Deutschland auf dem Weg zu einem Integrationsgesetz

Auszüge aus den Eckpunkten für ein Integrationsgesetz:
“ (…) ## Arbeitsmarktprogramm Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) – Für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden 100.000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten aus Bundesmitteln geschaffen. Ziel ist eine niedrigschwellige Heranführung an den deutschen Arbeitsmarkt sowie das Angebot einer sinnvollen und gemeinnützigen Betätigung während des Asylverfahrens. (…)
## Pflicht zur Mitarbeit bei angebotenen Integrationsmaßnahmen – Es wird gesetzlich geregelt, dass die Leistungsberechtigten bei noch festzulegenden Integrationsmaßnahmen Mitwirkungspflichten treffen und dass die Ablehnung oder der Abbruch von Integrationsmaßnahmen ohne wichtigen Grund jeweils zu Leistungseinschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz führt. (…)
## Sonderregelung für die Ausbildungsförderung von Ausländerinnen und Ausländern – Für Gestattete mit einer guten Bleibeperspektive, für Geduldete die nicht einem Beschäftigungsverbot unterliegen und für Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel soll der Zugang zu Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch befristet bis Ende des Jahres 2018 erleichtert werden.
Gestattete mit einer guten Bleibeperspektive erhalten nach drei Monaten ausbildungsbegleitende Hilfen, Assistierte Ausbildung und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen; nach 15 Monaten: Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld.
Geduldete erhalten nach 12 Monaten ausbildungsbegleitende Hilfen und Assistierte Ausbildung, wenn der Geduldete über einen betrieblichen Ausbildungsplatz oder eine Einstiegsqualifizierung oder die konkrete Zusage eines Betriebes verfügt und er nicht einem Beschäftigungsverbot unterliegt. Nach sechs Jahren bekommen Geduldete einen Zugang zu berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen einschließlich paralleler Berufsausbildungsbeihilfe bzw. Ausbildungsgeld. Personen mit bestimmte humanitären Aufenthaltstitel erhalten
nach drei Monaten Berufsausbildungsbeihilfe, ausbildungsbegleitende Hilfen und Assistierte Ausbildung.
## Zugang zu Leistungen für Langzeitarbeitslose – Zeiten der Teilnahme an einem Integrationskurs, einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung oder einer Maßnahme, die für die Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen erforderlich ist, sollen wie Zeiten einer Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung nach dem SGB III oder zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II als unschädliche Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit gelten. Diese Zeiten werden damit beim Zugang zu speziellen arbeitsmarktpolitischen Leistungen, die das Bestehen von Langzeitarbeitslosigkeit voraussetzen, berücksichtigt. Langzeitarbeitslose sind Arbeitslose, die ein Jahr und länger arbeitslos sind. (…)
## Rechtssicherheit für den Aufenthalt während einer Ausbildung – Wir schaffen im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung in einem zur Berufsausbildung berechtigten Betrieb Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe. Dazu soll folgendes geregelt werden: Während einer gesetzlichen oder tariflichen Ausbildungszeit erhält der Auszubildende eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung. Bei Abbruch des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses erlischt der Titel automatisch. Der Ausbildungsbetrieb wird zur Meldung eines Abbruchs der Ausbildung verpflichtet. Es gibt keine Altersgrenze für den Auszubildenden für den Beginn der Ausbildung. Nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung erhält der Geduldete eine weitere Duldung für bis zu sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche, sofern er nicht im Betrieb verbleibt. Für eine anschließende Beschäftigung wird ein Aufenthaltsrecht der Beschäftigung entsprechend für zwei Jahre erteilt. Das Aufenthaltsrecht wird bei Straffälligkeit widerrufen. (…)
## Aufenthaltsverfestigung von anerkannten Flüchtlingen bei erbrachter Integrationsleistung – Um für anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte einen zusätzlichen Integrationsanreiz zu schaffen, wird eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nur erteilt, wenn der anerkannte Flüchtling seinerseits Integrationsleistungen erbracht hat. Die dafür erforderlichen Bedingungen werden soweit wie möglich denjenigen angeglichen, die für andere Ausländer gelten (Sprache, Ausbildung, Arbeit, keine Sicherheitsbedenken). Bei der Ausgestaltung wird die besondere Lage der Flüchtlinge berücksichtigt.(…)
## Wohnsitzzuweisung – Aufgrund dringenden Bedarfs der Länder ist zur Sicherstellung der Integration und zur Vermeidung von sozialen Brennpunkten eine gleichmäßigere Verteilung von Schutzberechtigten erforderlich. Eine Verletzung der Wohnsitzzuweisung führt für die Betroffenen zu spürbaren Konsequenzen. (…)
## Zugang und Verpflichtung zu Integrationsleistungen – Bisher ist es nicht möglich, Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte zur Teilnahme am Integrationskurs zu verpflichten, wenn bereits eine Verständigung mit einfachen deutschen Sprachkenntnissen möglich ist und diese keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch beziehen. (…) Diese Gruppe sollte deshalb ebenfalls zum Integrationskurs verpflichtet werden können, wobei im Weiteren bei Verstößen zu berücksichtigen ist, wenn bereits Sprachkenntnisse vorliegen. (…)“
Stimmen aus den Verbänden zum geplanten Integrationsgesetz: ## Deutscher Caritasverband

Die geplanten Verbesserungen beim Spracherwerb, bei den Arbeitsmöglichkeiten für Asylsuchende und beim Zugang zum Arbeitsmarkt und arbeitsmarktbezogenen Fördermaßnahmen für Asylsuchende, Schutzberechtigte und Geduldete begrüßt der Deutsche Caritasverband. Sehr positiv ist insbesondere, dass für Asylsuchende und Inhaber einiger bislang ausgeschlossener humanitärer Aufenthaltstitel der Zugang zur Berufsausbildungsbeihilfe geöffnet werden soll. Nicht ersichtlich ist aber, warum dies nicht auch für das BAföG gilt. (…)

Auch das Aussetzen der Vorrangprüfung beim Arbeitsmarktzugang von Asylsuchenden und Geduldeten ist eine begrüßenswerte Maßnahme. Sie sollte aber bundesweit umgesetzt werden und nicht wie anscheinend geplant nur in den Kreisen, die pro Bundesland eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote haben.

Generell ist es nachvollziehbar, Bezieher/innen von Sozialleistungen bei den geplanten Integrationsmaßnahmen in die Pflicht zu nehmen. Die Erfahrungen aus der Beratungsarbeit und die monatelangen Wartezeiten zeigen aber, dass Integrationsangebote in aller Regel gerne und freiwillig in Anspruch genommen werden. Es liegt überwiegend nicht an einer fehlenden Teilnahmepflicht, sondern an fehlenden Angeboten, wenn Asylsuchende und Schutzberechtigtenicht zeitnah an Integrationsmaßnahmen teilnehmen. Zumindest solange es keine ausreichenden Angebote gibt, sollte auf weitere Pflichten und damit einhergehende Sanktionen verzichtet werden.(…)

Mit Spracherwerb und Arbeitsmarktintegration werden in den Eckpunkten zwei wichtige Punkte angesprochen, die für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft zentral sind. Das zukünftige Integrationsgesetz wird sich an den Grundsätzen des Förderns und Forderns orientieren. Damit würden die Grundsätze, die für das SGB II gelten, auch Grundlagen des Integrationsgesetzes. Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe umfasst mehr als Sprachvermittlung und den Zugang zum Arbeitsmarkt. Ein Integrationsgesetz muss daher soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe für alle Migrant/innen als Ziel haben. Es muss Rahmenbedingungen setzen, die ein Leben in Vielfalt fördern. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass das nun geplante Gesetz dafür bereits ausreicht. (…)

## Diakonie Deutschland

Der vorliegende Entwurf eines „Integrationsgesetzes“ leistet aus Sicht der Diakonie Deutschland keinen wesentlichen Beitrag dazu, Asylsuchenden und Geduldeten Teilhabe zu ermöglichen. Wenige Maßnahmen stellen eine wirkliche Unterstützung der Integration dar, die vorgesehenen Leistungskürzungen und Restriktionen unterstellen dagegen oft pauschal einen mangelnden „Integrationswillen“. Es wird die Gelegenheit vertan, jetzt die Weichen zu stellen, damit diese Zuwanderung zu einer Chance für Deutschland wird. Die Vielschichtigkeit eines Integrationsprozesses, der nach den Erfahrungen der Diakonie in der Praxis nicht mit Ausgrenzung, Zwang und Druck gelingt, spiegelt sich im Entwurf nicht wider. Er ist zudem thematisch verengt auf die Bereiche Arbeitsmarktintegration und das Erlernen der deutschen Sprache. Verbesserungen beim Arbeitsmarktzugang stehen Einschränkungen durch die Wohnsitzzuweisung, die Verknüpfung der Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis an eine Integrationsleistung sowie Leistungskürzungen gegenüber, die das sozio-kulturelle Existenzminimum unterschreiten. (…)

Die dem Gesetzentwurf zugrundeliegende Unterscheidung zwischen Asylsuchenden mit guter und schlechter Bleibeperspektive ist abzulehnen und aus Sicht der Diakonie nicht sachgerecht, da im Einzelfall individuelle Asylanerkennungsgründe und damit Bleibeperspektiven bestehen können. Auch wegen der langen Dauer der Anerkennungsverfahren sollten alle Asylsuchenden so früh wie möglich Zugang zu allen Integrationsleistungen erhalten. (…) Der Gesetzentwurf ist an vielen Stellen von einer ablehnenden und misstrauischen Haltung gegenüber Schutzsuchenden geprägt. (…)

Das Recht auf Bildung erfordert es, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche bereits in Erstaufnahme- bzw. Landeseinrichtungen statusunabhängig bedarfsgerechte Angebote der sprachlichen und schulischen Förderung sowie der Jugendhilfe gemacht werden. Grundsätzlich sollte jeder junge Mensch die Möglichkeit bekommen, einen Schulabschluss zu erwerben bzw. nachzuholen. (…)

Die gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe Integration bedarf ausreichender Finanzmittel, die auch der Bund zur Verfügung stellen muss. Ein Integrationsgesetz muss daher von haushaltspolitischen Entscheidungen, die die tatsächlichen Bedarfe widerspiegeln, flankiert werden. (…)

## Katholische Erwachsenenbildung

(…)Die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsgelegenheiten aus Bundesmitteln (Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen) wird grundsätzlich begrüßt, da sie den Personen durch einen geregelten Tagesablauf und Partizipation an der Arbeitswelt helfen kann, leichter und schneller in unserer Gesellschaft anzukommen. Gleichzeitig wird begrüßt, dass die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen wie z.B. Integrationskursen oder einer Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung Vorrang vor den zusätzlichen Arbeitsgelegenheiten hat, um die Gefahren einer neuen Generation von Langzeitarbeitslosen zu minimieren. Insgesamt wäre in diesem Bereich eine größere Flexibilisierung durch Maßnahmen nötig, die beides, Arbeit und Bildung, miteinander verbinden.

Für die KEB Deutschland sind im vorliegenden Gesetzentwurf allerdings sehr problematische Grundtendenzen erkennbar: Zum einen werden Menschen in Gruppen dividiert und letztlich gegeneinander ausgespielt, indem Geflüchtete in Integrationskursen nun plötzlich Vorrang vor anderen Teilnahmeberechtigten bekommen sollen oder Menschen mit weniger guten Bleibeperspektiven gleich völlig von den Integrationskursen ausgeschlossen werden. Zum anderen neigt der Gesetzentwurf dazu, viel zu fordern und wenig zu bieten und letztlich die Bringschuld zu stark auf die Geflüchteten, aber auch auf die Integrationskursträger abzuwälzen. Letztlich stellen die geplanten Regelungen eine Art Umkehr der Beweislast dar, indem die Leistungsberechtigten nachweisen müssen, weshalb sie nicht an einer Arbeitsmaßnahme oder einem Integrationskurs teilnehmen können. (…)“

Quelle: Bundesregierung; Deutscher Caritasverband; Diakonie Deutschland; Katholische Erwachsenenbildung Deutschland

Dokumente: Diakonie_STN_RE_Integrationsgesetz_3_05_2016.pdf

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