen sind Lehrkräfte meistens Frauen
##Im Gegensatz dazu werden Positionen im Bildungsmanagement größtenteils von Männern bekleidet, und hier mangelt es ganz offensichtlich an nationalen Initiativen, die auf die Förderung einer ausgewogeneren Geschlechterverteilung abzielen.
##In der Lehrerbildungspolitik wird die Genderperspektive nur bedingt berücksichtigt, das gilt in Bezug auf die Lehrererstausbildung ebenso wie in Bezug auf das Fortbildungsangebot für Lehrer und Schulleiter. Inwieweit Genderaspekte in der Lehrerbildung berücksichtigt werden, bleibt weitgehend der Initiative der einzelnen Lehreraus- und -fortbildungseinrichtungen überlassen.
Die Studie in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link oder dem Anhang.
www.Eurydice.org
http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/thematic_studies_en.php
www.bildungsserver.de/link/gender_eurydice_2010_deutsch
Quelle: Europäische Kommission – Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur; Eurydice-Netz 2009; Deutscher Bildungsserver