Inklusion wird in der Sekundarstufe unzureichend umgesetzt

Auszüge aus der Studie der Bertelsmann Stiftung Inklusion in Deutschland:
„(…)Auf dem Weg zur inklusiven Schule: Probleme und Herausforderungen(…) ##Bundesweit wird bei immer mehr Kindern ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Zwischen den Schuljahren 2008/2009 und 2013/2014 ist dieser (…) um 13 Prozent gewachsen. Zwar steigen die Inklusionsanteile seit Jahren, der Anteil der Schüler, die Förderschulen besuchen, sinkt hingegen nur leicht. (…)
## In den Bundesländern klaffen die Inklusionsanstrengungen weit auseinander. Während in den Stadtstaaten Bremen (Inklusionsanteil: 68,5 Prozent), Hamburg (59,1 Prozent) und Berlin (54,5 Prozent) oder in Schleswig-Holstein (60,5 Prozent) die Mehrheit der Förderschüler an Regelschulen lernt, sind es in Hessen (21,5 Prozent) und Niedersachsen (23,3 Prozent) weniger als ein Viertel. Auch der Anteil der Schüler, die separiert an Förderschulen unterrichtet werden, unterscheidet sich erheblich. Die Spannweite liegt hier zwischen Exklusionsquoten von 6,8 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt bis zu 1,9 Prozent in Bremen. Nicht zuletzt weichen die Förderquoten in Folge unterschiedlicher Diagnosestandards auf Landesebene stark voneinander ab. Die höchste Förderquote in Mecklenburg-Vorpommern ist mit 10,8 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in Niedersachsen (5,3 Prozent) oder Rheinland-Pfalz (5,4 Prozent). Bei den Abschlüssen der Schüler an Förderschulen sind bundesweit ebenfalls große Unterschiede erkennbar. Während in Thüringen 54,7 Prozent dieser Schüler die Förderschulen ohne Hauptschulabschluss verlassen, sind es in Brandenburg 86,2 Prozent. (…)
## Betrachtet man die sinkenden Inklusionsanteile vom Elementar- bis zum Sekundarbereich aus der Perspektive der einzelnen Kinder und Jugendlichen, so wird deutlich, dass deren Bildungswege durch biographische Brüche gekennzeichnet sind: Ein Teil der Kinder, die im Elementarbereich gemeinsam mit Kindern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf betreut werden, erlebt beim Eintritt in die Schule, nicht länger zur großen Mehrheit aller Kinder zu gehören. Denjenigen, denen in inklusiven Grundschulen diese Erfahrung erspart bleibt, wird dann beim Übergang in
die weiterführenden Schulen wiederum zu einem beachtlichen Teil deutlich gemacht, nicht mehr zur großen Gruppe der übrigen Schülerinnen und Schüler zu gehören. (…) In modifizierter Weise setzt sich der Prozess einer abnehmenden Inklusion nach der Beendigung der Schulpflichtzeit im allgemeinbildenden Schulsystem beim Übergang in die berufsbildende Sekundarstufe II fort. Eine vergleichende Analyse der Abgangsdaten aus den Förderschulen und der Daten zu den Neueintritten in die berufsbildenden Schulen zeigt: Am Ende des Schuljahrs 2011/12 verließen in Deutschland rund 37.100 junge Menschen die Förderschulen. 2012 nahmen dann in Deutschland insgesamt 10.380 junge Menschen mit Behinderungen eine Ausbildung auf – und zwar in Ausbildungen, bei denen die Ausbildungsinhalte reduziert sind (…) Nur eine kleine Gruppe der jungen Menschen mit einem diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf, (…) lernt gemeinsam mit der großen Gruppe derer, die einen vollwertigen Berufsbildungsabschluss ansteuern. (…)
Ein Fazit der Analyse
(…) Die einzelnen Schulformen des allgemeinbildenden Sekundarschulwesens beteiligen sich in sehr unterschiedlichem Umfang am Umbau der Schulen zu inklusiven Schulen. Je untergliederter die Struktur allgemeinbildender Sekundarschulen in den einzelnen Bundesländern ist, umso problematischer ist dies. Je deutlicher sich die Schulstruktur der Länder auf ein zweigliedriges Schulsystem hin entwickelt, umso eher haben Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Chance, inklusiv in anregungsreichen und fordernden Lernmilieus unterrichtet zu werden.

Eltern von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf erleben inklusive Schulen als Schulen, in denen die Unterrichtsqualität weiter entwickelt ist als in nicht inklusiven Schulen. Diese Wahrnehmung steht in deutlichem Widerspruch zu dem inklusionsskeptischen Grundtenor, der derzeit zahlreiche öffentliche Debatten zum Thema Inklusion bestimmt. Eine erfahrungsgestützte Bewertung des Inklusionsprozesses muss an die Stelle vorurteilsbestimmter Meinungsbildung treten, wenn das Inklusionsvorhaben gelingen soll.

Bisher konzentriert sich Schulpolitik bei der Umsetzung des Inklusionsziels auf die allgemeinbildenden Schulen. Solange die berufsbildenden Schulen nicht in den Inklusionsprozess einbezogen werden, besteht die Gefahr, dass all das, was auf dem Weg zur Inklusion in Grundschulen und in weiterführenden Schulen erreicht wird, beim Wechsel in die Bildungswege der Sekundarstufe II wieder verlorengeht. (…)“

Die Studie in vollem Textumfang entnehmen Sie dem Anhang.

Link: www.bertelsmann-stiftung.de

Quelle: Bertelsmann Stiftung

Dokumente: Studie_Bertelsmann_Stiftung_Inklusion_in_Deutschland.pdf

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