Anregungen an eine neue Bundesregierung aus Sicht der Jugendsozialarbeit

Anregungen an eine neue Bundesregierung aus Sicht der Jugendsozialarbeit Aus dem Schreiben der BAG Jugendsozozialarbeit an die neue Bundesregierung, die Parteivorsitzenden und die Ministerpräsidenten vom 4.11.2005: “ …die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD möchten wir zum Anlass nehmen, Ihnen die Anregungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit e. V. zur Gestaltung zukünftiger Jugend-, Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Migrationspolitik zu unterbreiten. Die BAG Jugendsozialarbeit e. V. ist der Zusammenschluss der Träger für Jugendsozialarbeit auf Bundesebene. Im Interesse individuell beeinträchtigter und sozial benachteiligter Jugendlicher würden wir uns sehr freuen, wenn unsere Anregungen bei weiteren Planungsschritten für die nächste Legislaturperiode berücksichtigt würden. Der Respekt vor dem Recht junger Menschen auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihrer gesellschaftlichen Teilhabe erfordert, ihnen einen qualifizierten Start in das Berufsleben und in Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Nur so ist für viele junge Menschen eine eigenständige und selbstverantwortliche Lebensführung möglich. Ein Leben ohne Erwerbsarbeit führt hingegen zu dauerhafter Abhängigkeit von staatlicher Alimentation und Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Wesentliche Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft sind eine qualifizierte Bildung, Ausbildung und Arbeit sowie ein Lebensmittel-punkt, wie er durch ein entwicklungsfreundliches Wohnen zum Ausdruck kommt. Die zukünftige Politik muss sich aus Sicht der Jugendsozialarbeit diesen umfassenden und vielschichtigen Aufgaben stellen. Dazu ist es notwendig, dass mit einer Gesetzgebung auf Bundesebene die Bundesregierung die Politik der Länder durch politische Initiativen, Kampagnen und Modellprogramme unterstützt und Rahmenbedingungen schafft, die dafür sorgen, dass zukunftsweisende Konzepte auf kommunaler Ebene umgesetzt werden können. Die Bundeskompetenz für Jugendpolitik muss unbedingt erhalten bleiben. Nur so kann dafür Sorge getragen werden, dass das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu vergleichbaren Bedingungen stattfindet. Deutschland muss den „Europäischen Pakt für die Jugend“ konsequent umsetzen, um damit die Bildung und Integration junger Menschen als zentrale Faktoren für den Standort und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu verankern. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit e.V. hat vor diesem Hintergrund folgende Anregungen an die neue Bundesregierung: Die Jugendarbeitslosigkeit muss abgebaut und Ausbildung für alle ermöglicht werden – Angebote der Bundesagentur für Arbeit für benachteiligte Jugendliche müssen erhalten bleiben. Der gleichberechtigte Zugang zum Arbeitsmarkt für benachteiligte Jugendliche muss weiter aktiv gefördert werden. Der Bildung muss ein höherer Stellenwert eingeräumt werden – jeder junge Mensch braucht einen Schulabschluss. Die berufliche Orientierung und die eigenständige Lebensplanung müssen gestärkt werden – präventive, niedrigschwellige und aufsuchende Angebote der Jugendsozialarbeit sind auszubauen. Die Angebote an Berufsvorbereitung und Ausbildung müssen verstärkt/ausgeweitet werden – es gilt der Vorrang für Vermittlung in reguläre Arbeit, Ausbildung oder Berufsvorbereitung. Das Fördern und Fordern muss im Sinne der jungen Menschen angewandt werden – dies bedeutet auch, ihnen eine zweite Chance zu geben. Deutschland ist ein Einwanderungsland – die Integrationspolitik ist mit jugendspezifischen Angeboten und Einrichtungen zu ergänzen. Dazu gehört auch der bedarfsgerechte Ausbau von Jugendmigrationsdiensten.   Die Sprachförderung für MigrantInnen muss weiter qualifiziert werden – ihre Angebote sind an die individuellen Voraussetzungen der Jugendlichen anzupassen. Jungen Flüchtlingen ist Schutz und Förderung zu gewährleisten – die UN-Kinderrechtskonvention ist vollständig umzusetzen – muss entsprechend finanziell unterstützt werden. Gender Mainstreaming soll durchgängig angewandt werden – dazu ist Mädchen- und Jungensozialarbeit weiter auszubauen. Der europäische Pakt für die Jugend muss konsequent umgesetzt werden. In den beigefügten Anlagen werden die hier unterbreiteten Anregungen und Forderungen näher begründet. … Es geht um die Jugend in Deutschland, um ihr Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung. …“ “ Anregungen für eine neue Bundesregierung aus Sicht der Jugendsozialarbeit Jugendarbeitslosigkeit abbauen und Ausbildung für alle ermöglichen Im September 2005 waren über 620.000 Jugendliche bei der Bundesagentur für Arbeit erwerbslos gemeldet. Knapp 41.000 Jugendliche suchen einen Ausbildungsplatz. Trotz der schwierigen Bedingungen auf dem Ausbildungsstellenmarkt muss es Ziel bleiben, allen jungen Frauen und Männern eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit ist nach wie vor eine abgeschlossene Berufsausbil-dung. Insbesondere für sozial benachteiligte, individuell beeinträchtigte und behinderte junge Menschen sowie für junge Menschen mit Migrationshintergrund ist darauf zu achten, dass Ausgrenzungen minimiert und ihnen mit geeigneten Maßnahmen entgegen-gewirkt wird. Für diese jungen Menschen sind Angebote der Bundesagentur für Arbeit auch in den nächsten Jahren unerlässlich. Die Ausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit haben aktuell zu einer massiven Verschlechterung bei den Angeboten für diese Zielgruppe geführt. Preis- statt Qualitätswettbewerb und Planungsunsicherheit führen zwangsläufig zu einer Reduzierung der Qualität der Angebote. Die Ausschreibungspraxis muss daher dringend korrigiert werden. Außerdem müssen die Ergeb-nisse der Ausschreibungen evaluiert und einer politischen Kontrolle unterworfen werden. Die fachlichen Standards müssen erhalten bleiben. Kosteneinsparungen dürfen nicht zu Lasten dieser Standards führen. Die Angebote der Bundesagentur für Arbeit für benachteiligte Jugendliche sind auch in den nächsten Jahren im notwendigen Umfang und unter Berücksichtigung der fachlichen Standards sicherzustellen. Bundespolitische Anstrengungen, wie z.B. der mit der Wirtschaft und den Verbänden abgeschlossene Ausbildungspakt, müssen fortgesetzt werden, damit alle, die eine Berufsausbildung absolvieren möchten, auch einen Ausbildungsplatz erhalten. Diese Bemühungen müssen durch eine verbesserte Kooperation und Vernetzung der relevanten Akteure unterstützt werden. Der Zugang zur betrieblichen Ausbildung muss durch die Initiierung von regionalen Ausbildungsplatzkonferenzen und durch öffentliche Informationskampagnen unterstützt werden. Die öffentlichen Verwaltungen stehen in einer besonderen Verantwor-tung, jungen Menschen mit sozialen Benachteiligungen und/oder Migrationshintergrund den Zugang zur Ausbildung zu erleichtern. Zugang zum Arbeitsmarkt aktiv fördern Ziel der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Jugendpolitik, aber auch der Integrationspolitik muss es sein, dass generell alle jungen Menschen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt und zu staatlicher Förderung haben. In Zeiten hoher allgemeiner Arbeitslosigkeit und bei weiter steigenden SchulabgängerInnenzahlen in den nächsten Jahren bedarf der gleichberechtigte Zugang zum Arbeitsmarkt gerade für benachteiligte Jugendliche entschiedener politischer Unterstützung. Feststellbar ist demgegenüber eine strukturelle Benachteiligung u. a. durch Auswahlkriterien der Betriebe verbunden mit Problemen bei der Anerkennung von Schul-, Ausbildungs- und Berufsabschlüssen bei jungen MigrantInnen sowie Mädchen und jungen Frauen. Diese Benachteiligung gilt auch für Weiterbildungsmaßnahmen in der Arbeitsförderung. Diese wurden von der Bundesagentur für Arbeit in den letzten Jahren aufgrund einer veränderten Geschäftspolitik massiv eingeschränkt. Von den Arbeitsagenturen sind gezielte und bedarfsgerechte Fort- und Weiterbildungs- sowie Umschulungsmaßnahmen für junge Menschen zu fördern. Bildung einen höheren Stellenwert einräumen Die Zahl der Jugendlichen in Deutschland, die die Schule ohne Abschluss verlassen, ist besorgniserregend hoch. Nach Angaben des Deutschen Jugendinstituts (DJI) verlassen 10 % der SchülerInnen, insbesondere männliche Jugendliche, die Schule ohne Schulabschluss. Die steigende Zahl von Schulabbrüchen und Schulverweigerung, vor allen Dingen bei Jungen, jungen Menschen mit Migrationshintergrund und bei jungen Menschen aus bildungsfernen Bevölkerungsschichten, ist alarmierend. Diese Entwicklung macht ein entschiedenes Vorgehen und gezielte Maßnahmen erforderlich. Zielsetzung von Schul- und Bildungspolitik muss es sein, den Anteil von SchulabgängerInnen ohne qualifizierten Abschluss erheblich zu reduzieren. Hierzu müssen vor allen Dingen Konzepte für schulische Integration und Förderung junger Menschen mit Migrationshintergrund weiterentwickelt werden, deren Umsetzung in der Folge sichergestellt werden muss. Insbesondere gilt dies zur Unterstützung von SchülerInnen im Übergang zu weiterführenden Schulformen und als ergänzende Unterrichtsangebote an weiterführenden Schulen. Für alle Kinder im schulpflichtigen Alter muss ungeachtet ihres aufenthaltsrechtlichen Status die allgemeine Schulpflicht gelten und ihnen ein Zugang zu den bestehenden Bildungseinrichtungen ermöglicht werden. Neben der Schule und der Jugendarbeit ist auch die Jugendsozialarbeit ein wichtiges Element in der Bildungsarbeit. Um Perspektivlosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken, wurde im Rahmen der Jugendsozialarbeit ein breites Repertoire alternativer Unterrichtsformen und externer Möglichkeiten zum Nachholen von Abschlüssen entwickelt. Hier greifen formelle und informelle Bildungsangebote ineinander. Alternative Unterrichtsformen der Jugendsozialarbeit – auch außerhalb von Schule – bieten die Chance eines Schulabschlusses und sind deshalb weiter auszubauen. Die Angebote der Jugendsozialarbeit an Schulen müssen in Zukunft allen Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen, da sie geeignet sind, Schulmüdigkeit und Schulversagen entgegen zu wirken. Die Bundesregierung muss in diesem bildungspolitischen Bereich ihre Anregungsfunktion gegenüber den Bundesländern wahrnehmen Berufliche Orientierung und eigenständige Lebensplanung stärken Angesichts der steigenden Anforderungen an Jugendliche in Schule und Beruf gilt es, so früh wie möglich ihr Selbstbewusst-sein, ihre Eigenständigkeit und ihre Ressourcen zu stärken. Insbesondere präventive, niedrigschwellige und/oder aufsuchende Angebote der Jugendsozialarbeit, welche die schulischen und beruflichen Entwicklungsprozesse vorbereiten, begleiten und unterstützen, sind ein bewährtes Instrument, um berufliche Orientierung und Lebenskonzeptentwicklungen zu fördern. Präventive, niedrigschwellige und aufsuchende Angebote der Jugendsozialarbeit müssen ausgebaut werden. Den Kürzungen der finanziellen Mittel für diesen Arbeitsbereich der Jugendhilfe (§ 13 SGB VIII) mit Verweis auf die Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (SGB II) muss durch eine vorausschauende und präventiv ausgerichtete Politik entgegen gewirkt werden. Jugendhilfe hat ihren eigenständigen Zuständigkeitsbereich nach dem SGB VIII. Auch hier sollte der Bund im Rahmen seiner jugendpolitischen Anregungsfunktion einen Schwerpunkt setzen. Angebote an Berufsvorbereitung und Ausbildung sichern Im Rahmen der beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU hat Deutschland sich verpflichtet, die Zahl der jungen Menschen ohne Berufsausbildung bis 2010 um die Hälfte zu reduzieren. An diesem Ziel muss unbedingt festgehalten werden. Hierzu ist die Wirtschaft verstärkt in die Pflicht zu nehmen, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Zudem muss die Integration in versicherungspflichtige Beschäftigung Vorrang haben vor einer Vermittlung in Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsent-schädigung nach dem SGB II. Um berufliche Lebensperspektiven zu eröffnen, muss daher die Vermittlung in Ausbildung, oder reguläre Arbeit oder Berufsvorbereitung grundsätzlich an erster Stelle stehen. Die Durchführung von Arbeitsgelegenheiten nach § 16 SGB II für junge Menschen ist mit Betreuung und Qualifizierung zu verknüpfen und als Brücke in Ausbildung oder Arbeit einzusetzen. Das neue arbeitsmarktpolitische Instrument der Einstiegsqualifizierung darf nicht missbraucht werden, um kostenlose oder billige Arbeitskräfte zu erwerben, sondern muss mit dem Ziel der Integration der jungen Menschen in Ausbildung und Beruf eingesetzt werden. Der Bedarf an berufsvorbereitenden sowie ausbildungs- und beschäftigungsbe-gleitenden Hilfen für benachteiligte junge Menschen muss abgedeckt werden. Weder die Berufsvorbereitung noch die ausbildungsbegleitenden Hilfen oder die Ausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen im Rahmen des SGB III dürfen einem Spardiktat zum Opfer fallen. Für die Förderung, von Ausbildungsreife, Berufsorientierung und Sprachförderung sind die berufsvorbereitenden sowie ausbildungs- und beschäftigungsbegleitenden Hilfen für benachteiligte junge Menschen unverzichtbar. Die finanziellen Mittel für diese Angebote müssen in ausreichender Höhe sichergestellt werden. Fördern und Fordern im Sinne der jungen Menschen Für junge Menschen dürfen keine schärferen Sanktionsregeln gelten als für ältere Arbeitslose. Die Sanktionen müssen zudem, entsprechend der individuellen Situation junger Frauen und Männer, flexibel gestaltet und pädagogisch sinnvoll sein. Sie müssen darüber hinaus jederzeit rückgängig gemacht werden können. Benachteiligte junge Menschen brauchen Zeit, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Sie brauchen eine 2. Chance. Deutschland ist ein Einwanderungsland Die Integration von jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist eine Aufgabe, die alle Lebensbereiche der Gesellschaft durchdringt. Der mit dem Zuwanderungsgesetz eingeschlagene Weg muss weiter verfolgt und die begonnenen Bemühungen zur langfristigen Integration der neu Zugewanderten müssen abgesichert und weiter entwickelt werden. Integrationspolitik muss sich aber auch dem erheblichen Bedarf an Integrationsangeboten für die bereits länger in Deutschland lebenden und hier aufgewachsenen jungen Menschen mit Migrationshintergrund stellen. Erforderlich ist hier eine aktive und auf allen Ebenen verzahnte und abgestimmte Integrationsförderung. Dies erfordert eine weitergehende Abstimmung der Integrationsaufgaben zwischen Bund und Ländern auf der Grundlage der im Zuwanderungs-gesetz festgelegten Zuständigkeiten. Darüber hinaus bedarf es politischer Kampagnen zur Förderung der Akzeptanzbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft sowie der interkulturellen Öffnung aller gesellschaftlichen Institutionen sowohl im Sinne einer Sensibilisierung der Mitarbeitenden in öffentlichen Einrichtungen für die Arbeit in einem interkulturellen Umfeld als auch mit dem Ziel einer verstärkten Öffnung des Öffentlichen Dienstes für bspw. Auszubildende mit Migrationshintergrund. Integrationspolitik muss den Ausbau und die Entwicklung von denjenigen Angebots-strukturen auf der lokalen Ebene unter-stützen, die die Integration von Zuwanderern in das demokratische, wirtschaftliche und soziale Leben der Bundesrepublik ermöglichen. Wichtig sind hier die durch den Bund finanzierten Basisangebote in Verbindung mit ergänzenden jugend-spezifischen kommunalen Einrichtungen. Die Integrationspolitik des Bundes muss von den Ländern und den Kommunen mit jugendspezifischen Angeboten und Einrichtungen ergänzt werden. Sprachförderung für MigrantInnen qualifizieren Der Bund fördert nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vorrangig neu Zugewanderte mit Daueraufenthaltsperspektive. Die Deutschförderung in den Integrationskursen muss darauf ausgerichtet werden, neu Zugewanderten die Einbindung in eine qualifizierte Berufsausbildung zu ermöglichen und den Unterricht entsprechend auszubauen und zu qualifizieren. Die Vermittlung der deutschen Sprachkompetenz ist in Umfang, Methodik und Didaktik an die individuellen Voraussetzungen der Jugendlichen und an die schulischen und betrieblichen Anforderungen anzupassen. Die Integrationskurse müssen mit den notwendigen Rahmenbedingungen und adäquaten konzeptionellen Grundlagen ausgestattet werden, was Stundenumfang, Gruppengröße sowie Inhalte und Methoden der Kurse angeht. Durch die Evaluation der Integrationskurse muss deren fachliche Weiterentwicklung sichergestellt werden. Modellprogramme, wie das am 1. September 2004 gestartete Bund-Länder Programm „FörMig“ (Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund), die innovative Modelle der Sprachförderung ab dem Kindesalter in Verbindung mit familiärer Spracherziehung erproben, müssen vorangetrieben und als Regelangebote bundesweit implementiert werden. Insgesamt muss die Vermittlung deutscher Sprachkompetenzen in und außerhalb der Schule die Grundlagen schaffen für die Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung. Es müssen Unterrichtsmodelle entwickelt und umgesetzt werden, die eine ausreichende individuelle Förderung der SchülerInnen gewährleisten und die auch die Herkunftssprachen berücksichtigen. Ziel dabei ist die Unterstützung der Mehrsprachigkeit als spezifische Stärke der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Ausbau der Jugendmigrationsdienste Mit den Jugendmigrationsdiensten ist ein wichtiger Schritt gemacht worden, den Anforderungen im Hinblick auf die Integration von neu zugewanderten Jugendlichen besser gerecht zu werden und auch Angebote für die bereits länger hier lebenden jungen Menschen zu machen. Ziel der Jugendmigrationsdienste ist eine lebenslagenorientierte individuelle Begleitung des Integrations-prozesses der jungen Menschen mit Migrationshintergrund insbesondere der neu Zugewanderten. Dabei arbeiten sie im Netzwerk mit anderen relevanten Akteuren. Die in den Jugendmigrationsdiensten angelegte Förderpolitik muss konsequent fortgesetzt und bedarfsgerecht ausgebaut werden. Dies betrifft nicht nur die individuelle, geschlechtergerechte Integrations-förderung, sondern die Weiterentwicklung kommunaler Netzwerke und die Initiierung der interkulturellen Öffnung von anderen Institutionen und sozialen Diensten. Jugendliche MigrantInnen und Institutionen benötigen Jugendmigrationsdienste als Anlaufstellen und Initiatoren für die interkulturelle Öffnung von Institutionen und sozialen Diensten. Jungen Flüchtlingen Schutz und Förderung gewährleisten Die Lebenslage junger Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltsstatus ist in Deutschland gekennzeichnet von gesetzlichen und administrativen Ausgrenzungen mit weit reichenden Folgen für die weitere Lebensperspektive und gesellschaftliche Teilhabe. Daher gelten für diese Jugendlichen die o.g. Forderungen nach qualifizierter Sprachförderung, Zugang zu und aktiver Förderung in der Schule, beruflicher Ausbildung und Qualifizierung sowie Zugang zum Arbeitsmarkt in besonderem Maße. Darüber hinaus müssen die Inanspruchnahme von Integrationsleistungen gemäß dem Zuwanderungs-gesetz sowie generell soziale Hilfen und sozialpädagogische Begleitungsangebote sicher gestellt werden. Eine Anpassung der aufenthaltsrechtlichen Regelungen und damit verbundenen förder-rechtlichen Rahmenbedingungen ist unabdingbar. Dabei müssen bei jungen Flüchtlingen das Kindes- und Jugendwohl und der Schutz der Familien im Vordergrund stehen. Die Anpassung betrifft u.a. ein asylunabhängiges Aufenthaltsrecht, ein Bleiberecht auf Grund humanitärer Gründe für minderjährige junge Flüchtlinge, die schon lange in Deutschland leben, die Beendigung der Praxis der Kettenduldungen, die Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe, die kindgerechte Gestaltung des Asylverfahrens und die Festlegung der Verfahrensfähigkeit ab der Volljährigkeit. Generell gilt, dass die internationalen Standards (Kinderrechtskonvention, Genfer Flüchtlingsrechtskonvention, Haager Minderjährigenschutzabkommen) eingehalten werden müssen. Die UN-Kinderrechtskonvention sollte vollständig in nationales Recht umgesetzt werden. Jugendwohnen als Mobilitätshilfe für junge Menschen sichern Die Förderung der Mobilität ist ein wichtiges Mittel zum Abbau von Benachteiligungen. Besonders benachteiligte Jugendliche leben (oftmals mangels finanzieller Möglichkeiten) in einem sehr begrenzten Nahraum, der einerseits Schutz, Zugehörigkeit und damit Sicherheit vermittelt, aber gleichzeitig Offenheit gegenüber Neuem, Fremdem und Fremden einschränkt. Geringe Mobilitätserfahrung führt dazu, dass weitere Benachteili-gungen entstehen, in dem z.B. die Hürden zur Aufnahme eines Aus-bildungsplatzes in größerer Entfernung unüberwindbar erscheinen. Dabei erfordern es die gesellschaftlichen Rahmenbe-dingungen in zunehmendem Maße, dass junge Menschen ihren Wohnort verlassen, um eine Ausbildung oder eine Arbeit aufzunehmen. Die Angebote des Jugendwohnens im Rahmen von Jugendsozialar-beit sind in besonderem Maße geeignet, diese Problemlagen überwinden zu helfen. Die sozialpädagogische Begleitung in den Jugendwohnheimen gewährleistet eine professionelle Unter-stützung der jungen Menschen bei Schwierigkeiten im Zusammenhang mit ihrer beruflichen und sozialen Integration. Die Ausbildungsabbrecherquote von in Jugendwohnheimen untergebrachten Auszubildenden tendiert – im Gegensatz zu den von den Ausbildungsbetrieben beklagten ca. 25% Abbruchquote – aufgrund der sozialpäda-gogischen Begleitung gegen Null. Um dieses Angebot zu erhalten, müssen notwendige Rahmenbedingungen auf Bundes-ebene geschaffen werden. Die Höhe der Berufsausbildungsbeihilfe muss sich an den regionalen Entgeltsätzen für Jugendwohnheime orientieren. Über die Berufsausbildungsförderung hinaus müssen weitere Mittel aus der Arbeits-marktförderung zur Verfügung gestellt werden, um die Mobilität der jungen Menschen in gebotenem Maße flankieren zu können. Gender Mainstreaming durchgängig anwenden / Mädchen- und Jungensozialarbeit weiter ausbauen Gleichstellungspolitik ist nur dann erfolgreich, wenn sie als Querschnittsaufgabe in allen Politikfeldern verstanden wird. Mit dem Leitprinzip des Gender Mainstreamings wird das Ziel der Chancengleichheit und Gleichstellung der Geschlechter bei allen Planungen, Entscheidungen und Umsetzungsaktivitäten von Anfang an handlungsleitend. Gender Mainstreaming ist als Top Down-Prinzip angelegt. Soll es erfolgreich sein, muss die Bundesregierung ihrerseits alle notwendigen Maßnahmen für eine erfolgreiche Um-setzung von Gender Mainstreaming ergreifen. Neben der durchgängigen Anwendung von Gender Mainstreaming bei allen gesetzlichen Vorhaben muss sie auch finanzielle Mittel für Projekte zur Verfügung stellen, in denen die Umsetzung von Gender Mainstreaming in die Strukturen der Jugendhilfe modellhaft erprobt werden kann. Im Sinne einer Doppelstrategie müssen Programme und Angebote geschlechtsspezifischer Arbeit neben dem Gender Mainstreaming-Prinzip bestehen bleiben (z.B. das nicht wiederaufgelegte KJP- Programm „Mädchen in der Jugendhilfe“) und neue Programme und Angebote (z.B. im Bereich Jungensozialarbeit) ausgeschrieben werden. Bei allen Aktivitäten muss das Ziel der Chancengleichheit und Gleichstellung der Geschlechter handlungsleitend sein. Dieses Ziel wird durch das Instrument Gender Mainstreaming in Planungen, Entscheidungen, Umsetzung und im Sinne einer Dop-pelstrategie durch Mädchensozialarbeit und Jungensozialarbeit erreicht. Den Europäischen Pakt für die Jugend konsequent umsetzen Wie sich die Zukunft Europas gestaltet, hängt zunehmend von seiner Fähigkeit ab, eine jugend- und kinderfreundliche Gesellschaft zu schaffen. Dass der Europäische Pakt für die Jugend auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rats als Teil der überarbeiteten Lissabon-Strategie mit dem Schwerpunkt auf Wachstum und Beschäftigung angenommen wurde, bedeutet, dass man anerkannt hat, dass die Einbeziehung Jugendlicher in Gesellschaft und Arbeitsleben und eine sinnvollere Nutzung ihres Potenzials grund-legende Voraussetzungen dafür sind, die Rückkehr zu an-haltendem und nachhaltigem Wachstum in Europa sicherzustellen. Die erfolgreiche Umsetzung der Lissabonreformstrategie braucht – neben den wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Reformen – die konsequente Berücksichtigung der Ziele des Europäischen Paktes für die Jugend. Folgende Handlungsbereiche aus Sicht der Jugendsozialarbeit stehen dabei im Mittelpunkt: Aktivierung der Bildungsressourcen, Verbesserung des Zugangs zu Berufsbildung und –ausbildung, Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen und zur Validierung des nichtformalen und informellen Lernens, Förderung der Mobilität, Verbesserung der Partizipation und Konsultation von Jugendlichen, Einsatz des ESF für die Umsetzung des „Europäischen Paktes für die Jugend“. Alle EU-Staaten sind aufgefordert, Bildungsressourcen zu aktivieren. Hierfür müssen bessere Rahmenbedingungen für junge Menschen geschaffen werden, um durchlässigere Zugänge zum Beschäftigungssystem zu ermöglichen. Bildungsressourcen lassen sich auch durch alternative Lernformen, beispielsweise durch Freiwilligendienste, eröffnen. Für die Zielgruppe der Jugendsozialarbeit gilt deshalb der gezielte Ausbau von Freiwilligendiensten (im In- und Ausland) als ein Ange-bot, das durch den „Europäischen Pakt für die Jugend“ stärkere Bedeutung bekommen muss. Auch die Fortführung und weitere Übertragung integrierter Ansätze, wie z.B. das Freiwillige Soziale Trainingsjahr (FSTJ), sind verstärkt in den Fokus und in die Förderung zu nehmen. Die Jugendsozialarbeit tritt für die Schaffung von Mitgestaltungsmöglichkeiten für benachteiligte Jugendliche ein, damit sie als aktive BürgerInnen handeln können. In einem sich vereinenden Europa, in dem die Mobilität von jungen Menschen wichtig ist und gefördert werden soll, ist es sinnvoll, gemeinsame Standards und Prinzipien der Anerkennung und Zertifizierung von Kompetenzen, die formal und nicht-formal erworben wurden, zu entwickeln. Schule, Jugendsozialarbeit, Jugendarbeit können mit Unterstützung der Politik im Verbund dafür sorgen, dass junge Menschen sich wieder mehr als Teil der Gesellschaft wahrnehmen, in dem sie beteiligt werden und (mit-)entscheiden. Mehr Partizipation in Schule, Elternhaus, aber auch in der Jugendhilfe und im Gemeinwesen fördert die Jugendlichen in ihrem Selbstmanagement als eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Kompetenzen zur Selbstorganisation der beruflichen Zukunft. Die Anstrengungen zur besseren Einbeziehung von Benachteiligten in die Prozesse und Strukturen unserer demokratischen Gesellschaft sind ebenfalls zu verstärken. Dazu ist die Förderung notwendiger Aktivierungs- und Unterstützungsstrukturen zwingend erforderlich. Umfassende Partizipations- und Konsultationsstrategien in Politik, Einrichtungen und Verbänden, z.B. nach dem Vorbild des Gender Mainstreamings, können die Berücksichtigung und Verankerung von Partizipation und Konsultation als Elemente der Planung, der Gestaltung von Maßnahmen und Projekten, aber ebenso als Instrumente der Interessenformulierung und -vertretung weiter voran bringen. Soll der „Europäische Pakt für die Jugend“, wie von den Regierungschefs der Mitgliedsstaaten gewünscht und beschlossen, einen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Lissabonprozesses leisten, ist es wichtig, in die oben angesprochenen Bereiche zu inves-tieren. Dazu gehört u.a. auch, dass die Instrumente zur Umsetzung dieser Anforderungen mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden – sowohl auf der EU-Ebene als auch in den Mitgliedstaaten. Diese Nutzung ist aber unabänderlich daran gebunden, dass Bund und Länder die notwendigen Komplementär- bzw. Gegenfinanzierungen in ausreichendem und strategisch abgestimmtem Maße zur Verfügung stellen. Speziell für die Planungs- und Abstimmungsverfahren zur Erstellung der operationellen Programme des ESF sind daher Abstimmungs- und Strategiegespräche, unter Einbeziehung der Ver-antwortlichen aus der öffentlichen und freien Jugendhilfe, dringend geboten. Schlussbemerkung Die Gestaltung der beruflichen Zukunft der Jugend ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben. Diese Aufgabe kann angesichts ihrer Bedeutung, nicht zuletzt auch für die wirtschaftliche Stellung Deutschlands und die damit untrennbar verknüpften Auswirkungen, nur im Dialog aller Beteiligten gelöst werden. Hierzu muss Politik auch ihren Beitrag leisten. Jugend als wichtiger Zukunftsfaktor unserer Gesellschaft braucht mehr denn je eine wirksame Lobby. Die BAG Jugendsozialarbeit ist gerne bereit, zur Umsetzung der hier formulierten politischen Anforderungen ihre langjährige Erfahrung und Fachkompetenz einzubringen. “

Quelle: BAG Jugendsozialarbeit, 4. November 200

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