Coronakrise: WIE GEHT ES EIGENTLICH DEN JUGENDLICHEN…in berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen?

Der Lockdown ist noch lange nicht komplett aufgehoben, Angebote der Sozialen Arbeit sind immer noch weit davon entfernt wieder normal arbeiten zu können. Die finanzielle Absicherung von Trägern, Personal und Maßnahmen bestimmen weitestgehend die Debatte um die Auswirkungen des Lockdowns. Ergänzend dazu richten die “Jugendsozialarbeit News” in den nächsten Wochen den Blick auf die Jugendlichen in der Jugendsozialarbeit. Wir fragen “WIE GEHT ES EIGENTLICH DEN JUGENDLICHEN…” und geben der Berichterstattung zur Coronakrise damit eine neue Ausrichtung. Sabine Zosel leitet eine Bildungsmaßnahme zur beruflichen Vorbereitung für junge Menschen in Dortmund. In der gemeinsamen Maßnahme von IN VIA und Caritas werden derzeit 110 junge Menschen auf eine berufliche Ausbildung vorbereitet. Kernelemente sind vor allem Berufspraktika, die derzeit nur sehr eingeschränkt stattfinden können. Auch, was die theoretische Vorbereitung auf die Ausbildung betrifft, ist in Corona-Zeiten Kreativität gefragt.

Wie erreichen Sie die jungen Menschen derzeit?

Sabine Zosel: In unserem Team betreut jede/r Bildungsbegleiter*in etwa 22 Teilnehmer*innen, die mehrmals in der Woche kontaktiert werden. Sie werden einzeln, vor allem telefonisch, angesprochen. Informationen können wir auch über E-Mails versenden. Aber da aus Datenschutzgründen keine persönlichen Dinge in E-Mails erfragt werden dürfen, scheidet dieser Kommunikationsweg bei der persönlichen Betreuung aus.

Wie bereiten Sie die jungen Menschen aktuell auf ihre Ausbildung vor?

Sabine Zosel: Der Theorieunterricht findet normalerweise in den Unterrichtsräumen von IN VIA statt, die seit einigen Wochen geschlossen sind. Die jungen Menschen arbeiten und üben normalerweise vor allem in Lerngruppen an Themen, die für den Einstieg in die Ausbildung wichtig sind – je nach gewähltemBerufsbereich. Aktuell versorgen wir die Teilnehmer*innen mit Übungsmaterial. Sie erhalten Lernpakete per E-Mail oder auch auf dem postalischen Weg. Ein großes Problem ist, dass nicht alle Teilnehmer*innen die notwendige technische Ausstattung zu Hause haben. Zwar haben fast alle ein Smartphone, aber Tablets, PCs, Laptops und vor allem Drucker fehlen. Da hilft dann manchmal nur der gute alte Postweg. Die Aufgaben können vom Smartphone abgelesen und ganz einfach mit Stift und Papier bearbeitet werden. Einzig die Rücksendung gestaltet sich schwierig.

Wir führen auch eine Maßnahme durch, in der wir Jugendliche und junge Erwachsene mit Lernbehinderungauf eine Ausbildung vorbereiten. Diese 23 Teilnehmer*innen bekommen ihre Lernpakete generell per Post zugeschickt, denn sie verfügen nicht über die Ausstattung und/oder die Kompetenz, Aufgaben elektronisch zu empfangen. Die Umstellung auf digitale Lernangebote ist daher eine Herausforderung.

Wie geht es den jungen Menschen jetzt, wo sie nicht zu Ihnen kommen können?

Sabine Zosel: Viele machen sich große Sorgen darüber, ob ihr Einstieg in die Ausbildung im Herbst überhaupt gelingen kann. Nur sehr vereinzelt können momentan Praktika stattfinden –diese sind aber verpflichtender Bestandteil der Maßnahme. So können z.B. im Einzelhandel Praktika laufen, während dies in der Pflege zur Zeit undenkbar ist. Insgesamt leiden sehr viele der jungen Menschen unter der ungewissen Zukunft.

Auch fehlt den meisten Teilnehmenden der direkte Kontakt zu den Bildungsbegleiter*innen der Maßnahme. Die aktuell schwerpunktmäßige telefonische Beratung kann die face-to-face-Beratung nicht ersetzen. Der Kontakt wird aber aufrechterhalten, um die jungen Menschen in dieser Krise nicht allein zu lassen.

Erleben Sie Unterschiede der jungen Menschen im Umgang mit der Situation?

Sabine Zosel: Einige der Teilnehmenden werden selber initiativ, kümmern sich um Bewerbungsunterlagen, rufen beim Ausbildungsbetrieb an, ob das Ausbildungsangebot trotz Corona bestehen bleibt usw..
Aber es gibt auch Teilnehmer*innen, die sich zurückziehen und auf Anrufe nicht reagieren. Besonders belastend ist die Situation für die Zielgruppe der jungen Mütter. Sie müssen die Lernpakete zu Hause bewältigen und das ist dann unmöglich, wenn es keine geregelte Kinderbetreuung gibt. Die Nerven liegen durch die schwierige Betreuungssituation ohnehin blank. Zwar gibt es die Möglichkeit, über das Jugendamt eine Tagesmutter zu organisieren, aber das ist derzeit auch nicht so einfach.

Was brauchen die jungen Menschen – was wäre wichtig aus Sicht der Jugendlichen?

Sabine Zosel: Corona ist wie ein Brennglas – gesellschaftliche und soziale Lebenslagen werden verschärft! Deshalb muss es, unabhängig von den jeweils individuellen Bedarfen der jungen Menschen, möglichst bald eine Rückkehr zur Normalität geben. Dabei ist uns allen klar, dass es jetzt eine neue Normalität geben wird, der wir uns schrittweise nähern werden, damit es weitergehen kann und wir unser Ziel „Ausbildung“ noch erreichen.

Nach wochenlanger Schließung öffnen die Schulen in Nordrhein-Westfalen wieder. Auch wir dürfen unseren Betrieb in angepasster Weise wieder aufnehmen und in kleineren Gruppen unter Einhaltung der Abstandsregeln und der Hygienevorschriften unterrichten. Nach und nach nehmen viele Betriebe ihre Tätigkeit wieder auf, so dass Praktika ebenfalls wieder stattfinden könnten. Wir sind nun gespannt, wie die Teilnehmer*innen die „Pandemie-Pause“ verarbeitet haben und rechnen mit Rückschritten. Evtl. müssen wir erneut an der Stabilisierung von Tagesrhythmen arbeiten. Zudem leiden manche Teilnehmer*innen unter Ängsten, so dass die Teilnahme am Präsenzunterricht und das Absolvieren von Praktika zunächst schwierig werden. Die Agentur für Arbeit hat signalisiert, dass die Lehrgangsdauer nach Bedarf verlängert werden kann, damit die Jugendlichen die Maßnahme nicht ohne Anschlussperspektive verlassen. Auch weitere, direkt anschließende Fördermöglichkeiten sollen, falls erforderlich, unbürokratisch möglich sein. Inwieweit sich die zu erwartende wirtschaftliche Rezession auf die Eingliederungsquote der BvB-Teilnehmer*innen in Ausbildung auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Vielen Dank für das Gespräch!Das Interview führte Susanne Nowak von IN VIA Deutschland

Hier der Link zum Kooperationsprojekt:
https://caritasdortmund.de/beratung-berufliche-eingliederung/beschaeftigung-und-qualifizierung/berufsvorbereitende-bildungsmassnahmen-bvb/berufsvorbereitende-bildungsmassnahmen-bvb/

Quelle: BAG KJS

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