Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund werden häufiger diskriminiert

In Deutschland leben Menschen aus allen Ländern der Welt; jeder Fünfte hat eine Zuwanderungsgeschichte. Zur Frage, welche Rolle die äußerlich wahrnehmbaren Merkmale des Migrationshintergrundes bei Diskriminierung spielen, liegen kaum Forschungsergebnisse aus Deutschland vor. Das ändert eine Publikation des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Der Policy Brief „‚Wo kommen Sie eigentlich ursprünglich her?‘ Diskriminierungserfahrungen und phänotypische Differenz in Deutschland“ zeigt nun erstmals: Menschen, deren Äußeres auf eine Zuwanderungsgeschichte hinweist, fühlen sich weitaus häufiger diskriminiert als Zugewanderte, deren Erscheinungsbild sich nicht durch Merkmale wie Hautfarbe oder Kopftuch von der Mehrheitsbevölkerung abhebt. Sie berichten zu 48 Prozent von erlebter Diskriminierung, und sogar zu 59 Prozent, wenn sie zusätzlich Deutsch mit einem Akzent sprechen. Dagegen berichten Menschen, die zwar einen Migrationshintergrund haben, sich aber nicht sichtbar oder hörbar von der Mehrheitsbevölkerung unterscheiden, davon nur zu 17 Prozent. Eine offenkundig andere Herkunft wird in Deutschland also als Nachteil erlebt.

Datengrundlage

Die Untersuchung des SVR-Forschungsbereichs beruht auf den Daten des SVR-Integrationsbarometer 2016. Dafür wurden bundesweit 5.396 Personen befragt, davon über 4.000 mit und rund 1.300 Personen ohne Migrationshintergrund; die Befragung erfolgte zwischen März und August 2015. Die Ergebnisse sind repräsentativ. Das Barometer erfasst sowohl Spät-/Aussiedler und Spät-/Aussiedlerinnen und Personen mit türkischer Herkunft als auch Zugewanderte aus der EU und der „übrigen Welt“. Damit kann die subjektive Diskriminierung in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund ausdifferenziert abgebildet werden.

Subjektiv empfundene Diskriminierung variiert nach Herkunft

Die subjektive Einschätzung der Befragten ist nicht mit objektiver, also tatsächlich stattfindender Diskriminierung gleichzusetzen: Einerseits ist nicht jede Benachteiligung für die Betroffenen erkennbar, andererseits können sie bestimmte Situationen auch fälschlicherweise als diskriminierend einstufen. Die Sicht der Betroffenen gibt allerdings Auskunft darüber, ob und wie stark Herkunft als Barriere für gleichberechtigte Teilhabe empfunden wird.

Je nach Herkunftsgruppe variiert der Anteil derer, die sich sichtbar oder hörbar von der deutschen Mehrheitsbevölkerung unterscheiden, was sich im Anteil der Personen mit Benachteiligungserfahrungen niederschlägt: Bei Befragten mit türkischen Wurzeln sind es 54 Prozent, bei Spät-/Aussiedlern und Spät-/Aussiedlerinnen 34 Prozent, bei Zugewanderten aus der EU 26 Prozent und bei Menschen mit einem Migrationshintergrund
aus der „übrigen Welt“ 40 Prozent. Einen großen Effekt hat auch die Religionszugehörigkeit
von Menschen mit Migrationshintergrund: Mit 55 Prozent fühlen sich Zugewanderte muslimischen Glaubens deutlich häufiger diskriminiert als Zugewanderte mit christlicher (29 %) oder ohne Glaubenszugehörigkeit (32 %).

Wer eine dunkle Hautfarbe hat, ein Kopftuch trägt, für einen Deutschen oder eine Deutsche untypische Gesichtszüge hat oder mit deutlichem Akzent spricht, erlebt häufiger Diskriminierung. Während ein Akzent allerdings mit der Zeit abgelegt werden kann, bleiben die visuellen auf eine Migrationsgeschichte deutenden Merkmale über Generationen erhalten. Die Betroffenen sind den – zum Teil durch Vorurteile und Rassismus ausgelösten – Ausgrenzungen daher dauerhaft ausgeliefert.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Diversität als Regelfall

Der Abbau diskriminierenden Verhaltens ist eine entscheidende Herausforderung für die
Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Es wird immer wichtiger, allen Menschen unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft eine chancengerechte Teilhabe zu ermöglichen und Ausgrenzung entgegenzutreten, mahnt Dr. Cornelia Schu, Direktorin des SVR-Forschungsbereichs.

Den Policy Brief des SVR lesen Sie hier.

Quelle: Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration

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