Einsamkeitsbarometer gibt Einblicke in eine stille Epidemie

Einsamkeit ist ein Phänomen, das alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten betrifft – in besonderem Maße jedoch junge und alte Menschen. Mit dem Einsamkeitsbarometer 2024 präsentiert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine umfassende Langzeitstudie, die Entwicklung und Auswirkungen von Einsamkeit in Deutschland untersucht. Diese Daten sind entscheidend, um gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung der Einsamkeit zu entwickeln und umzusetzen. Eine vielversprechende, aber derzeit nur kurzfristig finanzierte Initiative in diesem Bereich ist das Mental Health Coaches Programm (MHC Programm), das durch präventive Maßnahmen die psychische Gesundheit von Schüler*innen fördert. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. ist eine der vier Trägerorganisationen, die das MHC Programm umsetzen. Sie engagiert sich für eine finanzielle Absicherung dieser wertvollen Arbeit über das laufende Schuljahr hinaus.

Was ist das Einsamkeitsbarometer?

Das Einsamkeitsbarometer wurde im Auftrag des BMFSFJ vom Kompetenznetz Einsamkeit erstellt. Es basiert auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und bietet eine detaillierte Analyse der Einsamkeitsbelastungen in der deutschen Bevölkerung über einen Zeitraum von 30 Jahren.

Einsamkeit ist nicht nur ein individuelles Problem. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das erhebliche Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit sowie auf die gesellschaftliche Teilhabe und das Vertrauen in politische Institutionen hat. Die Pandemie hat diese Probleme verschärft und deutlich gemacht, dass Einsamkeit alle Altersgruppen betrifft. Besonders stark betroffen sind jedoch junge Erwachsene und ältere Menschen.

Die wichtigsten Ergebnisse des Barometers

Die Daten zeigen, dass die Einsamkeitsbelastung im ersten Pandemiejahr 2020 dramatisch anstieg. Sie ging im Jahr 2021 zwar etwas zurück, lag aber immer noch über dem Niveau vor der Pandemie . Besonders betroffen waren junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren, von denen im Jahr 2020 mehr als 30 % erhöhte Einsamkeitsbelastungen angaben. Auch Frauen sind tendenziell stärker betroffen als Männer. Dabei ist Einsamkeit ein landesweites Problem, das unabhängig von regionalen Faktoren existiert. Laut Barometer gib es nur geringe Unterschiede in der Einsamkeitsbelastung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten oder zwischen Ost- und Westdeutschland.

Einsamkeit bei jungen Menschen

Junge Menschen sind laut Einsamkeitsbarometer besonders gefährdet. 2020 gaben 31,8 % der 18- bis 29-Jährigen an, sich einsam zu fühlen – ein Anstieg von über 20 Prozentpunkten im Vergleich zu vor der Pandemie. Diese Altersgruppe kämpft häufig mit den Herausforderungen des Übergangs in die Erwachsenenwelt, Studien- und Arbeitsbelastungen sowie dem Aufbau eines unabhängigen sozialen Netzwerks. Die Pandemie hat diese Herausforderungen verstärkt, weil viele soziale Kontakte und unterstützende Strukturen wegfielen. Mehr dazu auch im Beitrag zu sozialer Vereinsamung Jugendlicher im Magazin der „Jugendsozialarbeit News“.

Vielversprechend zur Unterstützung junger Menschen ist das Mental Health Coaches Programm. Es bringt Fachkräfte aus den Bereichen Sozialarbeit, Pädagogik und Psychologie in Schulen, um präventive Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit zu ergreifen. Durch präventive Gruppen- und Einzelangebote helfen die Coaches den Schüler*innen, Stress zu bewältigen und Resilienz zu entwickeln. Das stärkt die soziale Verbundenheit und wirkt Einsamkeit entgegen. Allerdings ist die Finanzierung des Programms derzeit nur für eine kurze Zeit gesichert und somit die langfristige Wirksamkeit gefährdet. Zudem wird das Programm derzeit modellhaft nur an 100 Schulen in Deutschland umgesetzt.

Lebenslagen von einsamen Menschen

Einsamkeit betrifft besonders stark Menschen in prekären Lebenslagen, wie Arbeitslose, Alleinerziehende und pflegende Angehörige. Menschen mit Einwanderungs- und Fluchterfahrungen sowie Personen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen sind ebenfalls überdurchschnittlich oft von Einsamkeit betroffen. Auch die psychische Gesundheit spiegelt oft soziale Ungleichheiten wider, wie im Beitrag der „Jugendsozialarbeit News unter der Überschrift „Die psychische Gesundheit ist ein Spiegelbild sozialer Ungleichheiten“ erörtert wird.

Resilienzfaktoren gegen Einsamkeit

Ein stabiles soziales Netzwerk und gesellschaftliche Teilhabe sind wichtige Schutzfaktoren gegen Einsamkeit. Das Barometer zeigt, dass regelmäßiger Kontakt zu Familie und Freunden sowie die Teilnahme an gemeinschaftlichen Aktivitäten wie Sport und Ehrenamt die Resilienz gegen Einsamkeit erhöhen können.

Handlungsempfehlungen

Das Einsamkeitsbarometer formuliert konkrete Handlungsempfehlungen, darunter die Förderung von sozialen Kontakten und gemeinschaftlichen Aktivitäten, die Verbesserung des Zugangs zu Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für vulnerable Gruppen sowie die Sensibilisierung für das Thema Einsamkeit in der Gesellschaft. Besonders betont wird die Notwendigkeit einer ressortübergreifenden Strategie zur Bekämpfung der Einsamkeit, die alle Altersgruppen und Lebenslagen berücksichtigt.

Die BAG KJS betont in ihrem Politikbrief zu Armut und Gesundheit, dass ein Engagement gegen Einsamkeit und für die mentale Gesundheit besonders wichtig ist. Junge Menschen in Armut und prekären Lebenslagen sind besonders gefährdet, was ihre psychische und physische Gesundheit betrifft. Die BAG KJS fordert daher eine bessere gesundheitliche Versorgung und präventive Maßnahmen, um diesen jungen Menschen eine faire Chance auf ein gesundes Leben zu bieten. Die Förderung von Programmen wie den Mental Health Coaches ist ein wichtiger Schritt, um die soziale Teilhabe und Resilienz dieser Jugendlichen zu stärken.

Quellen: BMFSFJ; epd; Jugendsozialarbeit News; BAG KJS

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