Die von den Kultusminister*innen der Länder in Auftrag gegebene Studie “IQB-Bildungstrend 2022” dokumentiert, dass bundesweit 32,5 Prozent der Neuntklässler*innen die Mindeststandards im Kernfach Deutsch verfehlen. 16 Prozent mehr als sieben Jahre zuvor. Deutschlandweit wurden dafür rund 33.000 Schüler*innen getestet. Der Test wurde vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) entwickelt. Nach 2009 und 2015 hat der IQB-Bildungstrend 2022 zum dritten Mal untersucht, inwieweit Neuntklässler*innen die bundesweit geltenden Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) in den sprachlichen Fächern Deutsch, Englisch und Französisch in der Sekundarstufe I für den Ersten allgemeinen Schulabschluss und den Mittleren Schulabschluss erreichen. Der aktuelle Bildungstrend belegt einmal mehr, dass Bildungserfolg in Deutschland im Wesentlichen vom sozioökonomischen Status des Elternhauses abhängt. Die Bildungsforscher*innen weisen nach, dass sich diese Abhängigkeit zwischen den Jahren 2015 und 2022 signifikant verstärkt hat.
Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2022 als „im hohen Maß besorgniserregend“ bewertet
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zeigte sich angesichts der Studienergebnisse alarmiert und bewertete diese als „im hohen Maß besorgniserregend“. Der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen hänge immer noch stark von der sozialen Herkunft ab. Es müsse daher dringend eine Trendwende in der Kompetenzentwicklung erreicht werden. Mit dem von Bund und Ländern geplanten Startchancen-Programm soll ein Wandel im Bildungssystem ermöglicht werden.
Auf die Tatsache, dass in Deutschland Bildungschancen in hohem Maße vom sozioökonomischen Status des Elternhauses abhängen, weist die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. seit Jahren hin; insbesondere im Rahmen ihrer Initiative zur Bekämpfung von Jugendarmut. Auch der Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ verdeutlicht die pluralen negativen Auswirkungen dieser Abhängigkeit. Das geplante Startchancenprogramm alleine wird nicht die Lösung sein, wie ein Meinungsbeitrag der Projektleitung für den Monitor „Jugendarmut in Deutschland“ deutlich machte.
Die Rolle des kulturellen Kapitals
Für die Bildungsstudie gilt die in einem Haushalt als Indikator für das familiäre kulturelle Kapital. Die Forscher*innen stellen auch einen engen Zusammenhang zwischen den erreichten Kompetenzen der Schüler*innen und dem Bücherbesitz der Familie fest. Die mit dem kulturellen Kapital verbundenen Disparitäten hätten in Deutschland insgesamt in allen getesteten Kompetenzbereichen im Zeitraum 2015 bis 2022 deutlich zugenommen.
Die insgesamt positiven Ergebnisse im Fach Englisch im Zeitraum zwischen 2015 und 2022 seien bei Jugendlichen aus Familien mit mehr kulturellem Kapital wesentlich stärker ausgeprägt als bei Jugendlichen aus Familien mit weniger kulturellem Kapital. Dadurch hätten sich die sozialen Disparitäten auch im Fach Englisch vergrößert.
Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen
Die Bildungsstudie belegt auch einen Geschlechterunterschied zu Gunsten von Mädchen*. In den Fächern Deutsch und Englisch erreichten sie in allen untersuchten Kompetenzbereichen im Durchschnitt höhere Werte als Jungen*. Dabei sei der Vorsprung im Bereich Orthografie (Deutsch) mit 49 Punkten am größten. Ebenfalls erheblich (34 Punkte) sei der Kompetenzvorsprung der Mädchen* vor den Jungen* in Englisch im Bereich Leseverstehen.
Über den IQB-Bildungstrend
Insgesamt flossen in die Auswertungen zum Fach Deutsch die Daten von 32.990 Schüler*innen der 9. Jahrgangsstufe aus 1.610 Schulen ein. Die Analysen zum Fach Englisch basieren auf Daten von 31.159 Schüler*innen. Schüler*innen, mit geringen Deutschkenntnissen (Deutsch nicht Muttersprache und gleichzeitig weniger als ein Jahr Unterricht auf Deutsch) sowie Mädchen* und Jungen*, die aufgrund eines Förderbedarfs zieldifferent unterrichtet werden, waren von der Erhebung ausgenommen. Die Erhebungen zum IQB-Bildungstrend 2022 fanden zwischen April und Juli 2022 statt. Der konkrete Zeitraum variierte zwischen den Bundesländern leicht. Der nächste IQB-Bildungstrend 2024 soll zum dritten Mal das Erreichen der Bildungsstandards in den Fächern Mathematik, Biologie, Chemie und Physik in der Sekundarstufe I überprüfen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Herbst 2025 veröffentlicht.
Quelle: BMFB; IQB; Deutsches Schulportal; BAG KJS