Prekäre Beschäftigung verhindern, Missbrauch von Werkverträgen stoppen

Der DGB Bundesvorstand ruft in seiner Publikation „arbeitsmarkt aktuell“ zu einem sorgfältigen Umgang mit Werkverträgen auf: Werkverträge sind – ähnlich wie Leiharbeit – zu einem Instrument der Personalflexibilisierung geworden. Damit werden Stammarbeitsplätze reduziert und Lohnkosten gespart. Die eingesetzten Werkvertragsbeschäftigten werden häufig deutlich niedriger entlohnt als Stammbeschäftigte. Der DGB tritt dafür ein, die missbräuchliche Umsetzung eines an sich sinnvollen Instruments zu unterbinden.

Auszüge aus „arbeitsmarkt aktuell“, Ausgabe Juni 2012, „Werkverträge – Missbrauch stoppen„:

Werkverträge als „betriebliches Instrument der Personalflexibilisierung“

„Niedriglohn und prekäre Beschäftigung sind auf dem Vormarsch. Mehr und mehr werden auch sogenannte Werkverträge dazu missbraucht, um den sozialen Schutz der Beschäftigten zu unterlaufen. In der Ernährungsindustrie, dem Baugewerbe, der Metallindustrie – überall steigt die Zahl der Arbeitskräfte, die nicht zur Stammbelegschaft zählen, sondern per Werkvertrag bei einer Drittfirma beschäftigt sind. (…)

Werkverträge sind oftmals wie Leiharbeit zu einem betrieblichen Instrument der Personalflexibilisierung geworden, mit dem die Stammarbeitsplätze reduziert werden können. In den letzten Jahren werden Werkverträge aber auch eingesetzt, um Teile der Produktion zu verlagern und so vor allem Lohnkosten zu sparen, weil die eingesetzten Werkvertragsbeschäftigten häufig deutlich niedriger entlohnt werden als die Stammbeschäftigten. (…)

Ziel des DGB ist nicht, Werkverträge generell zu unterbinden. Unterbunden werden müssen sie aber, wenn es ausschließlich darum geht, Löhne zu drücken und Risiken abzuwälzen. In diesem Fall ist das Werkvertragsunternehmen häufig weitgehend in den Produktionsablauf des Unternehmens eingebunden, ein eigenständiges Werk wird dann oft nur „zum Schein“ konstruiert. Diese Fälle nehmen zu. (…)

Starke Zunahme der Soloselbstständigkeit

Auch die Beschäftigung von Soloselbstständigen stellt eine Form des Werkvertrages dar. Ausgelöst durch die Hartz-Reformen (Ich-AG) und die Novellierung der Handwerksordnung hat die Soloselbstständigkeit stark zugenommen. (…)

Nach Beobachtungen des DGB gibt es deutliche Hinweise dafür, dass Werkverträge und Aufträge an Soloselbstständige von Arbeitgebern zum Lohndumping bzw. zur Abwälzung von betriebswirtschaftlichen Risiken missbraucht werden. Eine genaue Bezifferung dieses Problems ist schwierig, weil keine gesetzliche Abgrenzung vorliegt, bzw. die Unterscheidung zwischen erwünschten und nicht erwünschten Werkverträgen immer auch Wertungsentscheidung beinhaltet.

Auslagerungen in Form von Werkverträgen und freien Mitarbeitern

Nach einer Auswertung des IAB-Betriebspanel, wurden zum Beispiel zwischen dem 01.07.2009 und dem 20.06.2010, also innerhalb eines Jahres, in zwei Prozent aller Betriebe Ausgliederungen vorgenommen. Arbeitsabläufe wurden ausgelagert und großteils durch Werkvertragsunternehmen erledigt. Ein zweites Phänomen besteht darin, dass freie Mitarbeiter auf Basis individueller Werkverträge eingesetzt werden. Der Anteil der freien Mitarbeiter an der Gesamtbeschäftigung hat sich zwischen 2002 und 2010
nahezu verdoppelt. Wurden 2002 noch 346.000 freie Mitarbeiter gezählt, stieg ihre Zahl 2006 kontinuierlich an, sackte dann leicht ab und stieg bis 2010 bereits auf 640.000 bzw. mehr als vier Fünftel gegenüber 2002. (…)

Überproportional viele freie Mitarbeiter werden in den Bereichen Information und Kommunikation, wirtschaftliche, wissenschaftliche und freiberufliche Dienstleistungen, Erziehung und Unterricht, Organisation ohne Erwerbscharakter und sonstige Dienstleistungen eingesetzt. Am stärksten verbreitet sind freie Mitarbeiter im Erziehungs- und Bildungsbereich; ihr Anteil an den Gesamtbeschäftigten der Branche liegt hier bereits bei knapp 11 Prozent, es folgt der Informations- und Kommunikationssektor, wo die Freien gut 8 Prozent der Belegschaft stellen.

Die Zahl der freien Mitarbeiter allein ist zwischenzeitlich schon fast auf das Niveau der Leiharbeit angestiegen; allerdings werden beide Beschäftigungsformen in den einzelnen Branchen (noch) sehr unterschiedlich eingesetzt. So konzentriert sich Leiharbeit eher auf größere Betriebe und stärker auf Routinetätigkeiten, während freie Mitarbeiter eher in Kleinbetrieben und für Tätigkeiten eingesetzt werden, die meist mit höherer Qualifikation einhergehen. Doch gemeinsam ist diesen Beschäftigungsformen, dass die Jobs weit weniger stabil sind und im Schnitt auch deutlich schlechter entlohnt werden als vergleichbare Arbeitskräfte.

Obwohl längst nicht alle Betriebe einer Branche auf diese meist prekären Beschäftigungsverhältnisse zurückgreifen, entfällt auch bei Produktionsgütern, bzw. Investitions- und Gebrauchsgütern auf sie ein Beschäftigungsanteil von etwa 5 Prozent. Je nach Tätigkeitsfeld werden deutlich höhere Anteile erreicht. (…)

Weit verbreitet sind Werkverträge aber auch in der Bauindustrie. In der Bauindustrie werden in der Regel Aufträge an weitere Subunternehmen weitervergeben, wobei in Einzelfällen bis zu sieben weitere Subunternehmen tätig werden. Obwohl Generalunternehmerhaftung besteht, führen diese Konstruktionen dazu, dass die Verantwortung für das eingesetzte Personal im Einzelnen nicht mehr zugeordnet werden kann, vor allem dann, wenn ausländische Werknehmer beteiligt sind. In diesen Fällen kommt es häufig zu Lohndumping und Missachtung von Schutzbestimmungen. (…)

Kontrollen finden nicht statt

(…) Unzureichende gesetzliche Abgrenzungskriterien haben dazu geführt, dass in der Regel Kontrollen erst gar nicht stattfinden und deswegen Missstände häufig unentdeckt bleiben.

Die Abgrenzungsproblematik zwischen unechten Werkverträgen und Leiharbeit hat weiter zugenommen, worauf nicht zuletzt die Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen verweist. Ein Muster ist: Die Werkvertragsunternehmen erledigen Ihre Aufgaben in den Räumen der auftraggebenden Betriebe und in zeitlicher Abhängigkeit von deren Produktionsabläufen, so dass die klassischen Merkmale der selbständigen Tätigkeit – und damit eines Werkvertrages – keine Weisungsbefugnis des Auftraggebers hinsichtlich Art, Ort und Zeit der auszuführenden Arbeiten; selbständige Organisation der Tätigkeit – oft nicht erfüllt sind.

Die beauftragten Werkvertragsunternehmen sind meist nicht tarifgebunden und zahlen oft Niedriglöhne. Bei konsequenter Anwendung der Abgrenzungsmerkmale, die z.B. in der Rechtssprechung entwickelt wurden, würden viele existierende Werkverträge als Leiharbeit – und zwar mangels Erlaubnis – als illegale Leiharbeit zu qualifizieren sein.

Der DGB hält deswegen eine eindeutige gesetzliche Abgrenzung zwischen Werkverträgen, Leiharbeit und Arbeitsverträgen für notwendig. Die Darlegungs- und Beweislast liegt nach gegenwärtiger Rechtslage bei den Arbeitnehmern, die geltend machen müssen, dass Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Dies ist den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht zuzumuten. (…)

Mindestlohn einführen und Tarifbindung stärken

Insgesamt würde die Problematik auch durch die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns entschärft werden, weil dann zumindest die schlimmsten Formen von Ausbeutung – insbesondere auch ausländischer Arbeitskräfte – unterbunden werden. Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn kann allerdings eine präzisere Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung nicht ersetzen.

Auch die Verbesserung der Tarifbindung kann Abhilfe schaffen. Wenn zum Beispiel durch Allgemeinverbindlicherklärung Tarifverträge für alle Beschäftigten gelten, sinken Anreize
durch Werkverträge Lohndumping zu betreiben. Die Bundesregierung sollte deswegen die gesetzlichen Bestimmungen zur Allgemeinverbindlicherklärung verbessern. Wenn die am Tarifvertrag beteiligten Tarifpartner sich einig sind, sollte die Allgemeinverbindlicherklärung in Kraft treten, ohne dass dies durch ein Veto des Tarifausschusses verhindert werden kann. “

Quelle: DGB Bundesvorstand

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