DGB-Analyse zum gespaltenen Ausbildungsmarkt

Auszüge aus der DGB-Analyse von Matthias Anbuhl:
„(…) Ein realistischer Blick auf die tatsächliche Lage auf dem Ausbildungsmarkt lässt sich mit der Kategorie der ausbildungsinteressierten Jugendlichen erfassen, die vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) entwickelt wurde.
Sie setzt sich zusammen aus der Zahl der neuen Ausbildungsverträge sowie der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zwar den Bewerberstatus erhalten, aber keinen Ausbildungsplatz bekommen haben.

Die Quote der ausbildungsinteressierten Jugendlichen setzt sich aus folgenden Kategorien zusammen: ## Offiziell unversorgte Bewerber/-innen: Auch im Jahr 2016 gab es 20.550 junge Bewerberinnen und Bewerber,
die weder einen Ausbildungsplatz noch eine Ersatzmaßnahme bekommen haben. Es ist unstrittig, dass diese
Jugendlichen als unversorgt gezählt werden müssen.
## Bewerber/-innen in Warteschleifen mit Vermittlungsauftrag (alternativer Verbleib): Es werden aber auch
Jugendliche als „versorgt“ gezählt, die von der BA als „ausbildungsreif“ eingestuft wurden und trotzdem in Ersatzmaßnahmen
(Praktika, Einstiegsqualifizierungen berufsvorbereitende Maßnahmen etc.) „geparkt“ wurden.
Von diesen Jugendlichen haben aber allein 2016 exakt 60.053 junge Menschen der BA angezeigt, dass sie aktuell
noch einen Ausbildungsplatz suchen. (…) Damit bleiben allein 2016 insgesamt 80.603 Bewerber/-innen ohne Ausbildungsplatz.
## Bewerber/-innen in Warteschleifen ohne Vermittlungsauftrag: 109.276 Jugendliche, die den Bewerberstatus
erhalten haben, konnten trotzdem keinen Ausbildungsvertrag unterzeichnen. Sie wurden ebenfalls in Warteschleifen
„geparkt“, haben der BA aber nicht angezeigt, dass sie im laufenden Jahr noch einen Ausbildungsplatz suchen. Das BIBB geht davon aus, dass viele dieser Jugendlichen ihren Ausbildungswunsch nur aufgeschoben
haben (…).
## Bewerber/-innen, deren Verbleib nicht bekannt ist: Im Ausbildungsjahr 2016 gab es 93.402 junge Bewerber,
deren Verbleib aus Sicht der BA unbekannt ist.
Diese Statistik zeigt, dass von den 803.613 jungen Menschen, die im Laufe des Berichtsjahres 2016 ein ernsthaftes Interesse an einer Ausbildung hatten – und als „ausbildungsreif“ deklariert wurden – insgesamt 520.332 Jugendliche einen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben. Damit haben 64,7 Prozent dieser jungen Menschen einen Ausbildungsplatz gefunden. (…)

Aber insgesamt 283.281 junge Menschen, die ein ernsthaftes Interesse an einer Ausbildung hatten – und von der Bundesagentur für Arbeit (BA) als „ausbildungsreif“ deklariert wurden haben keinen Ausbildungsplatz gefunden. (…) Diesen Jugendlichen stehen nur 43.478 offene Ausbildungsplätze gegenüber. (…)

Aus Sicht des DGB ist eine Einmündungsquote von 100 Prozent (…) nicht zielführend. (…) Schon eine Quote von 75 Prozent würde aber als erster Schritt den Ausbildungsmarkt entspannen, wenn gleich damit das Recht der Jugendlichen auf ein auswahlfähiges Angebot noch nicht
erfüllt wäre.

Von den interessierten jungen Bewerberinnen und Bewerbern münden lediglich 64,7 Prozent in eine Ausbildung ein. Insgesamt ist der Ausbildungsmarkt regional zersplittert. Während es in Berlin (54,5 Prozent), Nordrhein-Westfalen (59,8 Prozent), Niedersachsen (60,9 Prozent) und Hessen (61,0 Prozent) die niedrigsten Einmündungsquoten gab, waren die Chancen der Jugendlichen in Bayern (73,6 Prozent), Hamburg (72,1 Prozent) und in Thüringen (70,4 Prozent) am besten.

Sollten sich die Ausbildungschancen Jugendlicher deutlich verbessern, wären 2016 rund 602.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge nötig gewesen, um die 75-Prozent-Marke zu erreichen. Dies entspricht einem Plus von 82.650 zusätzlichen Plätzen. Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, dass in den kommenden Jahren auch mehr und mehr junge Geflüchtete, die heute noch in Vorbereitungsklassen und Sprachkursen sind, einen Ausbildungsplatz benötigen. Deshalb sind in den kommenden Jahren bei der Einmündung in Ausbildung erhebliche Anstrengungen nötig, wenn die Polarisierung unserer Gesellschaft sowie der Bildungs- und Teilhabechancen nicht weiter zunehmen soll.

Um die Ausbildungschancen zu verbessern, sind aus Sicht des DGB folgende Maßnahmen notwendig. ## Die Betriebe müssen die Bestenauslese beenden – und endlich Hauptschülern verstärkt eine Chance auf Ausbildung geben. Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich in der Allianz für Aus- und Weiterbildung darauf verständigt, mit der Assistierten Ausbildung die Hilfen für Betriebe und Jugendliche deutlich auszubauen. Dieses neue Instrument hilft den Unternehmen bei der Auswahl der Jugendlichen und beim Erstellen des betrieblichen Ausbildungsplans. Die Assistierte Ausbildung unterstützt die Jugendlichen, wenn sie zusätzliche Förderung – wie etwa Sprachunterricht – brauchen. Jetzt müssen die Betriebe dieses Instrument nutzen. Zudem ist dieses Instrument, das bis zum Jahr 2018 befristet ist, zu entfristen.
##Die Quote der Ausbildungsbetriebe sinkt seit Jahren. Nur noch jedes fünfte Unternehmen bildet aus. (…) Wenn nur zwanzig Prozent der Betriebe ausbilden, aber einhundert Prozent von den qualifizierten Fachkräften profitieren, ist es Zeit für einen fairen finanziellen Ausgleich zwischen ausbildenden und nicht-ausbildenden Unternehmen. (…)
## Dennoch ist ausschließlich mit betrieblichen Ausbildungsplätzen der Bedarf kaum zu decken. (…) In Regionen mit einem problematischen Ausbildungsmarkt müssen marktbenachteilige Jugendlichen die Chance bekommen, über eine außerbetriebliche Ausbildung einen vollwertigen Berufsabschluss zu erlangen. Diese Ausbildung
soll noch enger mit den Betrieben verzahnt werden. Hierbei sind die Sozialpartner vor Ort eng einzubeziehen.
## Um Jugendliche und Ausbildungsplätze besser zusammenzubringen, müssen wir die Mobilität von jungen Menschen fördern. Dazu gehört die Einführung von Azubi-Tickets im öffentlichen Nahverkehr. Wichtig ist auch, günstige, aber gute Wohnungen zu schaffen. (…) Für die Auszubildenden brauchen wir mehr Azubi-Wohnheime.“

Quelle: DGB Bundesvorstand

Dokumente: DGB-Studie-Der-gespaltene-Ausbildungsmarkt.pdf

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