Auszüge aus der Analyse Bildungsstand, Bildungsmobilität und Einkommen von Christina Anger/Wido Geis:
“ (…) Ausblick
Der Flüchtlingszuzug wird das Wanderungsgeschehen voraussichtlich auch in den nächsten Jahren sehr stark prägen und zu einem Anstieg des Anteils Niedrigqualifizierter an der Bevölkerung führen. Denn vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in vielen europäischen Ländern ist davon auszugehen, dass die EU-Zuwanderung in naher Zukunft deutlich an Bedeutung verlieren wird. Damit dürfte es zu einer Verschlechterung der Qualifikationsstruktur in Deutschland kommen, auch wenn ein bedeutender Teil der Flüchtlinge in Deutschland noch Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen und Kompetenzen erwerben dürfte. Wie stark die Zunahme des Anteils Niedrigqualifizierter ausfallen wird, lässt sich noch nicht abschätzen, da weder klar ist, wie viele Personen überhaupt im Flüchtlingskontext nach Deutschland kommen und längerfristig hier bleiben, noch inwieweit es ihnen gelingen kann, hier einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erwerben. (…)
Gelingt den Flüchtlingskindern eine erfolgreiche Bildungskarriere, dürften viele aufgrund des relativ niedrigen Bildungsniveaus ihrer Eltern zu Bildungsaufsteigern werden. Dies kann sich positiv auf die Kennziffern zur Bildungsmobilität auswirken. Dazu muss jedoch eine frühzeitige Integration der Flüchtlingskinder in das Bildungssystem erfolgen. Durch die Flüchtlingsmigration dürfte der Anteil der Geringqualifizierten deutlich zunehmen. Für die Einkommensverteilung der Zukunft dürfte diese Entwicklung bedeutende Effekte haben, da niedrige Haushaltseinkommen und fehlende Bildungsabschlüsse weiterhin eng miteinander verknüpft sind. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, sollte der Fokus der Förderung der Bildungsmobilität in Zukunft darauf gerichtet werden, Bildungsarmut zu vermeiden und den Bildungsaufstieg vor allem von geringqualifizierten Migranten durch bessere Integrationsangebote zu forcieren. (…)
Bildungsstand und Einkommen
In den letzten Jahren hat sich der Bildungsstand der in Deutschland lebenden Bevölkerung deutlich verbessert. Wiesen im Jahr 2005 noch 18,2 Prozent der 25- bis 64-Jährigen keinen berufsqualifizierenden Abschluss vor, so sank dieser Anteil bis zum Jahr 2014 auf 16,0 Prozent. (…)
Nach wie vor besteht ein enger Zusammenhang zwischen Bildungsstand und Einkommen. Dies zeigt sich an einer nach Bildungsstand differenzierten Betrachtung der Einkommensverteilung in Deutschland. Hierzu wird die Bevölkerung in vier Bildungs- und fünf Einkommensklassen unterteilt. Bei den Bildungsabschlüssen wird zwischen Personen ohne einen Abschluss der Sekundarstufe II (Abitur oder beruflicher Bildungsabschluss), Personen mit Abschluss der Sekundarstufe II, Personen mit Meister- oder Technikerabschluss und Personen mit einem Hochschulabschluss unterschieden. Die Einkommensgruppen werden durch die Einteilung der Personen in fünf gleich große Gruppen anhand des äquivalenzgewichteten Nettohaushaltseinkommens gebildet. Die Gruppe „Quintil 1“ umfasst somit die 20 Prozent der Personen mit den geringsten äquivalenzgewichteten Nettoeinkommen.
Aus der Analyse wird deutlich, dass die Personen mit einem mittleren Bildungsabschluss zu einem hohen Anteil zum mittleren Einkommenssegment zählen. Im Jahr 2000 gehörten knapp 63 Prozent zu dieser Gruppe und im Jahr 2014 waren es knapp 68 Prozent. Somit konnten in beiden Jahren mehr als die Hälfte der Personen mit einem mittleren Bildungsabschluss den mittleren Einkommensschichten zugeordnet werden. Dies bedeutet, dass ein mittlerer Bildungsabschluss weiterhin eine gute Voraussetzung ist, um zur Einkommensmittelschicht zu gehören.
Ein geringer Bildungsstand ist häufig mit einem niedrigeren Einkommen verbunden. Im Jahr 2000 gehörten 33,2 Prozent der Personen ohne einen Abschluss der Sekundarstufe II in das Quintil mit den niedrigsten Einkommen. Im Jahr 2014 waren es mit 31,5 Prozent etwas weniger. (…)
Umfang der Bildungsmobilität
Vor dem Hintergrund des (…) Zusammenhangs zwischen Bildungsniveau und Einkommen ist die Bildungsmobilität eine wesentliche Determinante der intergenerationalen Einkommensmobilität. Erreichen junge Menschen ein höheres Bildungsniveau als ihre Eltern, ist das eine sehr gute Voraussetzung für den sozialen Aufstieg, während bei einem niedrigeren Bildungsniveau der soziale Abstieg droht. (…)
Eigene Berechnungen auf Basis des nationalen Bildungspanels (NEPS) kommen zu dem Ergebnis, dass 26,5 Prozent der 25- bis 34-Jährigen in Deutschland in der Erhebungswelle 2013/2014 einen höheren Abschluss als der Vater und 34,8 Prozent als die Mutter erreicht haben. Einen niedrigeren Abschluss als der Vater weisen 25,8 Prozent auf, im Vergleich zur Mutter sind es 16,2 Prozent. (…)
Einflussfaktoren auf die Bildungsmobilität
(…) Die Grundlagen für die beruflichen Bildungsabschlüsse werden in der Schule gelegt. Die PISA-Erhebungen zeigen, dass der Anteil der Schüler, die aufgrund ihrer niedrigen Kompetenzen der Risikogruppe zugeordnet werden und damit als nicht ausbildungsreif gelten, von PISA-Erhebung zu PISA-Erhebung kleiner geworden ist. Die aktuellste PISA-Erhebung aus dem Jahr 2015 deutet zwar wieder auf einen geringen Anstieg des Anteils der Risikogruppe hin, er ist jedoch mit 16,2 Prozent noch deutlich geringer als das Ausgangsniveau von 22,6 Prozent aus dem Jahr 2000. Gleichwohl bleibt das an der Größe der Risikogruppe gemessene Ausmaß der Bildungsarmut eine zentrale bildungspolitische Herausforderung. (…)
Effekte der Zuwanderung auf den Bildungsstand
Die zukünftige Entwicklung des Bildungsstands und der Bildungsmobilität hängt nicht nur davon ab, wie gut es dem deutschen Bildungssystem gelingt, junge Menschen zu qualifizieren. Auch Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung durch Zu- und Abwanderung können einen Einfluss haben. Dabei hat sich das Wanderungsgeschehen zwischen Deutschland und dem Ausland in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Noch im Jahr 2009 verließen mehr Personen das Land als neu zuzogen. In den Folgejahren ist die Nettozuwanderung sukzessive bis auf 550.000 im Jahr 2014 angestiegen. Im Jahr 2015 erreichte sie mit 1,14 Millionen den höchsten Wert in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. (…)“
Die Analyse wurde in der Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung „IW-Trends“ 1. 2017 veröffentlicht. Dort lesen Sie die Datenauswertung in vollem Umfang.
Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW); epd; KNA