Kriterien für eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge

Angesichts des hohen Flüchtlingszuzugs innerhalb eines äußerst kurzen Zeitraums und einer sehr ungleichmäßigen Verteilung von Menschen mit Schutzstatus wird derzeit die Frage diskutiert, ob eine Wohnsitzauflage ein geeignetes Instrument zur Binnensteuerung der Flüchtlingsverteilung in Deutschland sein kann. Eine solche Wohnsitzauflage würde für anerkannte Flüchtlinge eine Einschränkung ihrer freien Wohnortwahl für einen gewissen Zeitraum bedeuten und den sog. Königsteiner Schlüssel ergänzen, der für die Verteilung von Schutzsuchenden auf die Bundesländer in der Antragsphase maßgeblich ist.

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) gibt zu bedenken, dass Zwangszuweisungen auch integrationshemmende Effekte haben können, da sie den persönlichen Entscheidungsspielraum einschränken und z. B. Familienzusammenführungen verhindern. Eine integrationsförderliche Wirkung von Ansiedlungspolitiken ist zudem nur dann gegeben, wenn die lokalen Arbeitsmärkte aufnahmebereit sind und anerkannte Flüchtlinge am zugewiesenen Ort eine adäquate Arbeit finden können. Vielfach wird allerdings in der ersten Zeit nach der Anerkennung der Erwerb der sprachlichen und beruflichen (Nach)Qualifikation im Vordergrund stehen. Zentral ist daher auch, dass an den Wohnorten eine Infrastruktur zur Verfügung steht, die den Flüchtlingen gerade dies ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der SVR, bei einer Einschränkung der freien Wohnortwahl durch die Einführung einer Wohnsitzauflage folgende Kriterien zu berücksichtigen:

## sie sollte die Freizügigkeit von anerkannten Flüchtlingen nur für eine begrenzte Zeit (etwa für 2 Jahre) einschränken,
## sie sollte nur gelten, solange anerkannte Flüchtlinge noch keinen Arbeitsplatz haben und ihren Lebensunterhalt noch nicht aus eigener Kraft bestreiten können,
## sie sollte eine Arbeitssuche auch in anderen Regionen eröffnen,
## sie sollte Härtefallregelungen vorsehen, die etwa eine Familienzusammenführung ermöglichen,
## es muss gewährleistet sein, dass Menschen mit Schutzstatus in den Kommunen integrationsfördernde und (nach)qualifizierende Maßnahmen offen stehen (Integrations- und berufsbezogene Sprachkurse, Ausbildung, Maßnahmen der Arbeitseingliederung),
## entsprechend sollten die Regionen, für die die Wohnsitzauflage gilt, möglichst weit gefasst werden (bspw. auf der Ebene von Arbeitsagenturbezirken),
## schließlich sollte ein entsprechendes Gesetz befristet, mit einer Prüfklausel versehen und mit Blick auf seine Wirkungen einer Evaluation unterzogen werden.
Eine derart ausgestaltete Einschränkung der freien Wohnortwahl, die dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit entspricht, hält der SVR in Abwägung der Vor- und Nachteile für vertretbar und angemessen, auch angesichts der rasch erforderlichen und enormen Integrationsleistung in den Kommunen.“

Link: www.svr-migration.de

Quelle: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration

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