Flüchtlingsschutz stärker europäisieren

Auzüge aus den einzelnen SVR-Empfehlungen:
## Flüchtlingspolitik stärker europäisieren, internationales Bündnis schmieden
Der Sachverständigenrat unterstützt ausdrücklich die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission zur Flüchtlingspolitik. Gerade in Zeiten eines außergewöhnlich hohen Flüchtlingsaufkommens ist es unerlässlich, die Verantwortung europaweit zu teilen, da einzelne Staaten sonst an Kapazitätsgrenzen gelangen. Eine faire Verteilung von Flüchtlingen stärkt auch die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, Aufnahmestandards zu erfüllen und mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Der SVR unterstützt in dem Zusammenhang den Vorschlag der Europäischen Kommission, 160.000 eindeutig Schutzbedürftige aus den Aufnahmezentren in Italien, Griechenland und Ungarn auf andere EU-Staaten umzuverteilen. Deutschland würde auf diesem Weg insgesamt rund 40.000 Flüchtlinge aufnehmen. (…) Die Aufnahme von Flüchtlingen muss als gemeinsame europäische Aufgabe verstanden werden. Dabei sollten auch Staaten mit bestehenden �Opt-out/Opt-in-Klauseln‘ (Vereinigtes Königreich, Irland und Dänemark) einen substanziellen Beitrag leisten. Diese formalen �Nichtzuständigkeitsklauseln‘ entbinden diese Staaten gerade in diesen außergewöhnlichen Zeiten nicht von ihrer humanitären Verantwortung und europäischer Solidarität. (…)
## Registrierungszentren (Hotspots) zügig einrichten, Flüchtlinge solidarisch verteilen
Die Einrichtung von Registrierungszentren (sog. Hotspots) im Falle großer Zahlen von spontan einreisenden Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen, wie sie derzeit in Ungarn, Griechenland und Italien geplant ist, ist ein richtiger Schritt. Denn sie sind die Voraussetzung dafür, dass eine Umverteilung von Flüchtlingen überhaupt stattfinden kann. In diesen �Hotspots‘ sollen die zuständigen europäischen Institutionen Agenturen (EASO, Frontex, Europol, Eurojust) gemeinsam mit den jeweiligen nationalen Behörden ankommende Personen registrieren und einen etwaigen Schutzbedarf (vor-)prüfen. Ein solches Vorgehen ist erforderlich, da die genannten Staaten angesichts der großen Flüchtlingszahlen nicht in der Lage sind, die Registrierung und Erstversorgung alleine und geordnet durchzuführen. (…)
## Strukturelle Neuaufstellung des GEAS auch jenseits akuter Krisen
Um die europäische Asylpolitik langfristig zu stärken, schlägt der SVR darüber hinaus eine strukturelle Neuaufstellung des GEAS vor, die auf Dauer und jenseits akuter Krisen gilt, wie wir sie zurzeit angesichts der vielen Zehntausend Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsregionen des Nahen Ostens erleben. Diese Neuaufstellung setzt allerdings voraus, dass in allen EU-Mitgliedstaaten die humanitären Standards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch real angewendet werden. Kern des SVR-Vorschlags sind Freizügigkeitsrechte in der EU, nachdem ein Flüchtling in einem Mitgliedstaat anerkannt wurde. Dabei soll zum einen an der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates (Dublin-Prinzip) festgehalten werden, darüber hinaus aber �Dublin‘ mit dem Prinzip der freien Wahl des EU-Zielstaates nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahrens verbunden werden und zwar nach den folgenden Grundsätzen: Der Staat der Ersteinreise ist weiterhin zuständig für die Aufnahme, das Asylverfahren und auch die Rückführung von nicht anerkannten Flüchtlingen. Er erhält für die Übernahme dieser gemeinsamen Aufgabe, die alle anderen Mitgliedstaaten entlastet, kalkulierbare finanzielle und logistische Hilfen. (…) Wenn das gelingt und die Erstaufnahmestaaten im Süden und Osten Europas eine ähnliche Anerkennungspraxis zeigen wie die anderen EU-Staaten, können in einem weiteren Schritt Freizügigkeitsrechte für anerkannte Flüchtlinge innerhalb der EU eingeführt werden. Für die Flüchtlinge würde die Umsetzung des SVR-Modells bedeuten, dass sie nach einem positiven Abschluss ihres Asylverfahrens in ein EU-Land ihrer Wahl weiterwandern können, in dem sie für sich eine wirtschaftliche Perspektive sehen oder in dem Familienangehörige leben. (…)
## Krisenregionen stärker unterstützen, Fluchtursachen bekämpfen
Die innereuropäische Umverteilung und Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten muss einhergehen mit einem stärkeren Engagement der EU bei der Unterstützung von Flüchtlingen in den Krisenregionen. Die Hilfe für die Staaten, die Flüchtlinge in großer Zahl aufgenommen haben (Libanon, Türkei, Jordanien), muss massiv und rasch ausgebaut werden; entsprechende Mittel für den UNHCR müssen zur Verfügung gestellt werden. Dort fehlt es nach wie vor an einer ausreichenden und menschenwürdigen Versorgung der Flüchtlinge, was zur Folge hat, dass viele von ihnen weiter nach Europa wandern. (…)
## Akzeptanz in der Bevölkerung stärken, Anschläge auf Flüchtlingsheime ahnden
Neben großer Offenheit und beeindruckendem zivilgesellschaftlichen Engagement für Flüchtlinge nehmen auch flüchtlingsfeindliche Übergriffe und Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte zu. Diesen Straftaten muss entschieden mit den Mitteln des Strafrechts begegnet werden. Darüber hinaus ist es eine vorrangige Aufgabe der Politik, die Bevölkerung umfassend zu informieren und vor Ort möglichst in die Planungen einzubeziehen. Flüchtlingspolitik muss erklärt und für die Aufnahme von Flüchtlingen immer wieder geworben werden. Dieser Dialog ist eine Daueraufgabe, die Politik und Verwaltung vor große Herausforderungen stellt. Sie fordert aber auch das Engagement anderer gesellschaftlicher Akteure wie Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Stiftungen, Medien etc. Die Flüchtlingskrise kann nur gemeinsam mit der Gesellschaft bewältigt werden. (…)“

Quelle: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration

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