Wie ist es um die Integrationsleistung in Deutschland bestellt?

Auszüge aus den Kernbotschaften des Integrationsgutachtens:
„… Migrationspolitik als gesellschaftspolitische Zukunftsaufgabe verstehen: der Nationale Aktionsplan Migration (NAM)
Trotz einer grundsätzlich positiven Gesamtbewertung, insbesondere der Arbeitsmigration, bleibt in der deutschen Politik ein migrationspolitisches Manko: Ein Dialog über eine zuwanderungspolitische Gesamtstrategie ist bislang noch nicht erfolgt. Zuwanderung wird bis dato immer noch isoliert unter den Gesichtspunkten des Arbeitsmarktes, der akademischen Ausbildung, des Rechts auf gemeinsames Familienleben oder des Schutzes vor Verfolgung gesehen. Das tatsächliche Wanderungsgeschehen hat sich aber weiter differenziert und umfasst einen zunehmenden Anteil nicht steuerbarer Zuwanderung (z. B. EU-Binnenmigration). Dazu kommt, dass Zuwanderung in einem Land mit schrumpfender und demografisch alternder Bevölkerung eine Zukunftsaufgabe darstellt, um ebenso die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten wie den Sozialstaat stabil abzufedern. Eine umfassende Politik ist notwendig, um die unterschiedlichen Ziele im Bereich der Zuwanderung in Einklang und die gesellschaftlichen Akteure an einen Tisch zu bringen. Ein Nationaler Aktionsplan Migration (NAM) sollte formuliert werden, der die etablierten (BMAS, BMI, BAMF) und die neuen migrationspolitischen Akteure (Universitäten, Großunternehmen etc.) zusammenbringt und eine migrationspolitische Gesamtstrategie für Deutschland erarbeitet. …

Die letzten fünf Jahre: eine ambivalente integrationspolitische Bilanz
Integrationspolitisch bleibt die Bilanz der letzten fünf Jahre ambivalent. Zwar sind auch in diesem Bereich einige Verbesserungen erfolgt, etwa im Bereich der Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen sowie dem der institutionellen Gleichstellung des Islam, die von vielen schon lange angemahnt worden waren. Allerdings wurden in den letzten fünf Jahren auch zahlreiche integrationspolitische Chancen nicht genutzt … Offensichtlich ist dies für den Bereich der institutionellen Verankerung der Integrationspolitik; die Forderung des SVR nach einer Verlagerung der integrationspolitischen Kompetenzen aus dem Bundesinnenministerium in ein anderes, weniger von Sicherheitsinteressen überlagertes Ministerium hat die Bundesregierung nicht aufgenommen. …

Konzeptionell bewährt hat sich der Begriff von Integration, wonach es um die Sicherung einer „möglichst chancengleichen Teilhabe an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“ geht. Dadurch werden der ökonomische …, der kulturelle …, der soziale … und der politische … Bereich des gesellschaftlichen Lebens ins Zentrum … gerückt. Die Sicherung von Integration in diesem Sinne ist nicht nur eine staatliche, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, eine Aufgabe für jeden – und damit betrifft sie Personen ohne wie mit Migrationshintergrund.

�Baustelle Bildung‘: wenig Fortschritte
Bildung ist Voraussetzung für eine möglichst umfangreiche Teilhabe an allen Kernbereichen der Gesellschaft. Mit Bezug auf aktuelle Studien zur Leistungsfähigkeit des Bildungssystems wird im SVR-Jahresgutachten 2014 ein dringender Bedarf an Bildungsreformen in der Einwanderungsgesellschaft begründet; dies betrifft vor allem die Durchlässigkeit des Schulsystems, die sich in den letzten fünf Jahren kaum erhöht hat, die individuelle Förderung von Schülern und die verbesserte Ausbildung von Lehrern im Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft. Schule muss sich stärker darauf ausrichten, sozial bedingte Unterschiede in den Lernvoraussetzungen zu kompensieren und sie nicht noch zu verstärken. …

Es ist besorgniserregend, dass immer noch zu viele Jugendliche ihre Schullaufbahn beenden, ohne einen Abschluss vorweisen zu können. Ebenso bedenklich ist die Tatsache, dass in Deutschland Daten der OECD zufolge mehr als 10 Prozent aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 16 und 29 Jahren keine Berufsausbildung absolvieren, keiner Erwerbsarbeit nachgehen und sich auch keiner beruflichen Fortbildung unterziehn … Damit sind mit hoher Wahrscheinlichkeit eine anschließende Arbeitslosigkeit, ein Leben in Abhängigkeit von Sozialtransfers und ein subjektives Gefühl von Desintegration und Nutzlosigkeit vorprogrammiert. …

Derzeit gibt es in Deutschland weder eine angemessene Vorbereitung aller Kinder auf die Schule noch einen konzeptionell abgestimmten Plan, wie Mehrsprachigkeit realisiert und gleichzeitig die Deutschkenntnisse verbessert werden können. Ganz im Gegenteil: Unterschiedliche Zuständigkeiten im Bereich der vorschulischen und der schulischen Qualifikation sorgen für politisches Geplänkel und gegenseitige Blockaden. …

Einstieg, Aufstieg, Qualifikationen nutzen: Integration durch Erwerbsarbeit
Ein weiterer Schwerpunkt einer konzeptionell abgestimmten Integration muss in einer besseren Arbeitsmarktintegration von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund liegen. … In diesem Bereich sind Fortschritte erzielt worden, nicht nur durch die arbeitsmarktpolitische Großreform im Rahmen der Agenda 2010, die auch für Personen mit Migrationshintergrund die Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt verbessert hat, sondern insbesondere durch die Verabschiedung eines … Anerkennungsgesetzes. … Ein Ausbau der Nachqualifizierung ist erforderlich, um das qualifikatorische Potenzial der zugewanderten Drittstaatsangehörigen nicht weiterhin brachliegen zu lassen. …

Darüber hinaus fordert der SVR Maßnahmen, die den Übergang von der Schule oder der dualen Ausbildung in den ersten Arbeitsmarkt verbessern. Dieser Übergang stellt für viele Jugendliche mit und – seltener – ohne Migrationshintergrund eine Sollbruchstelle in der Berufslaufbahn dar. Pauschalannahmen und Vorurteile der Personalverantwortlichen reichen aus, dass Jugendliche mit ausländisch klingenden Vor- und Familiennamen seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden. Aufklärung ist notwendig, denn diskriminierendes Verhalten ist nicht nur moralisch nicht hinnehmbar, weil es die menschliche Integrität verletzt, es bewirkt auch volkswirtschaftliche Mehrausgaben. Darüber hinaus sollte den Jugendlichen durch … Integrationsbotschafter Mut gemacht werden: Erfolgreiche Karrieren und ein gelungener Übergang von der Ausbildung in den primären Arbeitsmarkt sind möglich. …“

Die wichtigsten Ergebnisse des Integrationsbarometers:
„… ## Das SVR-Integrationsbarometer 2014 zeigt ein generell pragmatisch-positives Integrationsklima im Land.
Die Bevölkerung insgesamt bewertet den Stand der Integration eindeutig mit „gut“, zum Teil sogar etwas besser als in den Vorjahren. Tiefergehende Analysen der Umfrage machen jedoch deutlich, dass differenziert werden muss, um der Pluralität in der Gesellschaft gerecht zu werden. So variieren die Einschätzungen je nach soziodemografischem Hinter grund und Herkunftsgruppe: Im Schnitt schätzen Spät-/Aussiedler, EU-27-Zuwanderer und Befragte aus dem „übrigen Europa“ wie auch aus der „übrigen Welt“ (Afrika, Asien, Australien und Amerika) das Integrationsklima optimistischer ein als Personen ohne Migrationshintergrund sowie Befragte mit dem Herkunftsland Türkei. Auch Bildung und Erwerbssituation spielen bei der Einschätzung eine Rolle: Personen mit Abitur bewerten das Zusammenleben in Deutschland optimistischer als Befragte mit Hauptschulabschluss; Rentner, Teilzeitbeschäftigte und Erwerbslose sehen es negativer als Vollzeitberufstätige. …
## Das Integrationsgeschehen wird in den meisten Teilbereichen tendenziell positiver als 2011 eingeschätzt.
Der Berechnung des Integrationsklimas liegen die vier Teilbereiche Nachbarschaft, Arbeitsmarkt, soziale Beziehungen und Bildung zugrunde. Im Vergleich zum Erhebungsjahr 2011 zeigt sich, dass Personen mit und ohne Migrationshintergrund das Integrationsgeschehen im Jahr 2013 in den meisten Teil bereichen tendenziell positiver einschätzen. Allerdings
beurteilen beide Gruppen das Integrationsklima im Bereich Bildung nach wie vor am schlechtesten …
## Handlungsbedarf bei interkultureller Öffnung. Integrationspolitischen Handlungsbedarf sieht die Mehrheit der Bevölkerung darin, dass sich die Gesellschaft interkulturell weiter öffnen muss. Personen mit und ohne Migrationshintergrund sind mit deutlicher Mehrheit der Ansicht, dass Zuwanderer im Bildungsbereich, im öffentlichen Dienst und auch in der Politik nicht ausreichend vertreten sind. Entsprechend sagt eine deutliche Mehrheit der Befragten, dass mehr Zuwanderer als Lehrer, Mitarbeiter in öffentlichen Behörden, Polizisten und Richter eingestellt werden sollten und auch mehr Abgeordnete mit Migrationshintergrund im Deutschen Bundestag vertreten sein sollten.
## Diskriminierungserfahrungen trotz allgemein positiven Integrationsklimas.
Auch wenn das Integrationsklima insgesamt positiv bewertet wird, kann und soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Zusammenleben in der immer vielfältigeren Gesellschaft nicht in jeder Hinsicht rosig aussieht. So weist das Integrationsbarometer 2014 darauf hin, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Alltag unterschiedliche Formen von Diskriminierung wahrnehmen. Schauplätze solcher Diskriminierungserfahrungen sind ins besondere Bildungsstätten, der Arbeits- und der Wohnungsmarkt. … Besonders Türkeistämmige sowie Befragte aus der „übrigen Welt“ fühlen sich auffallend häufig diskriminierend behandelt, während Befragte ohne Migrationshintergrund und jene aus einem EU-Mitgliedstaat sehr viel seltener über Diskriminierungserfahrungen berichten. …

Das Jahresgutachten des SVR in vollem Textumfang und die Ergebnisse des Integrationsbarometers entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Quelle: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration

Dokumente: SVR_JG_2014_WEB.pdf

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