Das Wichtigste aus dem SVR-Jahresgutachten:
„Integrationsbarometer
Das dominante Thema der Migrationspolitik seit dem Erscheinen des letzten SVR-Integrationsbarometers im Jahr 2014 war zweifellos die Debatte um die europaweite Flüchtlingsmigration. Im Windschatten der großen Politik war die Stimmungslage mehrheitlich von Hilfsbereitschaft gekennzeichnet, das Gesamtbild des neuen, sich offen präsentierenden Deutschlands wurde kaum von Ängsten und Abwehrhaltungen getrübt. In diesen Zeitraum fallen die Befragungen für das Integrationsbarometer 2016, das mit seinem Kernstück, dem Integrationsklima-Index, die Wahrnehmung des Zusammenlebens in der Einwanderungsgesellschaft erfasst und das nun erstmals bundesweit erhoben wurde. Im Mittelpunkt dieser Messung des Integrationsklimas steht das �Funktionieren‘ der Einwanderungsgesellschaft in verschiedenen zentralen Bereichen (Nachbarschaft, Arbeitsmarkt, soziale Beziehungen und Bildung). Die Integration in diesen Bereichen ist ein kontinuierlicher und langfristiger Prozess; bei den kürzlich angekommenen Flüchtlingen steht sie Deutschland im Wesentlichen noch bevor, nachdem es zunächst vor allem um Aufnahme und Versorgung ging. (…)
Mit Blick auf das allgemeine Integrationsklima ist das Ergebnis des Integrationsbarometers 2016 eindeutig: Es wird von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund deutschlandweit als weitgehend freundlich bewertet. Damit zeigt auch die vierte Auflage des Integrationsbarometers, dass der wechselseitige Integrationsprozess auf einer stabilen Grundlage steht. (…)
„Alle Rechte für alle“
Das Einwanderungsland Deutschland ist von einer zunehmenden religiösen Vielfalt gekennzeichnet: Mit dem Islam hat sich eine dritte große Religion neben Christentum und Judentum etabliert. Diese Entwicklung wird durch die derzeit starke Zuwanderung von Flüchtlingen vor allem aus muslimischen Ländern weiter verstärkt. Deutschland ist damit von zwei gegenläufigen Entwicklungen gekennzeichnet: Einerseits einem Trend zur gesellschaftlichen Säkularisierung und abnehmenden religiösen Bindungen, andererseits einer Zunahme und Ausdifferenzierung von religiösen Angeboten. (…)
„Alle Rechte für alle“: Die deutsche Politik der Religionsfreundlichkeit hat sich als integrationsfördernd bewährt, aber offene Fragen bleiben. Die institutionelle Gleichstellung des Islam ist in den letzten Jahren weit vorangeschritten. Dies gilt sowohl für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen als auch für die Etablierung der islamischen Theologie an Hochschulen. (…) Staat und Politik haben deutlich gemacht, dass sie den Muslimen bei weiteren Schritten zur institutionellen Gleichstellung etwa mit den Kirchen und der jüdischen Gemeinde entgegenkommen. (…) Nun sind die Muslime am Zug, um den begonnenen Prozess der institutionellen Gleichstellung weiter voranzubringen. Damit angesprochen ist bspw. das Problem der weiterhin fehlenden institutionellen Voraussetzungen, die für die Bildung einer Religionsgemeinschaft erforderlich sind. (…)
Es entspricht der deutschen Rechtstradition, sich gegenüber Religionen und religiösen Bedürfnissen offen zu zeigen. Das deutsche Recht erweist sich hier als flexibel und ermöglicht Lösungen, die Zumutungen für religiös gebundene Menschen nach Möglichkeit vermeiden und mit denen alle gut leben können. Voraussetzung dafür ist aber, dass die eigenen religiösen Überzeugungen nicht absolut gesetzt werden. Hier gilt der Grundsatz, dass die Anerkennung von religiöser Verschiedenheit den Vorrang der demokratischen Grundwerte nicht schwächen darf. (…)“
Das SVR-Jahresgutachten lässt sich in elf Kernbotschaften zusammenfassen:
## Religion und Integration: Zusammenhang ist ambivalent und wird oft überschätzt
## Religion und Terror: kein monokausaler Zusammenhang
## Religionsfreundliches System: Rechte für Religionsgemeinschaften, aber auch Erwartungen an diese
## Grundprinzip staatlicher Religionsfreundlichkeit: religiöse Differenzierung führt zu religionspolitischem Pluralismus
## Neu etablierte Religionsgemeinschaften: Übertragung institutioneller Rechte ist weit fortgeschritten
## Anerkennung von Verschiedenheit darf das Primat der demokratischen Grundwerte nicht schwächen
## Schulpflicht als zentraler Grundpfeiler des deutschen Bildungssystems: kein Anspruch auf Ausnahmen
## Religionsfreundlichkeit im deutschen Recht: grundsätzlich bewährt, Nachbesserungen nötig
## Staat und Religionsgemeinschaften: gemeinsame religionspolitische und gesellschaftliche Verantwortung
## Migrationsmanagement sollte auch außen- und arbeitsmarktpolitische Aspekte einbeziehen „
Link: www.svr-migration.de/jahresgutachten/
Quelle: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration