Auszüge aus der Stellungnahme des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit zum Berufsbildungsbericht 2015:
“ Junge Menschen mit Migrationshintergrund bleiben überdurchschnittlich oft ohne Ausbildung
(…) Der Übergang in die duale Ausbildung ist für viele junge Migranten/-innen nach wie vor langwieriger und gelingt seltener. Ihre Einmündungschancen sind dabei auch unter insgesamt gleichen Voraussetzungen (gleiche soziale Herkunft, gleiche schulische Voraussetzungen, gleiches Suchverhalten und gleiche Ausbildungsmarktlage) niedriger als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (BIBB Report 5/2014, S. 14).
Beim Übergang Schule – Beruf ist auch festzustellen, dass junge Frauen mit Migrationshintergrund oft zurückstecken müssen: Trotz besserer Schulabschlüsse gegenüber männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund gelingt ihnen der Übergang in eine ihren Abschlüssen entsprechende berufliche Ausbildung schlechter. Diesem Dilemma muss u. a. mit Elternarbeit sowie offenen Beratungs- und Unterstützungskonzepten begegnet werden, die auch jungen Migrantinnen ein weites Berufswahlspektrum mit Experimentierräumen eröffnen.
Der Berufsbildungsbericht 2015 kommt zu Recht zu der Einschätzung, dass nach wie vor erheblicher Handlungsbedarf zur Verbesserung der Ausbildungschancen junger Menschen mit Migrationshintergrund besteht, denn sie sind in der dualen Ausbildung stark unterrepräsentiert. (…)
Die Situation von jungen Flüchtlingen besser in den Blick nehmen.
Die Situation von jungen Flüchtlingen ist von besonderen Schwierigkeiten gekennzeichnet. Viele dieser jungen Menschen – egal ob sie sich in langwierigen Asylverfahren befinden, mit Duldung und befristeten Aufenthaltserlaubnissen oder ohne gesetzlichen Aufenthaltsstatus leben – verbringen entscheidende Jahre ihres Lebens in Deutschland. Dabei bedeutet die zeitliche Befristung ihres Aufenthalts eine existenzielle Unsicherheit. Den betroffenen jungen Flüchtlingen sind die Zugänge zu den berufsorientierenden und Ausbildung fördernden Regelangeboten zu ermöglichen und vom jeweiligen Aufenthaltsstatus zu entkoppeln, ohne dass erst 15 Monate verstreichen müssen, in denen keine Förderung gewährt wird.
Sprachförderung sollte zudem integraler Bestandteil von Qualifizierungsmaßnahmen sein. Entscheidend ist der Einsatz von qualifiziertem und interkulturell geschultem Fachpersonal für den Umgang mit Jugendlichen mit Fluchterfahrung im Rahmen sehr heterogener Lerngruppen, die etwa durch unterschiedliche Sprachkenntnisse, Alter, familiäre Situation oder traumatisierende Erlebnisse gekennzeichnet sind. (…)
Ein gesicherter Aufenthalt während der Ausbildung würde Betriebe und Auszubildende zur Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses ermutigen. Hilfreich wären ferner bessere Wohn- und Lernbedingungen sowie eine angemessene medizinische Versorgung auch in frühen Phasen des Aufenthalts. Nicht zuletzt weil das Ausländerrecht und dessen Abstimmung mit anderen Rechtskreisen ausgesprochen komplex sind, sind Beratungsnetzwerke mit hoch spezialisiertem Experten-/-innenwissen von großem Nutzen. Und: Eine berufliche Ausbildung stärkt die Akzeptanz und schafft die Basis für ein selbstfinanziertes Leben von geduldeten und anderen Migranten/-innen in Deutschland. (…)
Die Bilanz zeigt: Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze.
Laut Berufsbildungsbericht 2015 gibt es auf dem aktuellen Ausbildungsmarkt auch insgesamt gesehen keinen positiven Trend: Die Zahl der Ausbildungsverträge ist mit 522.232 auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken. Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsverträge ist um 5.770 (-1,4 Prozent) auf 502.091 zurückgegangen. Mit 20.100 außerbetrieblichen Ausbildungsverträgen wurden 1.540 (-7,1 Prozent) Verträge weniger abgeschlossen als im Vorjahr (Berufsbildungsbericht 2015, S. 14). Die Anzahl der unversorgten Bewerber/-innen ist gegenüber dem letzten Jahr mit knapp 21.000 Personen ungefähr gleich geblieben. Die Zahl derer, die keine weitere aktive Hilfe bei der Ausbildungssuche mehr nachfragen und über deren Verbleib keine Informationen mehr vorliegen, ist allerdings erneut angestiegen und liegt nun bei 98.102 Personen.
Für den Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit ist dies (…) nicht hinnehmbar. Angesichts dieser Bilanz auf dem Ausbildungsmarkt wird auch in den nächsten Jahren eine große Zahl Jugendlicher und junger Erwachsener ohne Berufsausbildung bleiben. Betriebe und Wirtschaft sind gefragt, grundlegende Weichen neu zu stellen. (…)
Junge Menschen haben ein Recht auf Teilhabe und Anerkennung
(…) Damit Jugendliche mit Migrationshintergrund und andere junge Menschen, die von Benachteiligung oder Diskriminierung betroffen sind, in vollem Umfang Anerkennung erfahren und sich individuell, sozial und beruflich entwickeln und entfalten können, brauchen sie strukturelle Rahmenbedingungen, die einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe sicherstellen. Von einer Bildungsgerechtigkeit für alle jungen Menschen – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihren sprachlichen oder familiären Ressourcen und von ihrem rechtlichen Status – sind wir derzeit noch weit entfernt.
Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit sieht – bezogen auf die geringeren Zugangschancen zu einer Ausbildung für junge Menschen mit Migrationshintergrund – nach wie vor einen hohen Handlungsbedarf. Es ist dringend notwendig, die gleichberechtigte Teilhabe im Berufsbildungssystem zu verwirklichen. Eine berufliche Ausbildung ist häufig Voraussetzung für eine gelingende berufliche Integration und gesellschaftliche Teilhabe. Daher unterstützt der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit die Forderung nach besseren Zugängen und Unterstützungen für Migranten/-innen, wie sie auf dem letzten Integrationsgipfel angekündigt wurden, und schlägt zur konkreten Umsetzung vor:
##Eine Ausbildungsgarantie für alle jungen Menschen umsetzen
##Die Zusagen der Allianz beim Wort nehmen.“
Link: www.jugendsozialarbeit.de
Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit