Unbesetzte Ausbildungsstellen als künftige Herausforderung des Ausbildungsstellenmarktes

Auszüge aus den im BIBB-Report veröffentlichten Umfrageergebnissen „Vom Regen in die Traufe?“ von Klaus Troltsch, Christian Gerhards und Sabine Mohr:
“ Auch wenn in Deutschland der demografische Wandel mit seinen Folgen für das duale Ausbildungssystem noch nicht so massiv zutage tritt wie vielfach prognostiziert, so sind seine Auswirkungen auf den Ausbildungsstellenmarkt doch bereits deutlich spürbar: War über Jahre hinweg die Suche nach Berufsausbildungsstellen für viele Jugendliche geprägt von erfolglosen Bewerbungsschreiben, mehrjährigen Warteschleifen und Kompromissen bei der Berufswahl, so verbessern sich nun ihre Ausgangschancen Schritt für Schritt, allerdings ohne dass deshalb schon von zufriedenstellenden Verhältnissen auf dem Ausbildungsstellenmarkt gesprochen werden könnte. Aufgrund des demografischen Umbruchs können mehr und mehr Betriebe die von ihnen angebotenen Ausbildungsplätze nicht besetzen und haben das Nachsehen bei der Rekrutierung von jungen Nachwuchskräften für die eigene betriebliche Ausbildung.

Strukturmerkmale von Betrieben mit Ausbildungsstellenangeboten und -vakanzen

Hinsichtlich der Besetzung von Ausbildungsstellen geben die unterschiedlichen Wirtschaftsbereiche ein sehr heterogenes Bild ab: Während das produzierende und verarbeitende Gewerbe sowie das Handels- und Reparaturgewerbe auf durchschnittliche Anteile kommen, sieht es bei den unternehmensnahen Dienstleistungsbetrieben und bei Behörden und Betrieben aus dem Bereich Öffentliche Verwaltung, Erziehung und Unterricht deutlich besser aus:
Hier können 22,2% bzw. 25,1% der ausbildenden Betriebe ihre angebotenen Stellen nicht oder nicht vollständig mit Ausbildungsstellenbewerbern besetzen. Die größten Probleme entstehen für Betriebe aus dem Bereich der sonstigen Dienstleistungen, bei denen zu 44,4% Rekrutierungsprobleme bestehen.

Auch die Betriebsgröße spielt eine Rolle, denn je größer der Betrieb ist, desto geringer sind die Probleme bei der Besetzung der Ausbildungsstellen: Nur 18,8% der Großbetriebe (mit 200 und mehr Beschäftigten) konnten ihre Ausbildungsstellen (teilweise) nicht besetzen, während der Anteil bei den Kleinstbetrieben bei 40,2% liegt. Die größten Probleme bei der Besetzung von neuen Ausbildungsstellen haben daher Kleinstbetriebe mit bis zu 19 Beschäftigten. …

Die regionalen Strukturbedingungen haben … einen signifikanten Einfluss auf das Risiko von Betrieben, ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen zu können – und zwar sowohl im Westen als auch im Osten.

Weiterhin zeigt sich, dass für die westdeutschen Betriebe die aktuellen Rahmenbedingungen in den Ausbildungsmarktregionen für die konkreten Besetzungsprobleme der befragten Betriebe kaum relevant sind. … In westdeutschen Betrieben sind es den Erhebungen zufolge betriebsspezifische Merkmale, die über Erfolg oder Misserfolg bei der Suche nach Auszubildenden entscheiden.

… Hervorzuheben für westdeutsche Betriebe ist weiterhin der Effekt, dass ein hoher Qualifikations- und Fachkräftebedarf bei den Betrieben zu einem erhöhten Risiko an unbesetzten Ausbildungsstellen führt. Dies führt zu der Vermutung, dass es sich in den alten Bundesländern um einen eher angebotsinduzierten Ausbildungsstellenmarkt handelt, bei dem der Grund für unbesetzte Ausbildungsstellen vor allem darin liegen könnte, dass einem hohen Bedarf an qualifizierten Nachwuchskräften nicht genügend – und aus Sicht der Betriebe nicht ausreichend qualifizierte – Bewerber gegenüberstehen.

Auffallend ist, dass Betriebe mit höheren Anteilen an Auszubildenden mit Migrationshintergrund etwas größere Probleme bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen haben. Dies ist insofern bemerkenswert, als es sich dabei gerade um eine Gruppe von Ausbildungsstellenbewerbern handelt, die besondere Probleme auf dem Ausbildungsstellenmarkt haben. …

Für Betriebe in den ostdeutschen Bundesländern ist hervorzuheben, dass es besonders dann zu Vakanzen im Bildungsangebot kommt, wenn im Betrieb schon Jugendliche in Ausbildungsberufen ausgebildet werden, bei denen auf dem Ausbildungsstellenmarkt ein Angebotsüberhang besteht, weil sich die Jugendlichen zu wenig für diese Ausbildungsangebote interessieren. …

Werden allerdings Berufe ausgebildet … die aufgrund ihrer überdurchschnittlich hohen Vorbildung der Auszubildenden als wissensintensiv bezeichnet werden können, so nimmt das Risiko für die Betriebe deutlich ab, am Ende des Vermittlungsjahres Vakanzen im Neuangebot zu haben.

Ansonsten spielt für ostdeutsche Betriebe … die aktuelle Situation auf den jeweiligen Ausbildungsstellenmärkten eine größere Rolle als im Westen. Hier zeigt sich, dass trotz hoher Anteile an schulisch ausreichend qualifizierten Ausbildungsstellenbewerbern ostdeutsche Betriebe ein erhöhtes Risiko haben, ihre Ausbildungsstellen teilweise oder vollständig nicht besetzen zu können. …

Fazit
Obwohl ein beträchtlicher Teil der Betriebe, die sich in Deutschland an der Ausbildung Jugendlicher beteiligen, große Probleme bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen hat, ziehen diese Betriebe derzeit noch nicht die Konsequenz, prinzipiell aus der betrieblichen Ausbildung auszusteigen bzw. ihr Stellenangebot deutlich zu reduzieren. Hier scheint trotz schlechter Erfahrungen weiterhin das Prinzip Hoffnung zu gelten, zumal derzeit immer noch ein ausreichend großes Nachfragepotenzial existiert.

Generell wird sich in absehbarer Zeit … der demografische Wandel und der Strukturwandel unter den Schulabsolventen nicht betriebsneutral auf alle Betriebsgrößenklassen, Branchen und Regionen gleichermaßen auswirken. Bereits jetzt – und diese Entwicklung wird sich in Zukunft wahrscheinlich noch verstärken – sind es vor allem folgende Betriebe, die Schwierigkeiten haben, von ihnen angebotene Lehrstellen zu besetzen: ## Handwerksbetriebe und generell Kleinstbetriebe sowie kleinere mittelständische Betriebe,
## Betriebe in den neuen Bundesländern,
## Betriebe mit einem Ausbildungsstellenangebot in Berufen, die von Jugendlichen und jungen Erwachsenen generell nicht ausreichend nachgefragt werden,
## Betriebe in Regionen, in denen sich die Ausbildungsmarktverhältnisse zunehmend entspannen,
## Betriebe in Regionen, in denen die Anteile der Schulabgänger mit höheren Abschlüssen zunehmen.
Insgesamt verkehren sich damit die in den vergangenen Jahren herrschenden „Machtverhältnisse“ auf dem Ausbildungsstellenmarkt allmählich in ihr Gegenteil, da die Nachfrageseite der Jugendlichen als „Konsumenten“ der betrieblichen Berufsausbildung ein immer größeres Gewicht bekommt. …

Für die Berufsbildungspolitik von besonderem Interesse wären Maßnahmen im Rahmen des Ausbildungspakts mit einer gezielteren Ausrichtung auf die … besonders betroffenen Betriebsgruppen. Hier könnten alle am Ausbildungspakt Beteiligten ihre Initiativen zur Unterstützung von Betrieben und Jugendlichen besser konzentrieren. In diesem Zusammenhang wäre auch eine gezieltere Ausrichtung von öffentlichen Programmen auf Betriebe mit besonderen Problemen bei der Besetzung von Ausbildungsstellen denkbar. Möglich wäre eine Ausweitung und Präzisierung des externen Ausbildungsmanagements, bei dem innovative Unterstützungsmaßnahmen für Betriebe bei der Rekrutierung von Auszubildenden durchgeführt werden. Es könnten ferner Marketingmaßnahmen für Ausbildungsberufe entwickelt werden, bei denen es für Betriebe besonders schwer ist, Bewerber zu finden. Und es würde sich wahr scheinlich lohnen, derartige Maßnahmen regional zu spezifizieren. …“

Der BIBB-Report in vollem Umfang steht Ihnen unter www.bibb.de/bibbreport zum kostenlosen Download zur Verfügung.

www.bibb.de/dokumente/pdf/a12_BIBBreport_2012_19_.pdf
www.bibb.de/de/62216.htm

Quelle: BIBB-Report

Ähnliche Artikel

Ablehungskultur für Menschen auf der Flucht

Das europäische Parlament hat zuletzt seinen Beitrag geleistet, die Außengrenzen der Europäischen Union noch stärker als bisher abzuriegeln. In allen europäischen Nationalstaaten sind Geflüchtete nicht

Skip to content