Voll beschäftigt und doch zu wenig Geld

Auszüge aus der DGB-Publikation „arbeitsmarkt aktuell: Vollzeitbeschädftigte mit Niedriglohn“:

„In 2010 waren bereits 4,66 Mio. Vollzeitbeschäftigte mit sozialversichertem Job im Niedriglohnsektor beschäftigt. Damit zählten insgesamt 22,8 Prozent der Vollzeitbeschäftigen – die Auszubildenden nicht mitgezählt – zu den Geringverdienern. Die bundesweite Niedriglohnschwelle für diese Vollzeitbeschäftigten lag Ende 2010 bei einem Bruttoentgelt von 1.802 € pro Monat; Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sind darin bereits berücksichtigt.

Zwischen Ost und West zeigten sich deutliche Unterschiede. Rund zwei Drittel der vollzeitbeschäftigten mit Niedriglohn sind in den alten Bundesländern erwerbstätig und ein Drittel in den neuen Ländern. Misst man den Niedriglohnsektor am unterschiedlichen Beschäftigungsniveau in beiden Landesteilen, so ist der Niedriglohnanteil im Osten gut doppelt so hoch wie im Westen. Bei einer bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle lagen 2010 im Westen knapp 20 Prozent der Vollzeitbeschäftigten unter dieser Schwelle gegenüber 40 Prozent im Osten. …

Entwicklung des Niedriglohnsektors
Innerhalb des letzten Jahrzehnts ist der Anteil der Geringverdiener auch unter den Vollzeitbeschäftigten deutlich gestiegen – und zwar bundesweit von 19,0 Prozent in 1999 auf 22,8 Prozent in 2010. … Insbesondere in den letzten Jahren geht der Zuwachs bei den vollzeitbeschäftigten Geringverdienern deutlich über den gesamtwirtschaftlichen Anstieg der Vollzeitjobs hinaus. Ihr Gewicht ist absolut wie relativ deutlich gestiegen. Insbesondere seit Mitte des letzten Jahrzehnts hat sich die Niedriglohn-Dynamik erhöht. …

Zu dieser Ausbreitung der Niedriglöhne unter Vollzeitbeschäftigten insbesondere nach 2003 haben sicherlich die Hartz-Gesetze beitragen und im Osten zuvor die mit der Einigung einhergehenden strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Gleichfalls hat die Tarifflucht von Arbeitgebern dazu beigetragen. Begünstigt wurde dies auch durch die Aufweichung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen wie die Ausweitung der Leiharbeit aber auch die Auslagerung von Unternehmensteilen. …

Lohnspreizung im Niedriglohnsektor
Sowohl innerhalb des Niedriglohnsektors wie der Arbeitnehmerschaft insgesamt ist die Lohnspreizung beachtlich. So verdienten in 2010 gut 5 Prozent der sozialversicherten Vollzeitbeschäftigten (ohne Auszubildende) nur bis zu 1.000 € brutto im Monat und ebenso viele nur zwischen 1.000 und 1.300 €. … Bei den hier analysierten Geringverdienern mit Vollzeitjob müssen vom Bruttoeinkommen zumindest noch die Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt werden. Bei einem Bruttoeinkommen von 1.300 € müssen zudem Alleinstehende Lohnsteuer zahlen, so dass netto nur gut 980 € ausgezahlt werden. Gut jeder zehnte Vollzeitbeschäftigte erreicht nicht einmal ein Nettoerwerbseinkommen, das Alleinstehenden im Pfändungsfall zur Existenzsicherung verbleiben muss. …

Betrachtet man ausschließlich Vollzeitbeschäftigte, sind es in absoluten Zahlen mehr Männer als Frauen, die weniger als 8,50 € die Stunde verdienen. Die hier aufbereitete Sonderauswertung der Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes nach Ländern zeigt große regionale Unterschiede bezüglich der Beschäftigten mit sehr niedrigem Stundenlohn.

Das regionale Gefälle bei den Beschäftigten mit sehr niedrigem Stundenlohn folgt weitgehend dem des Niedriglohnsektors. Insbesondere in den alten Ländern unterscheiden sich zugleich die Niveaus zwischen beiden Größen deutlich. Doch auch hier verdienten ein Zehntel aller Beschäftigten weniger als 8,50 € die Stunde. In den Ländern Bayern, Hessen und Hamburg erhielten 8 Prozent aller Beschäftigten einen Stundenlohn von unter 8,50 € gegenüber 12 Prozent in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und dem Saarland. Bundesweit bildet Thüringen das Schlusslicht, wo für fast ein Viertel der Bruttolohn unter 8,50 € liegt; es folgen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen (23 %). Niedrige Stundenlöhne sind im Osten nicht nur stärker verbreitet, sondern auch Vollzeitbeschäftigte sind hier stärker davon betroffen als im Westen.

Die Verbreitung niedriger Löhne steht in engem Zusammenhang mit einer fehlenden Tarifbindung. Denn die Mehrzahl der Beschäftigten mit Stundenlöhnen unter 8,50 € ist bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt (68 %); eine tarifliche Lohnuntergrenze gibt es hier nicht. Lediglich 32 % der Beschäftigten mit niedrigen Stundenlöhnen sind in Betrieben tätig, die tariflich entlohnen sollten. …

Vorschläge zum Schluss
Der DGB fordert neben der Einführung eines gesetzlichen Mindeslohns den Hartz-IV vorgelagerten Kinderzuschalg sowie das Wohngeld für Erwerbstätige auszubauen. Außerdem dürften Arbeitslose nicht in Jobs mit Hungerlöhnen getrieben werden. Für die gesetzliche Zumutbarkeitsregelung ist eine sozialstaatliche Untergrenze notwendig, die Jobs bis an die Grenze der Zumutbarkeit nicht länger zumutet. Der DGB fordert eine Zumutbarkeitsregelung, die sich an Tarifverträgen bzw. – sofern diese nicht vorhanden sind – an ortsüblichen Löhnen orientiert. „

Die Publikation in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

http://www.dgb.de/themen/++co++ac230114-fcb8-11e1-904e-00188b4dc422

Quelle: DGB

Dokumente: arbeitsmarktaktuell_6_2012.pdf

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