Jugendarmut bekämpfen – auch eine kommunale Aufgabe

Auszüge aus der Eine Positionierung für das JahresforumExtra Berufliche Perspektiven junger Armer: ## „(…) Jung und arm: Schlaglichter auf eine riskante Lage Eine der Sichtweisen auf die Gründe für Jugendarmut geht von einer biografischen „Fortschreibung“ in Armutsmilieus aus: wer dort aufwächst und als Kind bereits unter Armutsbedingungen lebt, läuft das Risiko, auch als junger Mensch arm zu sein. Ausgegangen wird dabei von einer doppelt negativen Wirkung, nämlich in Hinblick auf den Mangel von Teilhabe-Ressourcen und in Hinblick auf das Selbstbild und die Einstellungen und Haltungen zum eigenen Leben. Frühe Ermüdung ist eines der Verhaltensmuster, die als Ergebnis des Aufwachsens in Armut zu beobachten sind. Aber es sind auch andere Muster zu beobachten: Lebendigkeit und Mut zu einem eigenen Aufbruch, aber auch Wut und Aggressivität. Die individuellen Reaktionen auf das eigene Aufwachsen unter Armutsbedingungen sind also unterschiedlich. (…) Wer unter Verhältnissen von Armut und/oder sozialer Randständigkeit aufgewachsen ist, ist oftmals bei Misserfolgen, Rückschlägen, Notlagen, Übergriffen und Zurücksetzungen besonders verletzlich, was Stärke, Durchhaltefähigkeit und Motivation betrifft. Jene von ihnen, die eine Migrationsgeschichte haben oder die nach einer Flucht hierhergekommen sind, stehen in der Gefahr dauerhaften Ausgegrenztseins, wenn zu ihrer schwierigen Lage enttäuschte Hoffnungen und Erwartungen und Erfahrungen von Diskriminierungen hinzutreten.
##Von der Schule in die Arbeitswelt: ein besonders kritischer Übergang (…) Besonders kritisch ist der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt u.a. deshalb, weil er den Einstieg in die Welt der Betriebe mit ihren Logiken und Handlungsanforderungen bedeutet, vor allem aber eine Klärung der eigenen Interessen und Perspektiven und die Fähigkeit, sie beharrlich zu verfolgen, voraussetzt. Dies sind „Aufgaben“, die gerade bei jenen jungen Menschen rasch zu einer Überforderung werden können, die sich aufgrund ihrer prekären Lage und aufgrund einer schwachen Ausstattung mit sozialen und persönlichen Ressourcen stark auf die bloße Aufrechterhaltung ihres täglichen Lebens konzentrieren müssen. Auf der anderen Seite bietet der – auch rechtlich abgesicherte – Schritt in das Erwachsenenleben auch neue Handlungschancen und ruft als Versprechen auf ein eigenständiges Leben auch Wünsche, Ideen und Energien auf. Kritischer Übergang meint hier also keineswegs „vorprogrammiertes Scheitern“, sondern eine widersprüchliche und riskante Ausgangslage. (…)
##Teilhaben können (…) Teilhaben braucht Möglichkeitsräume und Teilhabe hat Bereitschaft und hat Fähigkeiten zur Voraussetzung. Beides ist aufeinander verwiesen. Mängel können aber das Recht auf Teilhabe nicht außer Kraft setzen. Materielle Not – je gravierender sie ist und desto länger sie anhält – bremst Teilhabe aus. Eröffnung und Sicherung von Teilhabe – und hierin als ganz wesentlich eingeschlossen: Aufbau und Sicherung tragfähiger beruflicher Perspektiven – für junge Arme ist eine Herausforderung für kommunales und lokales Handeln im Sinne von lokalen Verantwortungsgemeinschaften. Dies umschließt stets zwei Handlungsperspektiven: nämlich die unmittelbare Unterstützung derjenigen, die dies benötigen und ohne Unterstützung am Rande verharren oder weiter „abstürzen“ würden, und die finanziellen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen, die für die Förderung und Sicherung von Teilhabe notwendig sind. Dieses zweite Handlungsfeld unterteilt sich in jene Bedingungen, die „vor Ort“ herstellbar oder verbesserbar sind und jene, die als Landes- und Bundessetzungen lokales Handeln „rahmen“. (…)
##Kommunale Koordinierung: Übergangsgestaltung als ein Feld von
Armutsbekämpfung?
Kommunale Koordinierung bei der Gestaltung der Übergänge von der Schule in Ausbildung und Arbeitstätigkeit konzentriert sich folgerichtig auf ein wichtiges, möglicherweise sogar zentrales, aber auf ein Teilfeld der Ermöglichung und Sicherung von umfassender Teilhabe. Unter dem Aspekt von Armutsbekämpfung setzt dies Kommunale Koordinierung in einen übergreifenden lokalen Arbeitszusammenhang, der unter der Prämisse von Armut erst einmal hergestellt werden muss. Aber auch umgekehrt gilt: Wenn die Kommunale Koordinierung ihr Ziel, tragfähige berufliche Perspektiven für alle jungen Leute zu befördern, erreichen will, muss sie auch armutssensibel agieren. Dies schließt ein, die Entwicklung von Perspektiven auch für jene Jugendlichen zu unterstützen, die in den üblichen Strukturen nicht (mehr) erreicht werden, weil sie schon zu viele Rückschläge erfahren haben. Doch auch dies kann sie nicht allein. (…)
##Handlungsansätze in einem herausfordernden Feld (…) Manifeste Armut und starke Armutsrisiken machen es jungen Menschen gerade auch zu Beginn ihres Erwachsenenlebens sehr schwer, „über den Tag hinaus“ zu denken und zu handeln und Perspektiven aufzubauen. Hierbei benötigen sie eine lebensweltnahe und verlässliche Unterstützung, die zugleich respektiert, dass es sich um junge Erwachsene mit Verantwortung für ihr eigenes Leben handelt. Diese schwierige Balance zwischen Hilfe und Eigenständigkeit schließt ein, auch jene Lebensentwürfe von jungen Menschen zu respektieren, die dem allgemein verbreiteten Verständnis eines geordneten Lebens nicht entsprechen. (…) Aus der aufsuchenden Sozialarbeit mit jungen Erwachsenen in den Quartieren muss gelernt werden: Unterstützung muss verlässlich und unbürokratisch sein – und sie muss rasch positiv erfahrbar werden. Also: Nicht mehr von einem Amt oder einer Beratungsstelle zur anderen, sondern zeitnah, individuell und flexibel. Die Unterstützungsnetze bedürfen unter dem Aspekt ihrer raschen und erfahrbaren Wirksamkeit für die jungen Menschen Rechtskreise übergreifend einer erneuen Justierung.“

Link: www.kommunale-koordinierung.de

Quelle: Weinheimer Initiative: JahresformumExtra

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