Die Denkwerkstatt Jugendgerechte Bildungspolitik diskutierte als Arbeitsgruppe der Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik über aktuelle Lebensbedingungen von jungen Menschen in Ausbildung und Studium. Die Finanzierung von Wohnung und allgemeinen Lebenskosten sind für viele enorme Belastungen. In einem Thesenpapier der Arbeitsgruppe werden Bedürfnisse junger Menschen beleuchtet und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt. Im Fokus stand die Gruppe der Studierenden.
Eine der Thesen: Schüler*innen aller Schulformen werden unzureichend über Berufsperspektiven und Studienmöglichkeiten informiert. Ausbildungs- und Studienberatung gehen zu wenig auf Interessen, Fähigkeiten und vielfältige Biografien der Schüler*innen ein. Aus Sicht der Denkwerkstatt sind mögliche Lösungen: Die Weiterentwicklung der Ausbildungs- und Studienberatungsangebote müssen stärker individualisiert und diversitätssensibel sein. Beratung muss früh in der Bildungsbiografie ansetzen. Orientierungsangebote zu Berufsperspektiven sind an allen Schulformen notwendig. Die Wege zum Beruf über ein Studium müssen auch außerhalb des Gymnasiums adressiert werden („Studieren ohne Abitur“). Darüber hinaus sollten Schüler*innen frühzeitig über Möglichkeiten der Nachteilsausgleiche und Eingliederungshilfen informiert werden. Bei Studierenden kann ein Orientierungssemester hilfreich sein.
Von Armut betroffene Studierende
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) wirkte in der Denkwerkstatt mit, denn laut aktuellem Monitor Jugendarmut waren 35 Prozent aller Studierenden armutsgefährdet. Mehr als die Hälfte ihres Haushaltsaufkommens müssen Studierende im Schnitt aufwenden, um ihre Miete zu zahlen – wenn sie nicht mehr im Elternhaus leben. Unter der wachsenden Wohnraumnot in Hochschulstädten leiden deswegen insbesondere von Armut betroffene Studierende und Auszubildende, deren Studienerfolg bzw. Ausbildungserfolg dadurch erschwert bis unmöglich wird. Durch die Verlängerung und den Ausbau des Bundesprogramms Junges Wohnen könnte eine Erhöhung der Wohnheimplätze (u. a. mit der Option sozialpädagogischer Begleitung analog zum Azubi-Wohnen) erreicht werden. Auch eine Wiedereinführung/Förderung der Wohngemeinnützigkeit sowie eine Mietpreisbremse sind gute Instrumente, um gegen Wohnraumnot vorzugehen. Mittelfristig müsste Stadtplanung Bedarfe von Studierenden und Auszubildenden stärker im Blick haben.
Fördermöglichkeiten weiterentwickeln
Eine weitere These: Das System der Studienfinanzierung in Deutschland zementiert den Ausschluss junger Menschen ohne eigene oder familiäre Ressourcen. Das BAföG ist nicht kostendeckend, die Rückzahlungsbedingungen von KfW-Studienkrediten stellen hohe persönliche Verschuldung in Aussicht. Die ausschließende Wirkung wird durch lange Bearbeitungsdauer beim BAföG und mangelnde Berücksichtigung von studienverlängernden Faktoren noch verschärft. Mögliche Lösungen aus Sicht der Denkwerkstatt: Der BAföG-Satz muss an tatsächliche Lebenshaltungskosten angepasst und dynamisiert werden. Im Falle ausländischer Studierender müssen studienverlängernde Konditionen, wie etwa Sprachförderung, berücksichtigt werden. BAföG muss elternunabhängig möglichen sein, für Careleaver ist ein Rechtsstatus einzuführen
Denkwerkstatt Jugendgerechte Bildungspolitik
In der Denkwerkstatt Jugendgerechte Bildungspolitik kamen Expert*innen aus Sozialer Arbeit, Studierendenvertretung, Hochschulträgerschaft und -politik zusammen. Im Rahmen der Projektlaufzeit von Januar 2023 bis Dezember 2025 führt die Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik verschiedene themenbezogene Denkwerkstätten durch. Damit wird der handlungsfeldübergreifende Austausch zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren befördert. Interessen und Bedürfnisse junger Menschen werden in den Dialog zu Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft eingebracht.
Autor: Michael Scholl