Erwerbstätigkeit ohne Berufsabschluss – Was läßt sich verbessern?

Die Analyse des BIBB zur Situation ungelernter bzw. geringqualifizierter Erwerbstätiger ist in der neuen Ausgabe des BIBB-Report, Heft 12/12, erschienen.

Auszüge aus den Analysenergebnissen:
“ … Nicht formal Qualifizierte und ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt
… Gerade die Gruppe der Jüngeren ist von besonderer bildungs- und beschäftigungspolitischer Bedeutung, weil ihnen ein längeres Erwerbsleben von 30 bis 40 Jahren bevorsteht. Angesichts der demografischen Entwicklung und dem bereits in vielen Wirtschaftszweigen
aufkommenden Fachkräftemangel zeigt sich gesellschaftlich eine große Chance, diese „noch“ Ungelernten durch geeignete Aus- und Weiterbildung
nachzuqualifizieren, um ihren Berufs- und Erwerbsverlauf zu stabilisieren.

Diese Chance wurde in der Vergangenheit nicht oder nur unzureichend genutzt. Bei den Befragungen des Mikrozensus in der Altersgruppe der 20- bis 34-Jährigen wurden weit mehr als 2 Mio. junge Menschen ohne Ausbildungsabschluss ermittelt. Die Ungelerntenquote blieb über viele Jahre hinweg stabil bei rund 15%. Die politische Zielvorgabe des Europäischen Rats (…), die Ungelerntenquote – an dieser Stelle bezogen auf die 18- bis 24-Jährigen – bis 2010 zu halbieren, wurde damit deutlich verfehlt.

In der Altersgruppe der 20- bis 34-Jährigen (knapp 15 Mio.), denen noch eine lange Erwerbsphase bevorsteht, befanden sich 2,24 Mio. Ungelernte, von denen 1,2 Mio. erwerbstätig waren. … Von den 20- bis 34-jährigen Erwerbstätigen besaßen nur 11,5% keinen beruflichen
Abschluss. Der Anteil der Ungelernten an allen Erwerbstätigen liegt kaum höher.

Bei jüngeren Männern zeigt sich mit 12,8% ein merklich höherer Anteil an ungelernten Erwerbstätigen als bei Frauen (10,0%). Bei Erwerbstätigen aller Altersstufen dagegen ergab sich ein insgesamt etwas höherer Ungelerntenanteil als bei den Jüngeren sowie ein deutlich höherer Anteil von Frauen (Frauen: 13,2%, Männer: 11,2%).
Der geringere Ungelerntenanteil bei den jüngeren Erwerbstätigen macht deutlich, dass die Erwerbstätigkeit Jüngerer stärker von einem erfolgreichen Berufsabschluss abhängt.

Art der Erwerbstätigkeit junger Ungelernter

Drei von vier jungen Ungelernten gehen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. …

Jeder elfte Ungelernte (9%) der untersuchten Altersgruppe bezeichnete sich als selbstständig. Damit zeigte sich bei Ungelernten ein höherer Selbstständigenanteil als bei beruflich Qualifizierten.

17,7% der jungen Ungelernten waren geringfügig beschäftigt. Bei Gelernten lag der Anteil mit 5,4% erheblich niedriger. Dabei traten deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede zutage. Das Niveau
geringfügiger Beschäftigung ist bei den jungen Frauen bemerkenswert hoch. …

In welchen Wirtschaftszweigen und Berufen arbeiten nicht formal Qualifizierte?
Es zeigt sich eine hohe Konzentration der nicht formal Qualifizierten auf wenige Wirtschaftszweige. Drei von vier Ungelernten sind in 16 von rund 60 Wirtschaftszweigen … beschäftigt. Die Hälfte aller nicht formal Qualifizierten arbeitet in nur sieben Wirtschaftszweigen. Die
fünf am stärksten mit erwerbstätigen jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss besetzten Wirtschaftszweige sind Gastgewerbe (11,5%), Gesundheits-, Veterinärund Sozialwesen (11,2%), Einzelhandel (10,8%), Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen (9,8%) und das Baugewerbe (5,5%).

Wenn die Ungelernten über keinen schulischen Abschluss verfügen, tritt die Konzentration noch deutlicher zutage. Dabei fällt insbesondere der hohe Anteil des Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesens auf. Allein 29% der ungelernten Erwerbstätigen ohne Schulabschluss konzentrieren sich auf diesen Wirtschaftszweig. …

Bei Ungelernten ohne Schulabschluss findet sich die Hälfte aller Erwerbstätigen in nur acht Berufen (Berufsordnungen). Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Reinigungsberufe, Lager- und Transportberufe
und Berufe aus der Gastronomie und im Gartenbau. …

Qualifizierung für Ungelernte – eine Auswertung der Datenbank des Weiterbildungs-Innovations-Preises
Die geringe Weiterbildungsteilnahme Ungelernter dürfte nicht allein in unzureichender Motivation begründet sein. Sie kann ihre Ursache auch in Qualifizierungsangeboten von Betrieben und Weiterbildungsanbietern
haben, die die besonderen Qualifizierungsbelange der Zielgruppe unzureichend berücksichtigen und/oder geeignete Kurse nur selten anbieten. …

Die eingereichten Bewerbungen aus der Datenbank des Weiterbildungs-Innovations-Preises (WIP) des BIBB ermöglichen einen direkten Einblick in das Weiterbildungsangebot der Bildungsträger für Personen ohne
Berufsausbildung und geben damit wichtige Hinweise, welche Qualifizierungsmaßnahmen (u. a. auch mithilfe öffentlicher Förderung) von Betrieben und Bildungsträgern realisiert wurden. …

Die vermittelten Qualifikationen beziehen sich vorwiegend auf Tätigkeitsfelder, in denen Ungelernte häufig beschäftigt sind.
Fachübergreifende Angebote, die Schlüsselqualifikationen oder andere berufsübergreifende Qualifikationen (z. B. IT-Anwenderqualifikationen
oder Sprachtraining) vermitteln und keinen konkreten Tätigkeits- bzw.
berufsfachlichen Bezug besitzen, haben jedoch den höchsten Anteil an allen für den WIP eingereichten Angeboten. …

Die meisten Qualifizierungsangebote für Ungelernte beziehen sich auf Dienstleistungsberufe. Angebote mit Bezug zu gewerblich-technischen Berufen sind seltener anzutreffen. Es zeigt sich, dass die Angebote meist Qualifikationen in von Ungelernten häufig besetzten Berufsfeldern vermitteln. So finden sich etwa „Gebäudereiniger/-innen, Raumpfleger/-innen“ und „Restaurantfachleute, Flugbegleiter/-innen“ im
Berufsfeld „sonstige Dienstleistungen“ und „Verkäufer/-innen o.n. A.“ und „Nahrungs- und Genussmittelverkäufer/-innen“ im Berufsfeld „Warenkaufleute“. …

Vier von fünf der untersuchten Qualifizierungsangebote für Ungelernte wurden mit einer Teilnahmebescheinigung abgeschlossen. Qualifizierungen, die zu einem anerkannten Abschluss nach Bundes- oder Landesregelung führen, hatten einen Anteil von rund 5%. …

Fazit
Die Auswertungen des Mikrozensus zeigen, dass es einen im Vergleich zu ausgebildeten Fachkräften hohen Anteil ungelernter Erwerbstätiger in geringfügigen und damit zumeist auch prekären Beschäftigungsverhältnissen und eine hohe Konzentration ihrer Erwerbstätigkeit auf nur wenige Berufsfelder gibt. Der Abbau von Arbeitsplätzen, auf denen sie als Ungelernte und gering Qualifizierte noch Beschäftigung finden, verschärft ihre Situation zusätzlich.

Andererseits weisen Projektionen auf Erwerbs- und Qualifizierungschancen Ungelernter in Berufen und Berufsfeldern hin, in
denen sie dominant vertreten sind und in denen schon heute der Fachkräftebedarf das Angebot übersteigt. Diese weisen zugleich unterdurchschnittliche Ausbildungsquoten auf. Das Weiterbildungsangebot für Personen ohne Berufsausbildung in den Bewerbungsunterlagen des Weiterbildungs-Innovations-Preises zeigt jedoch, dass nur wenige Weiterbildungen eine Nachqualifizierung
ermöglichen, die zu einem Berufsabschluss oder überregional anerkannten
Kammerzertifikat führt. Daher bleibt eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zweifelhaft, wie sie als Ziel einer überwiegenden
Anzahl der Angebote genannt wurde. Insbesondere wenn Weiterbildung
keine neuen Perspektiven wie Aufstieg und/oder Berufswechsel bietet, stellt sich die Frage nach ihrem Sinn. So dürfte die beklagte mangelnde Weiterbildungsmotivation bei Ungelernten in vielen Fällen auch Folge eines unpassenden Angebots sein.

Wenn man den Ungelerntenanteil nachhaltig senken will, sind Aus- und Weiterbildungsoptionen gezielt zu nutzen. Vor allem sollten sich Betriebe und Bildungsanbieter um Ungelernte und gering Qualifizierte mit ihren nicht immer direkt ersichtlichen Qualifizierungsanliegen als Zielgruppe mindestens genauso bemühen wie um gelernte Fachkräfte. Als Grundlage einer gezielten Personalentwicklung sind ihre vorhandenen
bzw. informell erworbenen Kompetenzen zu erfassen und in ein Qualifizierungskonzept einzubetten. Angesichts der Heterogenität
der Zielgruppe wären Qualifizierungsangebote zweckmäßig, die vom niederschwelligen Einstieg in Lernsituationen über Vorbereitung auf regionale Kammerprüfungen bis hin zu modularisierten Schritten mit dem Ziel eines anerkannten Berufsabschlusses reichen.“

www.bibb.de/dokumente/pdf/BIBBreport_17_12_def.pdf

Quelle: BIBB

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