Weil durch die Novellierung eine Vereinfachung des Leistungs- und des Verfahrensrechts in der Grundsicherung für Arbeitsuchende erreicht werden soll, ist eine Vielzahl von Detailänderungen vorgesehen. Die Stellungnahme kann und will diese nicht vollständig vorstellen und bewerten. Sie konzentriert sich auf die für die Jugendsozialarbeit und ihre Zielgruppen besonders relevanten Neuregelungen.
Auszüge aus der Stellungnahme Neue Möglichkeiten für junge Menschen, aber noch nicht der große Wurf der BAG KJS:
„(…) Was wird sich für junge Menschen ändern?
##In § 15 SGB II werden neue Regelungen für die Eingliederungsvereinbarung getroffen. Grundlage hierzu ist eine Potenzialanalyse, in der persönliche Merkmale, berufliche Fähigkeiten und die Eignung festgestellt werden; sie soll nach sechs Monaten überprüft und fortgeschrieben werden. Die Eingliederungsvereinbarung kann allerdings auch durch Verwaltungsakt getroffen werden. Partizipation sieht anders aus.
##In § 3 Abs. 2 SGB II wird die besondere Förderung junger Menschen (U 25) durch vorrangige Vermittlung in Ausbildung anders formuliert und auf alle Antragsteller von SGB II-Leistungen erweitert. Wenn die Gesetzesbegründung zu dieser Regelung davon spricht, dass ein fehlender Bildungsabschluss ein schwerwiegendes Vermittlungshemmnis darstellt und der Abschluss einer Berufsausbildung zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit führen kann, dürfte auch künftig der vorrangigen Vermittlung junger Menschen in Berufsausbildung nichts im Wege stehen. (…)
##In § 7 (Leistungsberechtigte) werden durch Änderungen in Abs. 5 und 6 die Schnittstellen zwischen SGB II und der Ausbildungsförderung (BAB und BAföG) entschärft. Junge Menschen in der Berufsvorbereitung oder -ausbildung können künftig unter bestimmten Voraussetzungen aufstockend Arbeitslosengeld II in Anspruch nehmen. (…)
##§ 16 g Abs. 2 SGB II regelt neu, dass zur nachhaltigen Eingliederung in Arbeit Leistungen zur Beratung, Vermittlung, Aktivierung und beruflichen Eingliederung bis zu sechs Monate nach Aufnahme einer Beschäftigung erbracht werden können, auch wenn die Hilfebedürftigkeit des/der Erwerbsfähigen entfallen ist. Zur nachhaltigen Eingliederung in Arbeit können künftig hierzu auch verschiedene Leistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches erbracht werden. (…)
##Ein neuer § 16 h SGB II regelt künftig die Förderung schwer zu erreichender junger Menschen unter 25 Jahren. Dies zeugt vom Bemühen des Gesetzgebers, besonders benachteiligte junge Menschen in den Blick zu nehmen und keinen verloren gehen zu lassen. Die Rate der sog. NEETs (not in education, employment or training) zeigt, dass auch bei bestehenden Förderangeboten durch das SGB II, SGB III oder SGB VIII eine bestimmte, aber zahlenmäßig nicht leicht zu fassende Zahl junger Menschen nicht erreicht wird. Für sie können zusätzliche Betreuungs- und Unterstützungsleistungen mit dem Ziel erbracht werden, dass Leistungen der Grundsicherung in Anspruch genommen werden, therapeutische Behandlungen eingeleitet und an Regelangebote zur Aktivierung und Förderung herangeführt wird. Zum Erhalt solcher Leistungen reicht es aus, dass die Voraussetzungen der Leistungsberechtigung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Es findet eine Abstimmung mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe statt. (…) Die neue Fördermöglichkeit wird sehr begrüßt, zeigt sie doch, dass der Gesetzgeber die nicht öffentlich in Erscheinung tretenden entkoppelten, exkludierten oder verlorenen Jugendlichen, oder wie wir sie auch immer beschreiben möchten, besonders in den Blick nimmt. Sie brauchen niedrigschwellige, kontinuierliche und verlässliche Hilfen, um sich sozial stabilisieren zu können und an Ausbildung und Arbeit herangeführt zu werden. (…)
##Durch vorgesehene Änderungen im SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (§§ 132 ff. SGB IX) wird sich die Zahl der Integrationsbetriebe erhöhen und ihre Zielgruppen werden auf langzeitarbeitslose behinderte Menschen ausgeweitet. Diese Regelung schafft vor allem für psychisch kranke behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen neue Perspektiven für die berufliche Integration.
##Neben diesen Änderungen für junge Menschen, die im Wesentlichen als positiv bezeichnet werden können, sind allerdings auch Regelungen vorgesehen, die sich für die Leistungsberechtigten negativ auswirken werden. § 34 SGB II etwa regelt in Zukunft neue Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten. Diese Ansprüche sollen sich in Zukunft auf Geld- und Sachleistungen beziehen und nicht nur, wie bisher, bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten eingefordert werden, sondern auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wird. Damit werden durch die Hintertür verschärfte Sanktionsregelungen eingeführt.
##Auch das quasi „Auszugsverbot“ für junge erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter 25 Jahren (§ 22 Abs. 5 SGB II), nachdem sie ohne Genehmigung des Jobcenters nicht aus der elterlichen Wohnung ausziehen dürfen, wird in dem Änderungsgesetz nicht angefasst. (…)
##Dem Bildungs- und Teilhabepaket (§ 28 SGB II) hätte eine Verwaltungsvereinfachung gut getan, damit eine leichtere Gewährleistung der hierdurch angebotenen Leistungen erreicht werden kann. (…)
##In § 16 e SGB II muss die Förderung von Arbeitsverhältnissen längerfristig ermöglicht werden und durch flankierende Leistungen, z.B. sozialpädagogische Begleitung, ergänzt werden.
##Schließlich ist auch bei der „Freien Förderung“ (§ 16 f SGB II) eine Lockerung der Vorgaben und mehr Flexibilität in der Anwendung nötig, damit sie wirksam werden kann und ihren Namen auch verdient.
Quelle: BAG KJS
Dokumente: Stellungnahme_der_BAG__KJS__Reform_der_Grundsicherung.pdf