In welchem Maße Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland integriert sind, bleibt als gesellschaftlich diskutiertes Thema aktuell. Ein Fortschritt der Integration bemisst sich demnach daran, dass sich die Lebensbedingungen von Personen mit und ohne Migrationshintergrund einander angleichen. Empirisch lässt sich dies anhand von „Indikatoren“ überprüfen. Indikatoren zeigen an, wie sich gesellschaftliche Prozesse im Zeitverlauf entwickeln. Sie müssen klar, einfach und eindeutig sein, um zu vergleichbaren Ergebnissen zu führen und unter Berücksichtigung verfügbarer Datenquellen umsetzbar sein.
Eine gut begründete Integrationspolitik orientiert sich an wissenschaftlichen Analysen empirischer Daten. Anhand von Indikatoren kann die Fülle verfügbarer Daten strukturiert und auf den Fokus der Berichterstattung zugeschnitten werden. Zu diesem Zweck haben nach Erstellung und auf Basis des Ersten Indikatorenberichts (2009) die betroffenen Bundesministerien in Konsultation mit Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft unter Federführung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration einen Katalog von 64 Indikatoren in 11 gesellschaftlichen Bereichen erarbeitet, an dem sich die kontinuierliche Berichterstattung
orientiert.
Diese Bereiche sind:
## (2) Frühkindliche Bildung und Sprachförderung
## (3) Bildung
## (4) Ausbildung
## (5) Arbeitsmarktintegration
## (6) Soziale Integration und Einkommen
## (7) Gesellschaftliche Integration und Beteiligung
## (8) Wohnen
## (9) Gesundheit
## (10) Interkulturelle Öffnung von Schule, Verwaltung, Gesundheitsdiensten, Wirtschaft, Politik und Medien
## (11) Kriminalität, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit.
Der Zweite Integrationsindikatorenbericht wurde im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration erstellt. Es werden der Stand und die Entwicklung von Integration anhand verschiedener Indikatoren in unterschiedlichen Dimensionen der Lebenslage gemessen.
Der Bericht gliedert sich in einen deskriptiven und einen analytischen Teil. Als Datengrundlage werden insbesondere amtliche Statistiken und hierbei vor allem die Daten des Mikrozensus der Jahre 2005 bis 2010 herangezogen, stellenweise ergänzt um weitere themenspezifische Statistiken. Der deskriptive Teil des Berichts stellt Aussagen über Entwicklungen im Zeitverlauf in den Vordergrund, die allerdings aufgrund von Beschränkungen der Datenlage nicht in allen Bereichen in der gewünschten Detailliertheit gemacht werden können.
Auszüge aus dem Zweiten Integrationsindikatorenbericht:
“ Rechtsstatus
54% der drittstaatsangehörigen Ausländerinnen und Ausländer, die sich seit fünf bis zehn Jahren in Deutschland aufhalten, haben ein langfristiges Aufenthaltsrecht. Bei den Drittstaatsangehörigen, die seit mehr als zehn Jahren in Deutschland leben, sind es sogar 87%. Der Anteil der Drittstaatsangehörigen mit langfristigem Aufenthaltsrecht ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Die Anzahl der nach Duldung erteilten Aufenthaltserlaubnisse ist 2010 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Gleichzeitig ging die Anzahl der Geduldeten im Berichtszeitraum zurück. Dies kann als Erfolg der Bleiberechtsregelung gesehen werden.
Die Anzahl der Einbürgerungen nahm leicht zu, im Jahr 2010 wurden 2.000 Personen mehr eingebürgert als im Jahr zuvor. Der Anteil der Einbürgerungen unter den Ausländerinnen und Ausländern mit einer Aufenthaltsdauer von acht und mehr Jahren lag 2010 bei 2,0% und war damit etwas höher als in den beiden Vorjahren. Über den gesamten Berichtszeitraum ist dieser Anteil allerdings zurückgegangen. …
Bildung
…
Grundsätzlich zeigen die Bildungsindikatoren nicht nur einen positiven Trend in der Gesamtbevölkerung, sondern auch bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund.
So ging der Anteil der jungen Menschen ohne Schulabschluss zurück, und zwar von 2,6% im Jahr 2005 auf 2,3% 2010. Dies gilt insbesondere für Personen mit Migrationshintergrund (prozentualer Rückgang um 15%). Des Weiteren zeigt sich, dass der Anteil der Personen ohne Schulabschluss in der zweiten Generation deutlich geringer ist als in der ersten Generation, 2010 lag er bei 2,8%.
Gleichzeitig nahm der Anteil der Jugendlichen zu, die eine allgemeinbildende Schule mit der (Fach)Hochschulreife verlassen (um +24% bei den deutschen und um +28% bei den ausländischen Jugendlichen). Allerdings ist der Zugang zu höherer Schulbildung für Ausländer und Ausländerinnen nach wie vor schwierig: Der Anteil der ausländischen Jugendlichen ohne Schulabschluss war im Schuljahr 2008/2009 mit 7,3% mehr als doppelt so hoch wie bei den deutschen Jugendlichen.
Somit zeigt sich nach wie vor ein „Bildungsrückstand“ der ausländischen Jugendlichen, welche nicht nur häufiger die Schule ohne Abschluss verlassen, sondern auch seltener höhere Schulabschlüsse erreichen.
Die Ergebnisse einer weiterführenden Analyse zur Sekundarstufe I lassen jedoch darauf schließen, dass nicht der Migrationshintergrund über die schulische Entwicklung entscheidet. Der wesentliche Faktor ist vielmehr die soziale Herkunft. …
Nicht schulpflichtige Zuwanderinnen und Zuwanderer erhalten die Möglichkeit, die deutsche Sprache in den Integrationskursen zu erwerben. Seit Ende 2007 ist die Teilnahme an einer Abschlussprüfung der Sprachkursteile der Integrationskurse verpflichtend, und seit dem zweiten Halbjahr 2009 werden einheitliche Sprachprüfungen innerhalb des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen durchgeführt. … In einigen Bereichen zeigen sich positive Trends sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. So sank der Anteil der Personen ohne Abschluss der Sekundarstufe II im gesamten Berichtszeitraum: 2005 lag dieser Anteil in der Gesamtbevölkerung bei 14,0% und ging bis 2010 auf 12,6% zurück. Bei Personen mit Migrationshintergrund ging er im selben Zeitraum von 24,2% auf 21,1% zurück.
Auch der Anteil der Personen ohne einen berufsqualifizierenden Abschluss nahm im Berichtszeitraum ab. Allerdings liegt dieser Anteil der Personen mit Migrationshintergrund mit 31,6% (2010) doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (14,9%). Es muss demnach festgehalten werden, dass Personen mit Migrationshintergrund im gesamten Berichtszeitraum merklich häufiger weder einen beruflichen noch einen akademischen Abschluss haben.
In zwei Bereichen haben ausländische Jugendliche allerdings „Rückstände“ aufgeholt: So ist die Einmündungsquote in eine Berufsausbildung im Berichtszeitraum in der ausländischen Bevölkerung gestiegen, während sie für die Gesamtbevölkerung zurückgegangen ist. Dennoch liegt die Einmündungsquote in der ausländischen Bevölkerung nach wie vor deutlich unter jener der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung (48,5% der Gesamtbevölkerung und nur 36,0% der ausländischen Bevölkerung). Zu einer tatsächlichen Angleichung zwischen Gesamtbevölkerung und ausländischer Bevölkerung ist es bei den so genannten Altbewerberinnen und Altbewerbern gekommen. Der Anteil derjenigen, denen nach einem Jahr (oder länger) nach Verlassen der Schule kein Einstieg in eine berufliche Ausbildung gelungen ist, ist in der ausländischen Bevölkerung stark zurückgegangen (während der Anteil bei der Gesamtbevölkerung gestiegen ist) und war im Berichtsjahr 2009/2010 nahezu identisch mit dem Anteil der Gesamtbevölkerung (knapp über 46%).
Ein negativer Trend zeigt sich für die gesamte Bevölkerung hinsichtlich der Ausbildungsbeteiligungsquote. Diese ging im Zeitraum von 2005 bis 2010 in der Gesamtbevölkerung um 6% auf 16% zurück und bei den Personen mit Migrationshintergrund um 2% auf 13,1%. …
Weiterführende Analysen zum Einstieg 17- und 18-jähriger Jugendlicher in die Phase der beruflichen Ausbildung zeigen, dass migrationsspezifische Differenzen beim Übergang in die Sekundarstufe II zu einem erheblichen Teil auf Schulabschluss, soziale Herkunft und Einreisealter zurückgehen. Der migrationsspezifische Nachteil in der Sekundarstufe II betrifft insbesondere Jugendliche der zweiten Generation mit Hauptschulabschluss, die auch dann noch signifikant schlechtere Chancen auf Ausbildung haben als Jugendliche ohne Migrationshintergrund, wenn das Bildungsniveau der Eltern und das Wohnumfeld vergleichbar sind. Jugendliche, die einen mittleren Schulabschluss erworben haben, unterscheiden sich im Übergang in die Sekundarstufe II hingegen nicht signifikant nach Migrationshintergrund, wenn sie in Elternhaus und Wohnumfeld dieselben Bedingungen vorfinden. …
Arbeitsmarktintegration
…
Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit von Personen mit Migrationshintergrund sind stark von konjunkturellen Entwicklungen geprägt. …
Personen mit Migrationshintergrund sind zu geringeren Anteilen erwerbstätig als die Gesamtbevölkerung. Die Beschäftigungslücke – und damit der Unterschied zwischen der Erwerbstätigkeit der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund und der Bevölkerung mit Migrationshintergrund – ist von 11,9 Prozentpunkten im Jahr 2005 auf 12,3 Prozentpunkte im Jahr 2010 gestiegen. Eine Ausnahme machen die Ausländerinnen und Ausländer aus der EU, die keine abgeschlossene Ausbildung haben.
Ihre Erwerbstätigenquote war im gesamten Berichtszeitraum höher als die der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund mit gleicher Qualifikation.
Die Arbeitslosenquote sank im beobachteten Zeitraum insgesamt von 11,7% im Jahr 2005 auf 7,7% im Jahr 2010. Auch in der ausländischen Bevölkerung ging die Arbeitslosenquote zurück, war aber mit 15,8% etwa doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Langzeitarbeitslosigkeit. Auch hier ist seit 2006 der Anteil der Langzeitarbeitslosen gesunken, wobei die Quote bei Ausländerinnen und Ausländern ebenfalls etwa doppelt so hoch sind wie bei der Gesamtbevölkerung. Bis zum Jahr 2010 ging die Quote der Langzeitarbeitslosen insgesamt auf 2,2% zurück (dies entspricht einem Rückgang von -51%). Auch bei Ausländerinnen und Ausländern ging sie deutlich zurück (-47%), ist hier mit 5% allerdings mehr als doppelt so hoch wie im Gesamtdurchschnitt.
Ein positiver Trend ist hinsichtlich der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen zu erkennen: Der Anteil derjenigen, die in den letzten zwölf Monaten an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnahmen, stieg in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund an (+20%) und liegt 2010 bei 9,6%. Allerdings ist er in der Gesamtbevölkerung mit 16,7% deutlich höher. …
Gesellschaftliche Integration und Beteiligung
…
Die Engagementquote in der Gesamtbevölkerung hat sich im Zeitverlauf (2004 bis 2009) kaum verändert (+0,6%). Bei den Personen ohne Migrationshintergrund gab es einen leichten Zuwachs des Engagements (um +1%), während bei den Personen mit Migrationshintergrund die Engagementquote etwas gesunken ist (-2%).
Im Bereich des Sports hat es eine positive Entwicklung der Bevölkerung mit Migrationshintergrund gegeben. Insgesamt haben 2009 durchschnittlich 4,7% aller ehrenamtlich Engagierten einen Migrationshintergrund. Damit hat der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund unter den Ehrenamtlichen seit 2007 deutlich zugelegt. Im Jahr 2007 hatten 2,6% ehrenamtlich Engagierte einen Migrationshintergrund.
Eine weiterführende Analyse hat ergeben, dass sich das durchschnittlich geringere Engagement von Personen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund durch Merkmale wie Bildung, Erwerbsstatus, Wohnumfeld oder Konfession nicht erklären lässt. Die unterschiedliche gesellschaftliche Beteiligung kann mit herkunftslandgeprägten kulturelle Orientierungen in Zusammenhang stehen, denn zivilgesellschaftliches Engagement spielt in vielen Herkunftsländern der Einwanderer bzw. der Eltern der zweiten Generation eine kleinere Rolle als in Deutschland. Darüber hinaus können Sprachkenntnisse oder Benachteiligungserfahrungen zum Tragen kommen. …
Interkulturelle Öffnung von Schule, Verwaltung, Gesundheitsdiensten, Wirtschaft, Politik und Medien
Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und der sozialen Dienste gilt als Motor der Integration. Personen mit Migrationshintergrund bzw. Ausländerinnen und Ausländer sind sowohl im öffentlichen Dienst als auch unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten des pädagogischen Fachpersonals trotz vereinzelten leichten Anstiegs der Anteile im gesamten Berichtszeitraum unterrepräsentiert. Eine Ausnahme bilden die Beschäftigten im pädagogischen Bereich. …
Im Berichtszeitraum wuchs der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an den Wahlberechtigten zum Deutschen Bundestag kontinuierlich an (+9%).
Der Anteil der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger mit Migrationshintergrund im Deutschen Bundestag sank dagegen leicht. …
Die bisherigen Erkenntnisse im Bereich der Medienschaffenden zeigen, dass nur 1% der Journalistinnen und Journalisten bei deutschen Tageszeitungen einen Migrationshintergrund haben. … „
Den Integrationsindikatorenbericht in vollem Textumfang entnehmen Sie aufgeführtem Link oder dem Anhang.
www.bundesregierung.de/Content/DE/Publikation/IB/2012-01-12-zweiter-indikatorenbericht.pdf;jsessionid=78E9D113E94AA01FAC64002833ECB58D.s2t2?__blob=publicationFile
www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragtefuerIntegration/weitereschwerpunkte/monitoring/monitoring.html;jsessionid=8388C9E39F3114278C809DACA4C1C448.s4t2?nn=391652
Quelle: Bundesregierung