Weg von zentraler Vergabe – hinzu qualitätsorientierten, dezentralen Verfahren

Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit bietet mit seinem aktuellen Positionspapier Antworten, wie sich pädagogische Qualität und wirtschaftliche Leistungserbringung vereinbaren lassen. Und zwar so, dass passende Förderangebote für die Bedarfe benachteiligter Jugendlicher langfristig sicher gestellt werden können.

Auszüge aus dem Positionspapier „Zukunftschancen junger Menschen nicht länger vergeben.“:
“ Verstärkt durch die Ausbildungs‐ und Arbeitsmarktkrisen der letzten Jahre und durch vielfache Passungsprobleme zwischen Schul‐ und Berufsbildungssystem sind zahlreiche Angebote mit dem Ziel entstanden, Jugendliche zu unterstützen, denen der Weg in eine Ausbildung nicht auf direktem Wege gelingt. Neben den Angeboten der berufsbezogenen Jugendsozialarbeit (§ 13 (2) SGB VIII), die über die Kommunen, Länder oder Programme finanziert werden, sind dies ganz überwiegend Maßnahmen, die über SGB III und II finanziert und organisiert werden. Die Träger der Jugendsozialarbeit sind damit konfrontiert, dass sie ihre Aufgaben an den Prinzipien der Arbeitsmarktförderung ausrichten müssen, während pädagogische Konzepte der Jugendhilfe in den Hintergrund treten. Die Beauftragung der Träger mit Arbeitsmarktdienstleistungen (AMDL) erfolgt, nachdem sie sich in offen ausgeschriebenen Vergabeverfahren durchgesetzt haben.

Bereits seit 1995 werden Arbeitsmarktdienstleistungen in öffentlicher Ausschreibung nach der Vergabe‐ und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) vergeben. Im Zuge der Organisationsreform der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden die „Einkaufsprozesse“ 2004 neu gestaltet. Die Vergabe der Maßnahmen der BA wird seither von Regionalen Einkaufszentren (REZ) gesteuert und die Vergabeunterlagen werden zentral erstellt: Somit gilt eine einzige Vergabeunterlage mit entsprechenden Bewertungskriterien bundesweit, unabhängig von Unterschieden in der Zusammensetzung der Zielgruppen oder den regionalen Besonderheiten des Arbeits‐ oder Ausbildungsmarktes. …

Auswirkungen der Vergabepraxis: Die berufliche Integration junger Menschen wird unzureichend gefördert – ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz werden „vergeben“.
Für Jugendliche mit erhöhtem Förderbedarf, die nach der Schule oder der Berufsvorbereitung nicht unmittelbar eine betriebliche Ausbildung beginnen können, ist eine verlässliche, übergreifende lokale Förderstruktur notwendig, die eine kontinuierliche Begleitung und pädagogische Unterstützung ermöglicht. Stattdessen verhindern jedoch die knappe Budgetierung und die starren Rahmenbedingungen eine am individuellen Bedarf ausgerichtete Unterstützung, die eine erfolgreiche berufliche Integration bedingt. …

Kriterien für angemessene Verfahren zur Beauftragung von Arbeitsmarktdienstleitungen
Welche Anforderungen und wesentliche Kriterien sind für Vergabeverfahren anzulegen, die sich an der Qualität der Maßnahmen ausrichten? ## Die Maßnahmen werden zu Preisen vergeben, welche die Erbringung der verlangten und versprochenen Leistung ermöglichen. Sie basieren auf realistischen Vor‐ und Nachkalkulationen auf Seiten der Träger sowie der beauftragenden Jobcenter und Arbeitsagenturen.
## Die Vertragslaufzeiten der Ausschreibungen werden so verlängert, dass mehr Planungssicherheit seitens der Träger entsteht. Damit sinkt der Verwaltungsaufwand und die Qualität erhöht sich durch längerfristig angelegte, kontinuierlich erbrachte Leistungen.
## Insbesondere die Ausschreibungszyklen von Maßnahmen, die mit hohem Investitionsaufwand bzw. mit arbeitsintensivem Aufbau und der Pflege von lokalen Netzwerken verbunden sind, werden so gestaltet, dass sie den Aufwand inhaltlich und wirtschaftlich rechtfertigen.
## …
## Die Vergabe ist kommunal und/oder regional organisiert, legt die lokalen/regionalen Bedarfe zugrunde und sichert die lokalen und regionalen Netzwerke.
## Die Gestaltung von Maßnahmen ist am Bedarf der Teilnehmer/‐innen orientiert. Konzepte sind im Rahmen der Auftragsausführung veränderbar und können im Interesse der Zielgruppen weiterentwickelt werden.
## …
## Zur Erleichterung von Fördermaßnahmen in gemeinsamer Zuständigkeit von Jugendämtern und Jobcentern werden die Möglichkeiten zur freihändigen Vergabe auf Basis der sog. „vorteilhaften Gelegenheit“ verbessert.
## Das Verhältnis von Verwaltungsaufwand und Maßnahmekosten ist für alle Beteiligten transparent und per Definition angemessen. Bestellung und Einkauf liegen in einer Hand, und zwar beim örtlichen Jobcenter oder der örtlichen Arbeitsagentur.
Die unterschiedlichen Formen der Beauftragung müssen endlich genutzt und alternative Verfahren erprobt werden
Ein neues, dezentrales Vergabeverfahren muss zukünftig sicherstellen, dass tatsächlich ein fairer Wettbewerb um die Qualität von Maßnahmen entstehen kann und nicht allein der niedrigste Preis entscheidet. …

Auch die VOL/A erlaubt im Bereich der Arbeitsmarktdienstleistungen andere Vergabeformen wie beschränkte Ausschreibung und Formen der freihändigen Vergabe.

Die Nutzung dieser Verfahren kann Grundlage einer bedarfs‐ und wirkungsorientierten Vergabestrategie sein, die auf Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit setzt. Sie sind geeignet, den Kreis möglicher Anbieter sinnvoll zu begrenzen, die Beteiligung ungeeigneter Träger zu verhindern und den Verwaltungsaufwand zu mindern. Um die kontinuierliche und verlässliche Arbeit mit den Jugendlichen besser sicherzustellen, kann die Ausschreibung für ein Programm wie zum Beispiel die Berufseinstiegsbegleitung in Form einer längerfristigen, beschränkten Ausschreibung mit oder ohne Teilnahmewettbewerb erfolgen.

Das sozialrechtliche Dreieck – eine alternative Form der Beauftragung
Die Verbände der Jugendsozialarbeit sprechen sich dafür aus, dass die Leistungserbringung, insbesondere im Rechtskreis SGB II, über das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis in Erwägung gezogen werden sollte.

Das „Sozialrechtliche Dreiecksverhältnis“ bezieht sich auf das Zusammenwirken von drei Akteuren: dem Kostenträger (etwa eine Kommune oder ein Jobcenter), dem Leistungsanbieter (etwa ein Träger der Jugendhilfe, der Förderungsangebote macht) und dem/der Leistungsberechtigen (etwa ein Jugendlicher mit Unterstützungsbedarf). Der Kostenträger bewilligt dem Leistungsberechtigten eine Leistung, z. B. eine Fördermaßnahme; diese wird jedoch nicht vom Kostenträger selbst, sondern von einem Dritten, dem Leistungserbringer (einem freigemeinnützigen oder privat‐gewerblichen Träger) erbracht. …

Der Leistungsberechtigte hat dabei die Wahl, bei welchem Träger die Leistungszusage (z. B. die Teilnahme an einer Fördermaßnahme) eingelöst wird (§ 33 Abs. 2 SGB I Wunsch‐ und Wahlrecht). Dieses Recht ist durch einen Mehrkostenvorbehalt begrenzt, sodass die Anwendung des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses in der Regel nicht teurer wäre als andere Arten der Leistungserbringung. Die Kontrolle der Kosten sichert der gleichzeitige Abschluss von Leistungsvereinbarungen im Sinne des § 17 Abs. 2 SGB II. …

Fazit und Ausblick
Die derzeitige Vergabepraxis der BA in zentraler Ausschreibung verhindert Innovation und macht Flexibilität unmöglich. Sie blockiert eine kontinuierliche, aufeinander aufbauende, kohärente Förderung, die für die Jugendlichen transparent, verlässlich und anschlussfähig ist. Zudem führt das Verfahren zu ständig sinkenden Preisen, was eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen gefährdet. Prekäre Arbeitsverhältnisse und eine unangemessene Bezahlung der Beschäftigten sind weitere Folgen. Die für die Jugendlichen und die Kooperationsstrukturen so wichtige personelle Kontinuität bleibt auf der Strecke.

Die Art und Weise, in der die Arbeitsmarktdienstleistungen zurzeit beauftragt werden, stellt nicht den Rahmen her, der erforderlich ist, um mit angemessener Qualität junge Menschen mit Unterstützungsbedarf zu fördern. Eine Veränderung ist deshalb dringend geboten. … „

Das Positionspapier „Zukunftschancen junger Menschen nicht länger vergeben.“ in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit

Dokumente: KV_Positionspapier_Vergabe.pdf

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