Unterbringung und Vertretung von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen durch die Kinder- und Jugendhilfe

Auszüge aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage nach Beteiligung, Förderung und Schutz von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen durch die Kinder- und Jugendhilfe der Bundestagsfraktion Die Grünen:

“ (…) Anzahl minderjährgiger Flüchtlinge
Die Zahl minderjähriger Asylbewerber in Deutschland hat sich in den vergangenen drei Jahren mehr als verdreifacht. Im Jahr 2015 hätten 137.479 Minderjährige einen Erstantrag auf Asyl gestellt, so die Bundesregierung. Dies entspräche einem Anteil von 31,1 Prozent an allen Erstanträgen auf Asyl (441.899). Rund zehn Prozent der minderjährigen Asylbewerber (14.439) seien ohne Begleitung nach Deutschland gekommen. 2013 hätten 38.790 Minderjährige (2.485 Unbegleitete) und im Jahr darauf 54.988 Minderjährige (4.399 Unbegleitete) erstmals einen Asylantrag gestellt. Die meisten der minderjährigen Asylbewerber im vergangenen Jahr stammen nach Regierungsangaben aus Syrien (42.097), Albanien (18.918), Afghanistan (13.772), dem Kosovo (12.174), dem Irak (9.247) und Serbien (8.377).

(…) Perspektiven der Unterbringung
Für jedes Kind oder jeden Jugendlichen ist im Einzelfall zu prüfen, welche Unterbringungsmöglichkeiten es gibt und welche ihren Bedarfen am besten Rechnung trägt. Für junge Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern nach Deutschland kommen, kann die Unterbringung in einem familiären Lebensort eine gute Perspektive für die Integration, dem Spracherwerb, ihrem Förderungsbedarf und ihrem Schutzbedürfnis sein. Eine Gastfamilie ist rechtlich eine Pflegefamilie im Sinne des § 33 SGB VIII. Sämtliche betreffenden Regelungen des SGB VIII und auch einschlägige Standards sind daher einzuhalten. (…)

Die Bundesregierung fördert im Rahmen des Programms „Menschen stärken Menschen“ ein Projekt zur Gewinnung von Gastfamilien, Vormundschaften und Patenschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit einer Fördersumme von insgesamt 670.000 Euro für eine Laufzeit von 2 Jahren. Es werden zehn Modellregionen ausgewählt, die eine ausgewogene Repräsentanz zwischen Stadtstaaten, Flächenländern im Osten, Süden, Westen und Norden der Republik abbilden. Ein Schwerpunkt des Projekts ist die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die sogenannte Clearingphase, in der die Perspektiven der Unterbringungsmöglichkeiten für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge geklärt werden und in denen die Beteiligung der jungen Menschen im Mittelpunkt steht. (…)

Bestellung von Vormündern
In der Praxis wird das Jugendamt für die meisten unbegleiteten ausländischen Minderjährigen gegenwärtig in der Regel als Amtsvormund zum Vormund bestellt.

Das Gesetz sieht allerdings demgegenüber den Vorrang der ehrenamtlichen Einzelvormundschaft vor. Durch das Programm „Menschen stärken Menschen“ befördert das BMFSFJ die Gewinnung von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für junge Flüchtlinge durch Übernahme einer ehrenamtlichen Vormundschaft engagieren wollen. Im Rahmen eines zweijährigen Projektes werden Curricula zur Gewinnung und Schulung von ehrenamtlichen Vormündern entwickelt und erprobt. (…)

Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass es bei der Auswahl und Bestellung von Vormündern regelmäßig zu Wartezeiten von mehreren Monaten kommt. Die Bestellung eines Vormundes setzt voraus, dass (…) vor der Bestellung des Jugendamtes als Amtsvormund ein geeigneter ehrenamtlicher Vormund, insbesondere ein Verwandter oder ein Mitglied eines auf UMF spezialisierten bzw. sonstigen Vormundschaftsvereins oder ein Vormundschaftsverein als Vereinsvormund zur Verfügung steht.

In der Zwischenzeit werden die Belange des Betroffenen durch das Vertretungsrecht des Jugendamtes im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme gewahrt. (…)

Rechtshandlungen des Jugendamtes
Nach § 42a Absatz 3 SGB VIII und § 42 Absatz 2 Satz 4 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Damit ist das Jugendamt berechtigt, einen Asylantrag zu stellen und den Betroffenen in der Anhörung zu vertreten. Für die Wahrnehmung und Ausübung der Personen- und Vermögenssorge ist im Übrigen unverzüglich ein Vormund zu bestellen, der ab seiner Bestellung den asylsuchenden Minderjährigen auch im Asylverfahren unterstützt und vertritt, um sein Kindeswohl zu wahren und erforderliche Rechtshandlungen vorzunehmen. (…)“

Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages

Dokumente: Beteiligung__Foerderung_und_Schutz_von_UmF_durch_die_Kinder-_und_Jugendhilfe_1807621.pdf

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