Immer weniger Betriebe bilden aus

Seit Jahren berichtet die Bundesagentur für Arbeit zu Beginn eines neuen Ausbildungsjahres von hohen Beständen an unversorgten Bewerberinnen und Bewerbern sowie von einer hohen Anzahl an unbesetzten Ausbildungsstellen. Was passiert auf dem deutschen Ausbildungsstellenmarkt? Sind Bewerberinnen und Bewerber nicht qualifiziert genug? Greifen Betriebe mittlerweile auf Alternativen zur Ausbildung zurück? Steigen Betriebe aus der Ausbildung aus? Diesen Fragen geht eine Sonderauswertung des BIBB-Qualifizierungspanels ist eine jährlich durchgeführte repräsentative Befragung von Betrieben zum betrieblichen Human Ressource Management.

Auszüge aus der BIBB-Auswertung:
“ (…) Welche Betriebe sind besonders von Besetzungsproblemen betroffen?
(…) Im Durchschnitt bleibt im Ausbildungsjahr 2013/2014 mit 27,2% gut jede vierte angebotene Ausbildungsstelle vakant. Zwei Jahre zuvor war es mit 19,6% nur jede fünfte Ausbildungsstelle. Insbesondere kleinere Ausbildungsbetriebe mit bis zu 19 Beschäftigten berichten seit Jahren von zunehmenden Besetzungsproblemen und weisen für 2014 einen durchschnittlichen Anteil von 33,1% auf, vorläufiger Endpunkt eines negativen Trends in dieser Betriebsgrößenklasse. Etwas besser sieht es bei mittelständischen Betrieben mit bis zu 199 Beschäftigten aus. Diese Betriebe weisen niedrigere Besetzungsprobleme auf, die im Untersuchungszeitraum aber dennoch auf einen Vakanzanteil von 20,4% bzw. 15,1% leicht gestiegen sind. Einzig und allein ausbildende Großbetriebe konnten eine Stabilisierung ihrer Anteile an unbesetzten Ausbildungsstellen auf deutlich unterdurchschnittlichem Niveau erreichen. (…)

Auch nach Wirtschaftsbereichen ergeben sich für ausbildende Betriebe und Unternehmen sehr unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen bei der Suche nach geeigneten Ausbildungsstellenbewerberinnen und -bewerbern. Besonders betroffen von der vergeblichen Bewerbersuche im Jahr 2014 sind der Bereich Landwirtschaft/Bergbau, das Beherbergungs- und Gastronomiegewerbe, aber auch die Bauwirtschaft und der Einzelhandel. Hier liegen die Anteile unbesetzter Ausbildungsstellen durchschnittlich zwischen 30% und 47%. In den meisten dieser Bereiche kommt es auch im Vorjahresvergleich zu weiteren Verschlechterungen bei der Besetzung der Ausbildungsstellen. Die von Stellenbesetzungsproblemen am wenigsten betroffenen Betriebsgruppen gehören zu den Bereichen Forschung und Entwicklung, unternehmensnahe Dienstleistungen, Energie- und Wasserversorgungsgewerbe, Chemie/Pharmazie sowie zum Kraftfahrzeuggewerbe. In den anderen Wirtschaftsbereichen liegen die Vakanzanteile zwischen 20% und 30%.

Auch in den alten und neuen Bundesländern zeigen sich unterschiedliche Ausgangssituationen. (…) Im Vergleich zum Westen lagen die Vakanzanteile im Jahr 2012 in ostdeutschen Ausbildungsbetrieben noch bei 28,5%, aber schon damals 10,2 Prozentpunkte höher als im Westen, der auf einen durchschnittlichen Anteil an unbesetzten Ausbildungsstellen in Höhe von 18,3% kam. Die unterschiedliche Ausgangssituation scheint sich auch nicht grundlegend zu ändern, obwohl es bis zum Jahr 2014 zu einem gestiegenen Anteil an Vakanzen bei westdeutschen Ausbildungsbetrieben auf 24,7% gekommen ist. Im Osten wird im Vergleich dazu ein Anteil von 41,1% erreicht. Damit beträgt der Unterschied zwischen Ost und West im Berichtsjahr schon 16,4 Prozentpunkte. (…)

Aus welchen Gründen kommt es aus Sicht der Betriebe zu unbesetzten Ausbildungsstellen?
(…) Von den befragten Betrieben werden tatsächlich in erster Linie Gründe genannt, die mit Entwicklungen auf der Nachfrageseite des Ausbildungsstellenmarktes zusammenhängen. Dabei handelt es sich um die zahlenmäßige Abnahme von Bewerbungen von Schulabsolventen (65,8%), Bewerbungen von ungeeigneten Schulabsolventen (75,1%), fehlende Attraktivität der angebotenen Ausbildungsberufe (72,4%) und um die vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen (61,1%), mit der Folge, dass diese Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben sind. Ein zweiter wichtiger Bereich sind offensichtlich Gründe, die mit der Organisation bzw. Personalrekrutierung und den Kosten der Ausbildung zusammenhängen. Hier wird mit 70,3% von den Betrieben als Grund genannt, dass in der Vergangenheit viele Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben sind. Gestiegene Ausbildungskosten und Entscheidungen der Unternehmenszentrale spielen jeweils für zwei von fünf Ausbildungsbetrieben eine wichtige Rolle. (…) ## Bewerben sich tatsächlich zu wenige Jugendliche in Betrieben mit Vakanzen? – Vergleicht man die Anzahl an Bewerberinnen und Bewerbern pro angebotener betrieblicher Ausbildungsstelle nach Anteilen an unbesetzten Ausbildungsstellen, dann zeigt sich, dass manche Ausbildungsbetriebe hier tatsächlich vor einem grundlegenden Problem stehen: Wenn Betriebe ihre Ausbildungsstellen vollständig besetzen konnten, dann kamen für das Ausbildungsjahr 2013/2014 sieben Bewerbungen von Schulabsolventen auf eine angebotene Ausbildungsstelle. Wenn Betriebe einen Anteil an unbesetzten Ausbildungsstellen von über 50% aufweisen oder gar keine Auszubildenden finden konnten, dann waren dies durchschnittlich nur knapp drei Bewerbungen pro Ausbildungsstelle. Dazwischen liegen Betriebe, die im Durchschnitt bis zur Hälfte ihrer Ausbildungsangebote keine Auszubildenden gefunden haben, obwohl die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber mit durchschnittlich über fünf Bewerbungen ausreichend hoch für genügend Auswahlwahlmöglichkeiten erscheint. (…)
## Bewerben sich Jugendliche mit inadäquaten Schulabschlüssen um eine Ausbildungsstelle? – Selbst wenn sich Betriebe nach Einstellung von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss durchaus zufrieden mit den Kompetenzen der Jugendlichen zeigen, es scheint auf dem Ausbildungsstellenmarkt beim Übergang von der Schule in eine betriebliche Ausbildung weiterhin so zu sein, dass dieser Gruppe an Schulabsolventen immer noch geringere Chancen auf eine Ausbildungsstelle eingeräumt werden als den Jugendlichen mit höheren Schulabschlüssen. (…) Im Ergebnis zeigen sich gerade in den Wirtschaftsbereichen, in denen die Anteile an Vakanzen überdurchschnittlich hoch ausfallen, unter den Bewerbern auch überdurchschnittlich hohe Anteile an Schulabsolventen mit einem Hauptschulabschluss. Besonders hoch fällt dies in der Bauwirtschaft, im Bereich Kraftfahrzeughandel und -reparatur, im Beherbergungs- und Gastronomiegewerbe, in der Landwirtschaft und im Einzelhandel aus. (…) Die Auswertungen nach Betriebsgrößenklassen zeigen die altbekannte Verteilung der Bewerberstrukturen nach schulischer Vorbildung: Während in den ausbildenden Kleinstbetrieben mit bis zu 19 Beschäftigten die durchschnittlichen Anteile der Hauptschul- und Realschulabsolventen mit jeweils 39% noch vergleichbar hoch liegen, so nehmen diese Anteile bei den Hauptschulabsolventen mit steigender Betriebsgröße immer weiter ab, während die Anteile von Realschulabsolventen und Abiturienten immer weiter steigen. (…)
Fazit
Unbesetzte Ausbildungsstellen stellen für Betriebe ein ernstzunehmendes Problem dar. Immer mehr Betriebe scheinen daraus die Konsequenz zu ziehen, sich aus der betrieblichen Ausbildung zurückzuziehen und ihr Ausbildungsstellenangebot zumindest zu reduzieren. Auswertungen amtlicher Statistiken zeigen in diesem Zusammenhang, dass sich zwischen 2007 und 2013 mit 52.000 Betrieben etwa jeder zehnte Ausbildungsbetrieb aus der Beteiligung an der Ausbildung von Jugendlichen zurückgezogen hat. (…) Offen ist, wie in Zukunft mit Schulabsolventen, die über niedrigere Schulabschlüsse wie dem Hauptschulabschluss verfügen, sich aber in ausreichender Zahl um eine Ausbildungsstelle bemühen, umgegangen werden soll. Ihnen werden weiterhin nur geringe oder verzögerte Chancen zum Einstieg in eine Ausbildung eingeräumt.“

Link: www.bibb.de/de/35374.php

Quelle: Bundesagentur für Berufsbildung

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