Warum die Arbeit der Respekt Coaches unverzichtbar ist, zeigt ein Beispiel aus München 

Am 22.07.2016 wurden neun Menschen mit Migrationshintergrund von einem Attentäter am Olympia-Einkaufszentrum ermordet. Wenn wir über rechtsradikale Anschläge in Deutschland sprechen, reden wir über Halle, Hanau, den Mord an Walter Lübcke und den NSU. München wurde lange Zeit nicht erwähnt, weil er vielfach als Amoklauf eingestuft wurde. Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse der Dieter-Hildebrandt-Wirtschaftsschule in München wagten sich gemeinsam mit der „Respekt Coachin Fatma Zan von IN VIA München an eine Aufarbeitung. Für die 16 – bis 18-Jährigen war die Auseinandersetzung mit Hintergründen eine bewegende Erfahrung. Bislang hatten institutionelle Angebote dazu gefehlt. Im Bewusstsein, dass es auch sie selber hätte treffen können, erlebten die Jugendlichen das Gespräch mit Opferangehörigen als prägend. Im üblichen Schulbetrieb wäre sowas nicht möglich. 

Doch im Bundeshaushalt für 2023 fehlen 15 Millionen Euro für das Bundesprogramm „Respekt Coaches“. Noch sind die Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag nicht abgeschlossen. Daher appelliert die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. an die politischen Entscheider*innen, diese gesellschaftspolitisch notwendige Arbeit weiterhin zu ermöglichen und die Mittelkürzung zurückzunehmen. Auch andere Organisationen der Jugendsozialarbeit wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit, die Arbeiterwohlfahrt und der Internationale Bund sprechen sich dafür aus.

Menschen mit Respekt begegnen, Radikalisierung und Rechtsextremismus vorbeugen

Die Opfer des Anschlags waren überwiegend im gleichen Alter wie die Jugendlichen. Als Motivation für die Tat wurden Mobbing-Erfahrungen des Täters und seine rechtspolitische Radikalisierung genannt. Computerspiele sollen bei seiner Radikalisierung eine wichtige Rolle gespielt haben. Erfahrungen mit Mobbing mussten leider schon viele der Schüler*innen selber machen. Die meisten sind auch mit Computerspielen vertraut, geben zocken am PC als eines ihrer Hobbies an. Was die Jugendlichen umtreibt: Wie konnte es dazu kommen, dass dadurch eine solche Gewalttat ausgelöst wurde? Dass ein solcher Hass entstand. Wie konnte sich der Täter in so kurzer Zeit radikalisieren? 

„Respekt Coachin“ Fatma Zan startete eine Workshopreihe für 106 Schüler*innen über 54 Unterrichtsstunden. Ziel der Workshop-Reihe war es, die Signale von Mobbing und Radikalisierung zu erkennen, darauf reagieren zu können und letztendlich auch, die Tat richtig einordnen zu können. 

Manchmal hilft es, Erfahrungen in einen geschützten Rahmen am eigenen Leib zu machen, um in Zukunft davor gewappnet zu sein. So wurde eine Radikalisierung simuliert. Auch wurde analysiert, wie der Täter sich im Internet radikalisiert hat. In der Klasse wusste niemand, dass der Attentäter von Utøya und Oslo sein Vorbild war. 

Mobbing als ausschlaggebender Faktor für Radikalisierung

Mobbing kann ein ausschlaggebender Faktor für Radikalisierung sein. Darum setzen sich die Jugendlichen differenziert damit auseinander. Es gibt nicht nur Täter und Opfer. Es gibt auch die, die das Mobbing erdulden, verstärken, verteidigen usw. Welche existenziellen Auswirkungen Mobbing und Radikalisierung auf Angehörige von Opfern haben können, besprachen die Schüler*innen mit Gisela Kollmann, der Großmutter des ermordeten Guiliano Kollmann (19). Zu hören, wie gravierend sich ihr Leben seit dem Attentat verändert hat, berührte die Jugendlichen sehr. 

Durch die Arbeit der „Respekt Coachin“ Fatma Zan haben die Schüler*innen nicht nur die Hintergründe besser verstanden, sondern auch die Wirkmechanismen kennengelernt und die Gefahren erkannt, die durch Mobbing, Rechtsradikalismus und Radikalisierung drohen. So können sie sich und andere schützen. Das ist ein großer Gewinn für eine demokratische, vielfältige und friedliche Gesellschaft. Die Arbeit der „Respekt Coaches“ ermöglicht einzigartige Lernerfahrungen, die im klassischen Lehrplan nicht vorgesehen sind. Ebendiese Angebote sind mit der anstehenden Mittelkürzung in Gefahr. 

Quelle: JMD München (IN VIA); Servicebüro Jugendmigrationsdienste; BAG KJS 

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