Die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. (DVJJ) hat ein Positionspapier zu sogenannten Fallkonferenzen beschlossen. Darin spricht sich der Vorstand der DVJJ vor dem Hintergrund datenschutzrechtlicher Probleme und mit Blick auf rechtsstaatliche Verfahrensgarantien im Strafrecht gegen gesetzliche Regelungen aus, die einzelfallbezogene Konferenzen ausdrücklich ermöglichen und deren Zulässigkeit klarstellen.
Im Positionspapier finden sich dazu u.a. diese Ausführungen:
JuMiKo und JFMK wollen gesetzliche Klarstellung zu einzelfallbezogenen Fallkonferenzen
„Seit einiger Zeit wird über die Sinnhaftigkeit und Zulässigkeit von sogenannten Fallkonferenzen im weiteren Kontext von Jugendstrafverfahren intensiv diskutiert. Dabei wird auch die Frage nach der Notwendigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung gestellt. Sowohl die Justizministerkonferenz (JuMiKo) als auch die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) fordern von den jeweiligen Ministerien Vorschläge zu klarstellenden gesetzlichen Regelungen. Grundlage dieser Forderung ist der im September 2012 vorgelegte Abschlussbericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe „Behördenübergreifende Zusammenarbeit und Datenschutz“, in dem einige Problembereiche aufgezeigt werden und vorgeschlagen wird, mit Regelungen im SGB VIII und JGG klar[zu]stellen, dass einzelfallbezogene Fallkonferenzen wie fallübergreifende Kooperationen zum zulässigen Instrumentarium der Jugendhilfe und der Jugendstrafrechtspflege (…) gehören und dabei im Rahmen der geltenden Datenschutzvorschriften auch personenbezogene Daten übermittelt werden dürfen.“
Fallkonferenz ist nicht gleich Fallkonferenz!
„Die Praxis der Fallkonferenzen ist ausgesprochen heterogen: Die Konzepte unterscheiden sich beispielsweise darin, in welcher Weise und mit welchem Ziel konkrete Einzelfälle besprochen werden (…) und darin, welche Institutionen beteiligt sind und bei wem die Federführung liegt. Der Begriff „Fallkonferenzen“ wird für sehr unterschiedliche Konzepte verwendet (…).
Die fachliche und rechtliche Beurteilung sogenannter Fallkonferenzen bedarf der sorgfältigen Klärung, um genau welche Art der Konferenz es sich handelt. Fallübergreifende Konferenzen sind fachlich wünschenswert und rechtlich zulässig. (…)
Einzelfallbezogene Konferenzen hingegen begegnen gravierenden fachlichen und rechtlichen Einwänden, jedenfalls dann, wenn – wie häufig – zentral oder auch Ermittlungsanliegen verfolgt werden. Sehr sorgfältig muss geklärt werden, welche Funktion bzw. welches Ziel einzelfallbezogene Fallkonferenzen haben sollen. (…)“
Gute Schnittstellen helfen mehr als einzelfallbezogene Fallkonferenzen
„Für das Ziel einer effektiven und rechtsstaatlichen Strafverfolgung ist das förmliche (Jugend-)Strafverfahren der angemessene Rahmen, dessen geeigneter Grad an Beschleunigung nicht durch einzelfallbezogene Fallkonferenzen, sondern durch gute Schnittstellen in den verschiedenen Verfahrensstadien zu erreichen ist. Fraglich ist auch, ob in einzelfallbezogenen Konferenzen den betroffenen Jugendlichen die unterschiedlichen Rollen der Beteiligten gut vermittelt werden können. So sehr wünschenswert ist, dass die Jugendlichen nicht den Eindruck haben, die Akteure würden gegeneinander arbeiten oder könnten gegeneinander ausgespielt werden, so ist auch problematisch, wenn die Jugendlichen sich einer einheitlichen Front gegenüber sehen, deren Rollen verschwimmen. (…) Es bedarf (…) immer einer genauen Überlegung im Einzelfall, wer hier mit genau welchem Ziel zu welcher Frage wann einzubeziehen ist. Besteht eine funktionierende fallübergreifende Zusammenarbeit, sind diese Fragen auch mit vertretbarem Aufwand zu klären. (…) Aus Sicht der Jugendhilfe ist immer die Frage zu stellen, genau welcher Nutzen im Sinne ihrer gesetzlichen Aufgaben nach dem SGB VIII sich aus der Zusammenarbeit ergibt. (…)“
DVJJ: Gesetzliche Regelung wäre falsches Signal
„Es gibt bisher keine Anhaltspunkte, die Anlass zu der Annahme geben, dass das einzelfallbezogenen gemeinsamen Fallkonferenzen innewohnende Versprechen, in schwierigen Fällen durch diese Form der Zusammenarbeit den sprichwörtlichen gordischen Knoten zu zerschlagen, einlösbar ist. (…)
Insgesamt erscheint daher eine gesetzliche Regelung, die einzelfallbezogene Konferenzen ausdrücklich ermöglicht bzw. deren Zulässigkeit klarstellt, ein falsches Signal: Es würde suggeriert, dass es sich um eine Art Regelverfahren für bestimmte Fallkonstellationen handelt, das generell vor Ort vorzusehen und in klaren Ablaufplänen zu regeln ist. Der Fokus würde sich damit verschieben von der unerlässlichen institutionalisierten fallübergreifenden Kooperation, die schon jetzt flexible einzelfallbezogene Kooperation ermöglicht, zu einer sehr spezifischen, in ihren bisherigen Modellen oft rechtlich nicht unproblematischen Sonderform.“
Quelle: DVJJ